Justizbehörden

Identifier
B 5
Language of Description
German
Source
EHRI Partner

Scope and Content

Vorwort

Zu den vorrangigen Aufgaben des staatlichen Neuaufbaus nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zählte die Wiedererrichtung der Rechtspflege. Noch im Mai 1945 erhielt die Berliner Stadtverwaltung vom sowjetischen Stadtkommandanten den Befehl zur Errichtung von Stadtpolizei, Gericht und Staatsanwaltschaft. Zum 1. Juni 1945 wurden in erster Instanz 21 Bezirksgerichte und in zweiter Instanz ein für ganz Berlin zuständiges Stadtgericht gebildet. Grundlage der Rechtsprechung war die Gesetzgebung bis Januar 1933. Die im Juli 1945 einziehenden West-Alliierten beließen es jedoch in ihren Sektoren nicht bei dieser Ordnung, sondern griffen auf die Gerichtsverfassung von vor 1933 mit dem dreistufigen Gerichtsaufbau zurück.

Demnach gab es 14 Amtsgerichte, das Landgericht mit Zivilkammern, die in Zehlendorf, und Strafkammern, die in Moabit untergebracht waren, sowie als oberste Instanz das Kammergericht in der Funktion des Oberlandesgerichts mit Sitz im sowjetischen Sektor. Die Gerichte unterlagen nicht nur allgemein der Aufsicht der Alliierten Kommandantur, sondern auch der Befehlsgewalt der jeweils örtlich zuständigen Besatzungsmacht.

Als oberster Leiter der staatsanwaltlichen Behörden von Groß-Berlin fungierte der Generalstaatsanwalt beim Kammergericht. Auch er unterstand - genau wie der Kammergerichtspräsident - unmittelbar der Alliierten Kommandantur, in haushaltsrechtlicher Beziehung jedoch dem Magistrat von Groß-Berlin.

Die besonderen Anforderungen der Nachkriegszeit erforderten die Schaffung besonderer Gerichtsformen: So wurden bei einigen Amtsgerichten im Frühjahr 1946 Schnellgerichte zur Aburteilung von Schwarzhändlern gebildet und Jugendgerichte und Jugendstaatsanwaltschaften eingerichtet.

Beim Magistrat von Groß-Berlin wurde im Oktober 1945 ein Rechtsamt geschaffen, das als zentrale Justizverwaltungsstelle Personalprüfungen und Zulassungen bei Richtern, Rechtsanwälten und Notaren vornehmen, die gültige Gesetzeslage feststellen und die Rechtsanwendung mit den Alliierten abstimmen sollte. Letztlich aber legte die Alliierte Kommandantur die Vorschriften für die Arbeit der Justiz fest und ernannte Richter und Staatsanwälte.

Die gegensätzlichen Gesellschafts- und Rechtsauffassungen der Alliierten verhinderten den einheitlichen Neuaufbau der Berliner Justiz, so dass beispielsweise im amerikanischen und im britischen Besatzungssektor schon 1945 Verwaltungsgerichte errichtet wurden, wohingegen dies im französischen und im sowjetischen Sektor auch nach dem Kontrollratsgesetz und der Genehmigung der Alliierten Kommandantur von 1946 nicht erfolgte.

Der Aufbau einer einheitlichen Justiz, immer wieder belastet durch juristische und verwaltungstechnische Meinungsverschiedenheiten, scheiterte im Gefolge des Ausscheidens der sowjetischen Seite aus der Alliierten Kommandantur, der Währungsreform, der Suspendierung des Vizepräsidenten des Landgerichts, Dr. Blasse, und der Spaltung des Magistrats Ende 1948 endgültig. Aufgrund von Auseinandersetzungen mit der sowjetischen Militärkommandantur verlegte der Kammergerichtspräsident Dr. Georg Strucksberg den Sitz der Behörde mit Duldung der West-Alliierten von Berlin-Mitte nach Berlin-Wilmersdorf. Da gleichzeitig das Kammergericht im sowjetischen Sektor bestehen blieb und auch das Landgericht dort einziehen sollte, dessen Mitarbeiter aber die Verlegung aus Berlin-Zehlendorf verweigerten, war die Teilung der Berliner Justiz vollzogen.

In den Westsektoren blieb die Gerichtsverfassung bestehen. Das Landgericht nahm seine Arbeit zunächst in einigen Villen in Zehlendorf auf, ehe es Ende 1950 in das Landgerichtsgebäude am Tegeler Weg einziehen konnte. Die Senate des Kammergerichts zogen im Februar 1949 fast alle in den Westteil der Stadt.

Im Mai 1949 übertrugen die Alliierten mit dem so genannten "Kleinen Besatzungsstatut" die Justizhoheit in den drei westlichen Sektoren auf den Magistrat von Berlin (West) und verzichteten auf die bisher ausgeübte Hoheit über das Kammergericht und die Generalstaatsanwaltschaft.

