Vorlass Hans Fertig

Identifier
VL RA Fertig
Language of Description
German
Dates
1 Jan 1943 - 31 Dec 1993
Level of Description
Collection
Source
EHRI Partner

Extent and Medium

8 lfd. m

Scope and Content

Im Jahr 2013 erhielt das Fritz Bauer Institut von Rechtsanwalt Hans Fertig (1929-2015) seinen schriftlichen Vorlass mit umfangreichen Unterlagen zu seiner Tätigkeit als Strafverteidiger in verschiedenen NSG-Verfahren von den 1960ern bis in die 1980er-Jahre.

Hans Fertig wurde am 04.02.1929 in Amorbach im Odenwald geboren, wo er 1949 sein Abitur ablegte. Es folgte ein Studium der Rechtswissenschaft in Würzburg. 1959 legte er sein Referendar- und 1961 sein Assessorexamen ab. Während des Referendariats promovierte Fertig im Hochschulrecht und veröffentlichte dazu in einschlägigen rechtswissenschaftlichen Zeitschriften. 1963 wurde er Schriftleiter der Neuen Juristischen Wochenschrift. Zur gleichen Zeit ließ er sich als Anwalt in Frankfurt am Main nieder und übernahm Mandate aus allen Rechtsgebieten, insbesondere dem Zivilrecht.

Anfang der 1960er-Jahre erfuhr Fertig aus der Zeitung von den Vorbereitungen für den 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess und kam hierüber zufällig mit dem ihm bekannten, späteren Vorsitzenden Richter im Prozess, Hans Hofmeyer, ins Gespräch. Dieser schlug Fertig vor, die zweiten Mandate für die Angeklagten Bruno Schlage, Arthur Breitwieser und Josef Klehr zu übernehmen. Im Anschluss an den 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess trat Fertig dann in rund einem Dutzend weiterer NSG-Verfahren als Strafverteidiger auf, etwa für den ehemaligen SS-Sturmbannführer Kuno Callsen im Darmstädter Callsen-Prozess oder für Horst Czerwinski und Josef Schmidt im 6. Frankfurter Auschwitz-Prozess. Hans Fertig starb am 23.03.2015 im Alter von 86 Jahren in Frankfurt am Main.

Der Vorlass Hans Fertig umfasst nach Erschließung, Entmetallisierung und Umbettung 271 Archiveinheiten mit einem Gesamtumfang von 8,0 lfd. m. Bei seiner Übernahme im Jahr 2013 wies er bereits eine lose Ordnung nach den elf NSG-Verfahren auf, an denen Hans Fertig als Strafverteidiger beteiligt war. Unmittelbar nach der Übernahme wurde der Bestand erstmals kursorisch in Form einer Excel-Tabelle verzeichnet. Bei der ordentlichen Erschließung im Jahr 2018 durch den Bearbeiter Johannes Beermann-Schön wurde die ursprünglich vorhandene Ordnung der Unterlagen übernommen, diese jedoch weiter untergliedert und in Fällen, in denen eine falsche Zuordnung von Archiveinheiten zu einem Verfahren vorgenommen worden war, korrigiert.

Der Bestand gliedert sich nun entlang der elf Verfahren. Diese sind wiederum untergliedert in die Abschnitte "Dokumente betr. die Prozessvorbereitung", "Dokumente betr. das Hauptverfahren", "Dokumente betr. Haftbedingungen, Haftaussetzung, Revisionsverfahren und Gnadengesuche", "Presseberichterstattung"; "Dokumente betr. Vergütung" und "Sonstiges". Der Abschnitt "Dokumente betr. das Hauptverfahren" untergliedert sich schließlich noch in die Kategorien "Prozessverlauf", "Anträge und Stellungnahmen", "Korrespondenz", "Beweisaufnahme", "Plädoyer" und "Urteil".

