Finanzamt Moabit-West

Identifier
A Rep. 093-03
Language of Description
German
Source
EHRI Partner

Scope and Content

Vorwort

A Rep. 093-03 Finanzamt Moabit-West

1. Behördengeschichte
Mit Erlass des Gesetzes über den "Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit" vom 14. Juli 1933 konnten Vermögen von Reichsangehörigen, die sich im Ausland aufhielten, bei der Einleitung eines Aberkennungsverfahrens beschlagnahmt und nach der Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit als dem Reich verfallen erklärt werden. Vermögensbeschlagnahme und Verfallserklärung wurden im Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger veröffentlicht. Mit der Durchführung der Beschlagnahmen wurde das Finanzamt Moabit-West - Ausbürgerungsdienststelle - beauftragt. [1] Es war bereits für das gesamte Reichsgebiet als Vermittlungsstelle für die einheitliche Besteuerung der Ausländer tätig und führte auch die sog. Ausländerkartei. [2]
Um zwei getrennte Bekanntmachungen über dieselbe Person zu vermeiden, erfolgte die Veröffentlichung der Vermögensbeschlagnahme regelmäßig zugleich mit der Veröffentlichung der Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit. Nach der Veröffentlichung wurde die Vermögensverwaltung von den zuständigen Finanzämtern übernommen.
Zwischen der Einleitung des Ausbürgerungsverfahrens und der Veröffentlichung der Ausbürgerung hätte jedoch für den Auszubürgernden die Möglichkeit bestanden, sein Vermögen ganz oder zum Teil der späteren Beschlagnahme zu entziehen. Deswegen wurde das Vermögen der Auszubürgernden bereits bei Einleitung des Ausbürgerungsverfahrens von der Geheimen Staatspolizei auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 [3] vorläufig sichergestellt. Die Ermittlung der einzelnen Vermögensbestandteilen erfolgte durch die Staatspolizeistellen in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Finanzämtern. [4]
Das Verwaltungshandeln im Finanzamt Moabit-West setzte ein, nachdem ihm die Geheime Staatspolizei von ihrem Antrag auf Ausbürgerung einer Person im Ausland unter gleichzeitiger Angabe der vorläufig festgestellten Vermögensteile Kenntnis gab. Das Finanzamt Moabit-West hatte daraufhin durch Ersuchen bei dem für den letzten Wohnsitz zuständigen Finanzamt das Vermögen des Auszubürgernden genau festzustellen und gegebenenfalls weitere Sicherstellungen bei der Gestapo anzuregen.
Nach erfolgter Ausbürgerung mit Beschlagnahme hatte das Finanzamt Moabit-West die Verwaltung der Vermögenswerte zu übernehmen: Sämtliche Personen, die Vermögen des Ausgebürgerten in Besitz hatten, waren über die Beschlagnahme und die damit ausgesprochene Verfügungsbeschränkung zu benachrichtigen, aller Schuldner waren ebenfalls in Kenntnis zu setzen, der Grundbesitz war grundbuchamtlich sicherzustellen und ggf. Vermögensverwalter zu bestimmen. Nach genauer Vermögensaufstellung war dann von der Ausbürgerungsdienststelle die Verfallerklärung zu beantragen; war diese bekanntgemacht, wurde das Vermögen zu Gunsten des Deutschen Reiches eingezogen: Bankguthaben, wurden eingezogen, ebenso Rückkaufwerte von Versicherungen. Hypotheken wurden gekündigt und verwertet. Bewegliche Gegenstände wurden versteigert oder aufgrund von Taxen verkauft. Der Grundbesitz wurde veräußert. Wertpapiere wurden an die Reichshauptkasse zur Verwertung abgegeben, vorhanden Beteiligungen an Gesellschaften wurden verwertet, dem Deutschen Reich angefallene Betriebe von Ausgebürgerten wurden veräußert. [5]
Erfolgte die Ausbürgerung ohne -beschlagnahme und wurden später Vermögensteile festgestellt, war durch die Ausbürgerungsdienststelle nachträglich die Beschlagnahme und Verfallerklärung herbeizuführen.
Die beantragten Ausbürgerungen wurden in einer Zugangsliste erfasst und nach der Ausbürgerung in eine Ausbürgerungsliste übertragen. Daneben wurde eine Namenskartei geführt. Das Vermögen des Ausgebürgerten wurde in den sog. Ausbürgerungsakten durch eine nach Vermögensarten spezialisierte Vermögensaufstellung festgehalten und ab Ende 1938 in besondere Bestandslisten für Barguthaben, Grundstückswerte, Hypothekenforderungen und sonstige Forderungen sowie Wertpapiere übertragen. [6]
Am 04. November 1941 gab der Reichsminister der Finanzen (RdF) für die "Abschiebung von Juden" in einem geheimen Erlass genaue Anweisungen: Danach wurde das Vermögen von Juden, die nicht in einem volkswirtschaftlich wichtigen Betrieb arbeiteten und in den nächsten Monaten "abgeschoben" würden, zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen. Die "Abschiebung" selbst werde von der Gestapo durchgeführt; die Reichsfinanzverwaltung hingegen habe die eingezogenen Vermögenswerte zu verwalten und zu verwerten. [7]
Das Verwaltungshandeln gestaltete sich gemäß dieser "Arbeitsteilung": Die von den Juden an die Staatspolizeileitstelle - einer nachgeordneten Behörde des Reichssicherheitshauptamtes in Berlin - zu übergebenden Vermögensverzeichnisse und die von der Gestapo erwirkten Einziehungsverfügung erhielt das Finanzamt Moabit-West in der Regel gemeinsam mit der jeweiligen Transportliste und übernahm damit die gesamte Verfügungsmasse. Für das bewegliche Vermögen war vor einer anderweitigen Verwertung zu prüfen, welche Gegenstände zur Ausstattung von Einrichtungen des NS-Staates genutzt werden konnten. Zur Behandlung und Verwertung von Kunstgegenständen, Gegenständen aus Edelmetall, Forderungen des unbeweglichen Vermögens und zur Schuldenregelung wurde die Errichtung einer Sonderdienststelle angewiesen. Diese Dienststelle wurde als Vermögensverwertungsstelle bei dem Oberfinanzpräsidenten Berlin eingerichtet.
Diesen Erlass ergänzte der RdF wegen der 11. VO zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 [8] durch einen Schnellbrief vom 09. Dezember 1941: [9] Danach verfiel in bestimmten Fällen das Vermögen jüdischer Bürger mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit dem Deutschen Reich. Die Verwaltung und Verwertung dieses Vermögens oblag dem Oberfinanzpräsidenten Berlin, der jedoch angewiesen wurde, die örtlichen Oberfinanzpräsidenten allgemein zur Verwaltung und Verwertung des in ihrem Bezirk anfallenden jüdischen Vermögens zu ermächtigen. Diese Zuständigkeitsregelung wurde mehrfach geändert und schließlich dahingehend geregelt, dass die Oberfinanzpräsidenten die Zuständigkeit entsprechend dem Wohnsitzprinzip erhielten.
Ab 1942 bestand die Vermögensverwertungsstelle beim Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg, denn mit Wirkung vom 16. Februar 1942 waren neben anderen auch die Oberfinanzpräsidien Berlin und Brandenburg zum Oberfinanzpräsidium Berlin-Brandenburg zusammengelegt worden, das unter diesem Namen bis Mai 1945 bestand. Die Überlieferung dieser Behörde, einschließlich der Akten der Vermögensverwertungsstelle, befindet sich im Brandenburgischen Landeshauptarchiv und im Bundesarchiv Berlin.