Die am 1. Oktober 1950 in Kraft getretene Verfassung des Landes Berlin beschrieb die Rechtspflege in Abschnitt VII. Hier wurde u. a. die Unabhängigkeit der Gerichte festgeschrieben und ein Gnadenrecht des Senats (nach Anhörung des Gnadenausschusses des Abgeordnetenhauses), die Einsetzung von Berufsrichtern durch den Senat, die Wahl der Präsidenten des Kammergerichts und des Landgerichts sowie der Generalstaatsanwälte durch das Abgeordnetenhaus und die Bildung eines Disziplinargerichts, eines Verwaltungsgerichts und eines Verfassungsgerichtshofs vorgesehen. Die Aufgaben des Rechtsamtes übernahm nach der Verfassung des Landes Berlin der Senator für Justiz. Ihm wurden außer der klassischen Straf- und Zivilgerichtsbarkeit bis Anfang der 1970er Jahre alle Bereiche der Besonderen Gerichtsbarkeit - bis auf die Arbeitsgerichte - unterstellt.

Berlin war - auch durch die Einrichtung von Dienstsitzen des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs, des Generalbundesanwalts, des Bundesverwaltungsgerichts (und des Bundesdisziplinarhofes) - durch ein eigenes Gesetzgebungsverfahren eng mit dem Justizsystem der Bundesrepublik verbunden. Aufbau, Zuständigkeit und Verfahren der Berliner Justiz orientierten sich an dem bundeseinheitlichen Gerichtsverfassungsgesetz sowie den Prozessordnungen. Die Gerichte des Bundes - mit Ausnahme des Bundesverfassungsgerichtes - waren auch für Berlin zuständig; Urteile bundesdeutscher Gerichte waren in Berlin vollstreckbar und umgekehrt.

Die unterste Instanz der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit in Berlin bildeten die Amtsgerichte. Einzelne Amtsgerichte betreuten schwerpunktmäßig folgende Aufgaben: Das Amtsgericht Charlottenburg führte das Handelsregister und das Vereinsregister, das Amtsgericht Schöneberg verwahrte Notarsurkunden und führte die Testamentskartei, das Amtsgericht Tiergarten verfolgte Straftaten.

Zum Landgericht gehörten mehrere Zivilkammern, Kammern für Handelssachen, Kammern für Baulandsachen sowie Strafkammern, eine Staatsschutzkammer, die Jugendschutzkammer, die Wirtschaftsstrafkammer und mehrere Strafvollstreckungskammern.

Das Kammergericht bildete die höchste Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Berlin; es hatte die Funktion eines Oberlandesgerichtes.

Für den Bereich der Besonderen Gerichtsbarkeit wurde am 1. März 1952 ein Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht eingerichtet. Die Finanzgerichtsbarkeit wurde 1965 mit der Finanzgerichtsordnung selbstständig.

Höchste Anklagebehörde im Land Berlin war die Generalstaatsanwaltschaft beim Kammergericht. Die zwischenzeitlich dezentral aufgeteilte Staatsanwaltschaft beim Landgericht wurde im Juli 1950 wieder zusammengefasst. Zugleich wurde auf der untersten Ebene die Amtsanwaltschaft eingerichtet, die ihren Sitz im Kriminalgericht Moabit hatte.

Neben der Strafverfolgung gehörte zu den staatsanwaltschaftlichen Aufgaben auch die Beaufsichtigung der Strafvollstreckung.

Die vorhandenen Berliner Gefängnisse wurden nach Kriegsende schon bald wieder mit Gefangenen belegt. Die meisten dieser Standorte lagen in den westlichen Sektoren, mit Ausnahme des Frauengefängnisses Barnimstraße, für das im ehemaligen Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis in der Lehrter Straße Ersatz geschaffen wurde. Die Aufsicht über die Strafvollzugsanstalten oblag dem Strafvollzugsamt und später der Senatsverwaltung für Justiz. Der Justizvollzug, wie der Bereich seit Mitte der siebziger Jahre heißt, regelte sich auf der Grundlage des Strafvollzugsgesetzes, der Strafprozessordnung sowie des Jugendgerichtsgesetzes.

Verweise:

LAB B Rep. 005 Senatsverwaltung für Justiz
LAB C Rep. 108 Magistrat von Berlin, Abteilung Justiz

Literatur:

Reuß, Ernst: Berliner Justizgeschichte. Eine rechtstaatsächliche Untersuchung zum strafrechtlichen Justizalltag in Berlin von 1945-1952, dargestellt anhand der Strafgerichtsbarkeit des Amtsgerichts Berlin-Mitte, Berlin 2000 (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts, Bd. 17).
Scholz, Friedrich: Berlin und seine Justiz. Die Geschichte des Kammergerichtsbezirks 1945-1980, Berlin 1982.

This description is derived directly from structured data provided to EHRI by a partner institution. This collection holding institution considers this description as an accurate reflection of the archival holdings to which it refers at the moment of data transfer.