Im Vorlass Hans Fertig finden sich Unterlagen zu elf verschiedenen NSG-Verfahren in denen der Rechtsanwalt als Strafverteidiger zumindest eines der Angeklagten auftrat. Im 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess (1963-1965) vertrat Fertig die Angeklagten Breitwieser, Schlage und Klehr wegen im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz begangener Verbrechen. Ein Jahr später, begann in Darmstadt der Kolomea-Prozess (1966-1967) gegen ursprünglich acht Angehörige der Einsatzgruppe C wegen Massenerschießungen und Deportationen in der westukrainische Stadt Kolomea und ihrer näheren Umgebung. Auch hier trat Fertig als Verteidiger eines der Angeklagten auf.

Ebenfalls in Darmstadt mussten sich noch im selben Jahr im Callsen-Prozess (1967-1968) Angehörige des Sonderkommandos 4a der Einsatzgruppe C, das 1941 in der Ukraine zehntausende Menschen ermordet hatte, verantworten. Hans Fertig übernahm im Verfahren u.a. die Verteidigung des Hauptangeklagten Kuno Callsen, der Ende September 1941 als SS-Hauptsturmführer die Massenerschießungen von Babyn Jar mit angeleitet hatte. In den Jahren 1968 bis 1971 setzte sich Fertig vor dem Landgericht Darmstadt für einen ehemaligen Schutzpolizisten ein, dem vorgeworfen wurde, bei der Räumung des Ghettos Kielce in Südpolen im August 1942 Juden erschossen bzw. ihre Ermordung angeordnet zu haben.

Parallel zu diesem Strafverfahren wurde von 1970 bis 1973 vor dem Landgericht Wiesbaden eine Strafsache wegen Massen- und Einzelerschießungen in Lublin und Zamosc sowie Deportationen ins Vernichtungslager Belzec verhandelt. Hans Fertig vertrat hier einen Angeklagten, dem unter anderem vorgeworfen wurde 1941 in einem Waldstück bei Zamosc die Erschießung von 780 sowjetischen Kriegsgefangenen angeleitet zu haben. Ein weiterer Beschuldigter blieb dieser Verhandlung aus Krankheitsgründen fern. Gegen ihn wurde daraufhin in den Jahren 1973 bis 1975 ein eigenes Strafverfahren vor dem Landgericht Wiesbaden eröffnet. Fertig übernahm hier die Verteidigung des Handelsvertreters, der an der Deportation mehrerer tausend Juden aus dem Ghetto Lublin ins Vernichtungslager Belzec beteiligt gewesen sein soll.

1971 bis 1972 trat Fertig als Strafverteidiger in Darmstadt in einem Prozess gegen ehemalige Angehörige der Sicherheitspolizei in der polnischen Stadt Tomaszów Mazowiecki auf. Den drei Angeklagten wurde vorgeworfen, im Jahr 1942 Erschießungen im Ghetto Tomaszów Mazowiecki durchgeführt zu haben.

Massenerschießungen waren auch der Verfahrensgegenstand im Prozess gegen eine Reihe von Angehörigen des aus Frankfurt am Main stammenden Polizei-Bataillons 306 vor dem Landgericht Frankfurt in den Jahren 1971 bis 1973. Das Polizei-Bataillon 306 war verantwortlich für die Erschießung von 5000 sowjetischen Kriegsgefangenen im Wald von Huisinka bei Biala Podlaska, nahe Lublin, sowie für Massen- und Einzeltötungen von insgesamt 20.000 Juden bei der Liquidierung der Ghettos in Pinsk und in fünf weiteren Orten in der Umgebung. Fertig vertrat in diesem Prozess den später aus dem Verfahren ausgeschiedenen Gebietskommissar von Pinsk.