2. Bestandsgeschichte
Der vom früheren Finanzamt Berlin-West nach dem Krieg zunächst in das Hauptfinanzamt für Erbschaftsteuer und Verkehrsteuern von Berlin übernommene Aktenbestand ist unvollständig, weil ein Teil der Akten durch Kriegseinwirkung vernichtet worden ist. [10]
Die Überlieferung gelangte 1989 im Rahmen einer umfangreichen Aktenabgabe der Oberfinanzverwaltung Berlin in das Landesarchiv Berlin und wurde vorläufig der Repositur Rep. 92 zugeordnet.
Das Finanzamt Moabit-West erhielt im Rahmen der neuen Tektonik des Landesarchivs die Repositur A Rep. 093-03.
Der Bestand umfasst sowohl Generalia (Gliederungspunkt 1. Amtsleitung) als auch Spezialia (Gliederungspunkt 2. Akten A - Z). Die Spezialakten sind formal gleichförmig, nicht sehr umfangreich und enthalten in der Regel einen Bericht und den Schriftwechsel zur Ermittlung der Vermögenswerte der jeweiligen Personen und ihrer Familien.
Die jetzt erfolgte Erschließung umfasste die genaue Ermittlung von Angaben zu
- Aktenzeichen
- Familienname, Vorname und Geburtsdatum des Betroffenen und die Namen von Familienmitgliedern,
- bei Berliner Bürgern die Wohnanschrift und die
- Laufzeit der Akte.
Die Erfassung dieser Angaben in einer Datenbank mit AUGIAS-Archiv ermöglicht neben den Recherchemöglichkeiten nach diesen Angaben auch den hier vorliegenden Ausdruck in Findbuchform.
Bitte beachten Sie die gefertigten Indizes, deren Indexnummern sie zur gewünschten Akte im Findbuch führt.
Bei Aktenbestellungen geben Sie bitte die laufende Nummer als Bestellsignatur an.
Möglicherweise können Fristen des Personendatenschutzes einer Einsichtnahme entgegenstehen.

