Betriebe und Einrichtungen der Wirtschaft

Identifier
C 6
Language of Description
German
Source
EHRI Partner

Scope and Content

Vorwort

Die Wirtschaft Berlins (Ost) wie der gesamten DDR war geprägt von ihrer Einbindung in die staatlich gelenkte Planwirtschaft.

Das vergesellschaftete Eigentum an Unternehmen und Produktionsmitteln, das das sozialistische System nachhaltig prägte, existierte in drei Formen:
Zunächst gab es das Volkseigentum, das anfänglich aus verstaatlichtem Privatbesitz erwachsen war und später durch Neugründungen erweitert wurde. Als Betriebsformen zählten hierzu die Volkseigenen Betriebe (VEB), die anfänglich in branchenspezifischen Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB) vereint waren und seit Mitte der 1960er Jahre zunehmend zu Kombinaten zusammengefasst wurden.
Daneben gab es das genossenschaftliche Eigentum. Hierbei handelte es sich um ursprünglich private Betriebe, die sich nicht selten auf Druck zu Genossenschaften zusammengeschlossen hatten und ebenfalls dem Einfluss des Staates unterworfen waren. So gab es etwa Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH), Einkaufs- und Liefergenossenschaften (ELG), Konsumgenossenschaften, Handelsorganisationen (HO) und Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG).
Ferner verfügten Parteien und Massenorganisationen über Organisationseigene Betriebe (OEB) wie Verlage oder Baubetriebe.

Neben diesen drei Gruppen bestand privates Eigentum im Wirtschaftssektor nur vereinzelt und in schwindender Zahl, v. a. im handwerklichen und gastronomischen Bereich sowie im Einzelhandel.
In der Zeit von 1956 bis 1972 gab es überdies als Mischform Betriebe mit staatlicher Beteiligung (BSB).

Für Berlin (Ost) zeigte sich die Dominanz vergesellschafteten Eigentums beispielhaft an der raschen Zunahme volkseigener Betriebe im Bereich der Industrie. Bereits Mitte der 1950er Jahre war deren Anteil auf über 80% gestiegen, während der Anteil privater Unternehmen im selben Zeitraum - bedingt durch die in jenen Jahren einsetzende Verstaatlichung und eine verstärkte Firmenabwanderung nach Westen - auf rund 10% sank. Noch deutlicher war die Entwicklung in der bis 1990 wichtigsten Wirtschaftsbranche der Stadt, der Elektroindustrie. Sie war in den 1950er Jahren in Berlin (Ost) zu fast 100% verstaatlicht.

Die Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse, die eine Voraussetzung für den Aufbau der sozialistischen Planwirtschaft darstellte, hatte kurz nach Kriegsende begonnen.
Waren zunächst die Kriegszerstörung zahlreicher Industrieanlagen und die Demontagen durch die sowjetische Besatzungsmacht kennzeichnend gewesen, kam es schon bald mit ersten Eingriffen in die Eigentumsverhältnisse zu ordnungspolitischen Maßnahmen, die schließlich zur Auflösung der wirtschaftlichen Einheit Berlins beitrugen. Noch bevor vergleichbare Beschlüsse der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) verabschiedet wurden, erließ der Magistrat von Groß-Berlin am 2. Juli 1945 eine "Verordnung über die Anmeldung und Beschlagnahme von Vermögen von Personen, die sich aktiv faschistisch betätigt haben" und übertrug deren Durchführung den Bezirksämtern. Die SMAD-Befehle Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 und Nr. 126 vom folgenden Tag, mit denen in der sowjetischen Besatzungszone die Sequestrierung, also die Beschlagnahme wichtiger Industrie- und sonstiger Unternehmen, begann, bestätigte zugleich die Verordnung des Berliner Magistrats. Allerdings behielt sich die SMAD die endgültige Entscheidung über die in Listen erfassten Vermögenswerte vor.