Über zehn Jahre beschäftigten Hans Fertig die Prozesse gegen Josef Schmidt und Horst Czerwinski vor dem Landgericht Frankfurt am Main (1977-1981) sowie dem Landgericht Lüneburg (1985-1989). Czerwinski hatte spätestens ab dem Jahr 1944 als SS-Unterscharführer zuerst das Außenlager Golleschau und dann das Außenlager Lagischa des Stammlagers Auschwitz geleitet, Schmidt war zur gleichen Zeit als Blockführer im AL Lagischa eingesetzt. Während Schmidt im 6. Frankfurter Auschwitz-Prozess im Jahr 1981 zu acht Jahren Jugendstrafe verurteilt wurde, schied Czerwinski bereits 1979 wegen krankheitsbedingter Verhandlungsunfähigkeit aus dem Verfahren aus. Sechs Jahre später wurde ihm jedoch vor dem Landgericht Lüneburg erneut der Prozess gemacht, als Verteidiger fungierte wie zuvor Hans Fertig.

Subjects

Places

This description is derived directly from structured data provided to EHRI by a partner institution. This collection holding institution considers this description as an accurate reflection of the archival holdings to which it refers at the moment of data transfer.

Pre-death legacy Hans Fertig

Identifier
VL RA Fertig
Language of Description
English
Dates
1 Jan 1943 - 31 Dec 1993
Level of Description
Collection
Source
EHRI Partner

Extent and Medium

8 running meters

Scope and Content

In 2013, the lawyer Hans Fertig (1929-2015) transferred his written pre-death legacy with extensive records regarding his occupation as a counsel at several proceedings regarding Nazi violent crimes (NSG-Verfahren) from the 1960s to the 1980s to the Fritz Bauer Institute.

Hans Fertig was born on February 4, 1929 in Amorbach in the Forest of Odes where he passed his Abitur in 1949. He then studied law in Würzburg. In 1959, he passed his first state examination (Referendarexamen) and in 1963 his second state examination (Assessorexamen). During his preparatory service, he earned his doctorate in higher education law and published articles in relevant legal journals. In 1963, he became the editor of the Neue Juristische Wochenschrift. At the same time, he established himself as a lawyer in Frankfurt (Main) and took over mandates of all legal spheres, especially of civil law.

In the early 1960s, Fertig learned about the preparations of the First Frankfurt Auschwitz trial from the press and casually discussed it with the trial's future chief judge, Hans Hofmeyer. At Hofmeyer's suggestion, Fertig took over the second mandates of the defendants Bruno Schlage, Arthur Breitwieser and Josef Klehr. Following this, Fertig participated in about a dozen proceedings regarding Nazi violent crimes (NSG-Verfahren) as a defense lawyer. For example, he advocated for the former SS-Sturmbannführer Kuno Callsen at the Darmstadt Callsen trial or for Horst Czerwinski and Josef Schmidt at the Sixth Frankfurt Auschwitz trial. Hans Fertig died on March 23, 2015 at age 86 in Frankfurt (Main).

The pre-death legacy Hans Fertig contains after description, demetallization and filing 271 archival units with a total extent of 8.0 running meters. It was loosely organized, upon the acquisition in 2013, according to the eleven proceedings regarding Nazi violent crimes (NSG-Verfahren) in which Fertig participated. Immediately after the acquisition, the holding was provisionally and cursorily described in the form of an excel spreadsheet. During indexing in 2018, the processor Johannes Beermann-Schön adopted the original structure but subdivided it further and corrected some wrong classifications of archival units.

The holding is now structured along the eleven proceedings which in turn are subdivided into seven sections: "documents regarding trial preparations" ("Dokumente betr. die Prozessvorbereitung"), "documents regarding the main proceedings" ("Dokumente betr. das Hauptverfahren"), "documents regarding detention conditions, parole, appeal proceedings and clemency appeals" ("Dokumente betr. Haftbedingungen, Haftaussetzung, Revisionsverfahren und Gnadengesuche"), "press coverage" ("Presseberichterstattung"), "documents regarding remuneration" ("Dokumente betr. Vergütung") and "other matters" ("Sonstiges"). The section "documents regarding the main proceedings" ("Dokumente betr. das Hauptverfahren") is further subdivided into the categories "process sequence" ("Prozessverlauf"), "claims and statements" ("Anträge und Stellungnahmen"), "correspondence" ("Korrespondenz"), "evidentiary hearing" ("Beweisaufnahme"), "pleading" ("Plädoyer") and "verdict" ("Urteil").