3. Korrespondierende Bestände
Landesarchiv Berlin, A Rep. 092 Landesfinanzamt/ Oberfinanzpräsident Berlin
Brandenburgisches Landesarchiv, Pr. Br. Rep. 36 A, Der Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg
Bundesarchiv Berlin, R 2107 Landesfinanzamt/ Oberfinanzpräsident Berlin, Außenstelle für feindliche Vermögen

4. Literaturhinweise
Martin Friedenberger: Das Berliner Finanzamt Moabit-West und die Enteignung der Emigranten des Dritten Reichs 1933-1942. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 49. Jahrgang 2001, Heft 8.
Amtsblatt der Reichsfinanzverwaltung. Jge. 1 /(1919) - 27 (1945)
Finanz-Ministerial-Blatt (seit 1941: Preußisches Finanz-Ministerialblatt und Besoldungsblatt). Jge. 1917 - 1944
Die Reichsfinanzverwaltung. Berlin 1037 (8. Aufl. Berlin 1944)

Berlin, im Juli 2002 Dr. Heike Schroll


____________________
1 RGBl. 1933 I, S. 480, In den folgenden Jahren wurde die Gesetzgebung zum Verlust der Staatsbürgerschaft bzw. des Vermögenseinzug ständig ausgebaut.
2 Bekanntmachung des RdF vom 30. August 1933. In: RStBl. 1933, S. 817
3 RGBl. 1933, I S. 83
4 Schreiben des Reichsführers SS und Chef der Deutschen Polizei an den Reichsminister der Finanzen vom 28.12.1938. In: A Rep. 093-03, Nr. 54564
5 Vgl. Bericht des Finanzamtes Moabit-West an den Oberfinanzpräsidenten Berlin vom 13. September 1940. In: A Rep. 093-03, Nr. 54589
6 Bericht des Vorstehers des Finanzamtes Moabit-West zum Personalbedarf der Ausbürgerungsdienststelle an den Oberfinanzpräsidenten Berlin vom 15. Dezember 1938. In: A Rep. 093-03, Nr. 54564
7 Vgl. Horst Bathe: Zur Geschichte der Berliner Finanzämter 1919-1994. Finanzgeschichtliche Sammlung der Bundesfinanzakademie, Brühl 1996, S. 44
8 RGBl. 1941 I, S. 722
9 Bathe, a.a.O., S. 45
10 Hinweis z. B. in: BLHA PR.Br. Rep. 36 A, Nr. 3292

This description is derived directly from structured data provided to EHRI by a partner institution. This collection holding institution considers this description as an accurate reflection of the archival holdings to which it refers at the moment of data transfer.