Anders als die Westalliierten, die in ihren Besatzungszonen und Sektoren ebenfalls Unternehmen sequestrierten und dabei für Berlin anstelle der bezirklichen eigene Verwaltungsstellen einrichteten, zielte die SMAD mit ihren Befehlen weniger auf die Entflechtung der Industrie. Vielmehr war ihr die Sequestrierung ein erstes Mittel zur Neuordnung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Das zeigte sich seit 1946, als beschlagnahmte, aber rechtlich weiterhin in Privatbesitz befindliche Unternehmen in der sowjetischen Besatzungszone enteignet wurden. Diese Maßnahmen korrespondierten mit den Enteignungen landwirtschaftlichen Vermögens, die unter der Bezeichnung "Bodenreform" bereits seit Herbst 1945 vor allem in den agrarischen Gebieten der sowjetischen Besatzungszone zu erheblichen Veränderungen geführt hatten.

Auch in Berlin kam es 1946 zu ersten Enteignungen auf der Grundlage von SMAD-Befehlen. Hierbei wurden zentrale, v. a. elektrotechnische Industriebetriebe im Ostsektor als Reparationsleistung der Sowjetunion übertragen und von ihr in Form Sowjetischer Aktiengesellschaften (SAG) mit deutscher Belegschaft und sowjetisch besetzter Generaldirektion fortgeführt. Sie wurden Anfang bis Mitte der 1950er Jahre an die DDR übergeben und in VEB umgewandelt.

Umfassendere Enteignungen blieben in Berlin jedoch im Gegensatz zur sowjetischen Besatzungszone zunächst aus. Zwar verabschiedete die Stadtverordnetenversammlung am 13. Februar 1947 und am 27. März 1947 zwei entsprechende Gesetze. Da diese aber wegen eines amerikanischen Vetos die notwendige Zustimmung der Alliierten Kommandantur verfehlten, traten sie nicht in Kraft. Die sowjetische Kommandantur errichtete daher wenige Tage später mit Befehl Nr. 27 vom 1. April 1947 die allein ihr unterstehende "Deutsche Treuhandstelle zur Verwaltung des sequestrierten und beschlagnahmten Eigentums, das unter die Wirkung der Befehle der SMAD Nr. 124 und 126 im sowjetischen Besatzungssektor der Stadt Berlin fällt", die fünf Monate später, am 19. September 1947, in die "Deutsche Treuhandverwaltung des sequestrierten und beschlagnahmten Vermögens im sowjetischen Besatzungssektor der Stadt Berlin" (DTV) mit zunehmend wirtschaftsleitenden und -planerischen Funktionen umgewandelt wurde. Damit vermochte die sowjetische Besatzungsmacht nunmehr ohne alliierte Einsprüche die Weichen für eine Umgestaltung der Wirtschaft auf der Grundlage veränderter Eigentumsformen in ihrem Besatzungssektor zu stellen.
Zugleich aber zerbrach damit noch vor der Teilung der Stadt deren gemeinsame Wirtschaftsverwaltung.

Die administrative Spaltung Berlins im Jahre 1948 schuf für die weitere wirtschaftliche Entwicklung im Ostteil der Stadt vollkommen neue Rahmenbedingungen. Mit der Durchführung der Währungsreform in den Westsektoren war die Stadt in zwei Währungszonen geteilt worden. Außerdem verlagerte die sowjetische Besatzungsmacht ihre Befugnisse auf wirtschaftlichem Gebiet zunehmend auf den von ihr eingesetzten Ost-Berliner Magistrat.
Mit der Verabschiedung eines Zweijahrplanes im April 1949 durch den Magistrat, dem nach Errichtung der DDR weitere, dann allerdings zentralstaatlich verordnete Mehrjahrespläne folgen sollten, begann einerseits die Einbeziehung von Berlin (Ost) in die Planwirtschaft.
Zum anderen hatte der Magistrat schon am 8. Februar 1949 einen Beschluss gefasst, das beschlagnahmte Vermögen, das ihm der sowjetische Stadtkommandant mit Aufhebung der Sequesterverwaltung kurz zuvor übertragen hatte, entschädigungslos zu enteignen. Hierbei berief sich der Magistrat auf das gescheiterte Gesetz vom 27. März 1947. Von über 500 von der DTV verwalteten Betrieben wurden daraufhin 465 Unternehmen in volkseigene Betriebe (VEB) überführt und zumeist in einer von sieben Vereinigungen Volkseigener Betriebe Berlins (VVB [B]) zusammengefasst. Branchenspezifisch gebildet und dem Ost-Berliner Magistrat nachgeordnet, waren sie für Berlin (Ost), was die von den Ländern geleiteten Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB [L]) für die sowjetische Besatzungszone waren. Weitere 50 Berliner Betriebe mit 41 Nebenbetrieben wurden wegen ihrer über die Stadt hinausreichenden Bedeutung gleich den zentral geleiteten VVB (VVB [Z]) der sowjetischen Zone angeschlossen. Die Deutsche Treuhandverwaltung sah damit ihre Aufgaben als erfüllt an und wurde noch 1949 aufgelöst.