The pre-death legacy Hans Fertig covers records concerning eleven different proceedings regarding Nazi violent crimes (NSG-Verfahren) in which Fertig participated as the defense attorney of at least one defendant. In the First Frankfurt Auschwitz trial (1963-1965), Hans Fertig represented the defendants Breitwieser, Schlage, and Klehr, who were charged for crimes committed at Auschwitz concentration and extermination camp. One year later, the so called Kolomea trial (1966-1967) began in Darmstadt. Originally, eight members of the Einsatzgruppe C were charged for mass shootings and deportations in the West Ukrainian town Kolomea and its environs. Fertig served as the defense counsel for one of the defendants.

In the same year, members of the Sonderkommando 4a of the Einsatzgruppe C, who had killed tens of thousands of people in the Ukraine in 1941, stood trial at the so called Callsen trial (1967-1968) also in Darmstadt. Hans Fertig served as the defense counsel for Kuno Callsen, the main defendant, who had instructed the mass shooting in Babyn Yar in the end of September 1941 as SS-Hauptsturmführer.

In the years 1968 to 1971, Fertig advocated for a former policeman who was accused by the Landgericht Darmstadt of having shot or ordered the shooting of Jews during the eviction of the Kielce ghetto in south Poland in August 1942.

Simultaneously, between 1970 and 1973, a criminal case was heard at the Landgericht Wiesbaden regarding shootings in Lublin and Zamosc, as well as deportations to Belzec extermination camp. Hans Fertig served as the defense counsel for a defendant who was accused of instructing a mass shooting of 780 Soviet prisoners of war in 1941 in a forest near Zamosc. Another defendant was absent from the trial due to illness. A separate criminal case was initiated against him by the Landgericht Wiesbaden between 1973 and 1975 and Fertig also served as his defense. The commercial agent was accused of being involved in the deportation of thousands of Jews from the ghetto in Lublin to Belzec extermination camp.

In the years 1971 and 1972, Fertig was the criminal defense lawyer in a trial against former members of the Sicherheitspolizei in the Polish town Tomaszów Mazowiecki. The three defendants were accused of having conducted a shooting in the Tomaszów Mazowiecki ghetto in 1942.

Another trial also revolved around mass shootings: the trial against several members of the police battalion 306 at the Landgericht Frankfurt (Main) from 1971 to 1973. The police battalion 306 was responsible for the shooting of 5,000 Soviet prisoners of war in the forest of Huisinka near Biala Podlaska close to Lublin, and for the shooting of a total of 20,000 Jews during the liquidation of the ghettos in Pinsk and five other places in that region. Fertig advocated for the Gebietskommissar of Pinsk who later was suspended from the trial.

For more than ten years, Hans Fertig was concerned with the trials against Josef Schmidt and Horst Czerwinski at the Landgericht Frankfurt (Main) (1977-1981) and at the Landgericht Lüneburg (1985-1989). As SS-Unterscharführer, Czerwinski oversaw the Auschwitz satellite camp Golleschau at least since 1944 and shortly after the Auschwitz satellite camp Lagischa. At the same time, Schmidt was block leader at the labor camp Lagischa. In the Sixth Frankfurt Auschwitz trial, Schmidt was sentenced to eight years of youth custody in 1981. Czerwinski on the other hand was suspended from the trial due to illness. But six years later the Landgericht Lüneburg put him on trial again and Fertig defended him again.

Subjects

Places

This description is derived directly from structured data provided to EHRI by a partner institution. This collection holding institution considers this description as an accurate reflection of the archival holdings to which it refers at the moment of data transfer.