Mit der Eingliederung von Ost-Berliner Betrieben in überregionale Organisationen wurde die seit Kriegsende bestehende Trennung zwischen der Wirtschaftsentwicklung Berlins (Ost) und der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR zunehmend aufgehoben. Dieser Prozess setzte sich in den 1950er Jahren fort, als die regional geleiteten VVB, also die VVB (B) für Berlin (Ost) und die VVB (L) für die Länder, aufgelöst wurden. Die bedeutenderen der dort bisher zusammengeschlossenen Unternehmen wurden den VVB (Z), jetzt kurz VVB genannt, unterstellt. Die übrigen Betriebe wurden in die örtliche volkseigene Industrie eingegliedert und im Falle Berlins (Ost) durch städtische Behörden verwaltet.

Die Betriebe, die den VVB (Z) unterstanden, waren zunächst der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK), der zentralen Verwaltungsinstanz der östlichen Besatzungszone, nachgeordnet.
Mit Gründung der DDR wurden die VVB (Z) und späteren VVB in das neu geschaffene Industrieministerium übergeleitet, das Ende 1950 in einzelne branchenspezifische Industrieministerien aufgespalten wurde. Wegen Kompetenzproblemen mit den vorgesetzten Industrieministerien wurden die VVB Anfang 1952 in der bestehenden Form aufgelöst und die ihnen zugehörigen größeren VEB in selbstständige, nach wirtschaftlicher Rechnungsführung arbeitende Einheiten umgewandelt. Die restlichen Betriebe verblieben bei den VVB, die als "Verwaltungen Volkseigener Betriebe" ihre direkten Leitungs- und Kontrollbefugnisse verloren und bloße Anleitungs- und Aufsichtsorgane wurden.
Mit Auflösung der Industrieministerien und dem Übergang der Wirtschaftslenkung an die Staatliche Plankommission 1958 wurden die VVB, nunmehr wieder "Vereinigungen Volkseigener Betriebe" genannt, den Fachabteilungen der Plankommission mit der Aufgabe zur operativen und produktionsnahen Anleitung der VEB unterstellt. Infolge der Kombinatsbildung verloren die VVB an Bedeutung und wurden 1979 fast vollständig aufgelöst.

Die Umstrukturierung der DDR-Wirtschaft im Jahre 1958 mit der Einrichtung der Staatlichen Plankommission führte aber nicht nur hier zu Veränderungen.
Ebenso wurde 1958 in Berlin der Wirtschaftsrat als Behörde beim Magistrat gebildet, der für die Planung und Leitung der bezirksgeleiteten Industrie zuständig war. Ihm wurden neu gegründete VVB (B) unterstellt.

Die Innovationsträgheit der Planwirtschaft veranlasste die Staatsführung Anfang der 1960er Jahre zu einer wirtschaftspolitischen Umorientierung. Das 1963 eingeführte "Neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft" (NÖSPL/NÖS) und seine 1967 vorgenommene Modifizierung zum "Ökonomischen System des Sozialismus" (ÖSS) sollten mit einer vergrößerten Eigenverantwortlichkeit der Betriebe, einer realitätsnäheren Kostenbewertung und einer Intensivierung der technischen Entwicklung zu einer erhöhten Produktivität beitragen. Zu diesem Zweck wurden auch die Kompetenzen von der zentralen auf die mittlere Ebene verlagert, indem die VVB gestärkt wurden. Sie wurden auf diese Weise zu relativ selbstständigen Führungsorganen, die die kaufmännische und technische Entwicklung der ihnen unterstellten VEB voll zu verantworten hatten.

Zu Beginn der 1970er Jahre manifestierte sich ein abermaliger wirtschaftlicher Kurswechsel in einer verstärkten Konzentration und Rezentralisierung der Wirtschaftsorganisation. So wurde nunmehr der Prozess der Kombinatsbildung, der Mitte der 1960er Jahre eingesetzt hatte, nachdrücklich forciert. Dabei wurden die VEB einer Branche in großer Zahl in trustartigen Kombinaten zusammengefasst, die unter einheitlicher Leitung den vollständigen Fertigungsprozess von Erzeugnissen eines Produktionszweiges betrieben. Die Kombinatsleitung wurde einem als Stammbetrieb bezeichneten VEB zugewiesen, der in der Regel der bedeutendste Betrieb innerhalb des Kombinats war und der auf diese Weise über die landesweit angeschlossenen Betriebe verfügte. Der Direktor des Stammbetriebs war in der Regel zugleich auch Generaldirektor des Kombinats. Auf Grund der überragenden Bedeutung der Elektroindustrie und des Maschinenbaus für Berlin hatten viele namhafte Kombinate dieser Branchen Sitz und Leitung in der Stadt.

Durch die verstärkte Bildung der Kombinate, die mit der Auflösung fast aller VVB als Mittelinstanzen einherging, erhoffte sich die Staatsführung eine erhöhte und qualitätsvollere Produktion, die den Anforderungen an einen intensiveren Außenhandel, v. a. in das Gebiet des "Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe" (RGW/Comecon), sowie den Bedürfnisse der Bevölkerung nach verbesserten Wohn- und Konsumverhältnissen genügte. Die Schwerfälligkeit der sozialistischen Planwirtschaft, die eingeschränkte Beweglichkeit der übergroßen Betriebsformen sowie ein nachhaltiger Mangel an Devisen verhinderten allerdings die erhofften Effekte.

Die sich anbahnende Vereinigung beider deutscher Staaten machte es 1990 erforderlich, für einen geregelten Übergang der verstaatlichten Betriebe Berlins (Ost) und der DDR in die marktwirtschaftlichen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland zu sorgen. Aus diesem Grund wurde im März des Jahres von der Regierung der DDR eine "Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums" mit Sitz in Berlin gegründet. Diese Treuhandanstalt nahm am 15. März 1990 ihre Arbeit auf; ihr wurden sämtliche volkseigenen Betriebe und Kombinate, die zunehmend aufgelöst wurden, zur treuhänderischen Verwaltung unterstellt. Ziel ihrer Tätigkeit war jedoch deren Privatisierung, durch die die Treuhandanstalt dazu beitrug, das sowohl in Deutschland allgemein als auch speziell in Berlin getrennte Wirtschaftssystem nach über vierzig Jahren wieder zusammenzufügen.

Verweise:


C Rep. 100-05 Magistrat von Berlin, Büro des Magistrats
C Rep. 105 Magistrat von Berlin, Abteilung Finanzen
C Rep. 106 Magistrat von Berlin, Abteilung Wirtschaft
C Rep. 106-02 Magistrat von Berlin, Wirtschaftsrat des Bezirkes
C Rep. 800 Deutsche Treuhandverwaltung des sequestrierten und beschlagnahmten Vermögens im sowjetisch besetzten Sektor der Stadt Berlin (DTV)
Literatur:


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Haase, Herwig A.: Das Wirtschaftssystem der DDR. Eine Einführung, Berlin 1990.
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