Preußische und Reichsbehörden mit regionaler Zuständigkeit

Identifier
A 4
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German
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Vorwort

  1. Preußische und Reichsbehörden mit regionaler Zuständigkeit

    Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren in Preußen mit dem Oktoberedikt von 1807 und der Städteordnung von 1808 Verwaltungsreformen eingeleitet worden. Die Erbuntertänigkeit der Bauern wurde abgeschafft und die Städte erhielten Eigenständigkeit. Gemeindliche und staatliche Aufgaben wurden klar voneinander getrennt, ebenso Justiz und Verwaltung.

    Nach den Befreiungskriegen und den Vereinbarungen des Wiener Kongresses 1814/15 folgend, wurden im Rahmen einer Gebietsreform 1815 zehn preußische Provinzen gebildet. Berlin gehörte zur Provinz Brandenburg. An der Spitze der Provinz stand der Oberpräsident, der als Kommissar der Staatsregierung für die Sicherheit der Provinz nach außen und für die Einheitlichkeit der Provinz nach innen verantwortlich war.

    Verwaltungsbehörden auf der mittleren Ebene blieben die Regierungen. Als Universalbehörden leiteten sie sämtliche Lokal- und Spezialbehörden ihres Gebietes auf Grundlage ministerieller Weisungen an. Die Regierung Berlin bestand von 1816 bis 1821. Nach ihrer Auflösung gingen die Militär- und Bauangelegenheiten an zwei Ministerialkommissionen über, an deren Spitze ein gemeinsamer Präsident stand. Diese Kommissionen wuchsen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer einheitlichen Behörde - der Ministerial-, Militär- und Baukommission - zusammen, die für die Stadt Berlin gemeinsam mit dem Polizeipräsidenten Funktionen einer Regierung ausübte.

    Auf der unteren Ebene entstanden 1815 Landratsämter, die erstmals die Bewohner eines Territoriums - unabhängig von ihrem Wohnsitz in der Stadt oder auf dem Land - unter eine einheitliche Verwaltung stellten.

    Diese territoriale Gliederung und die dreistufige Verwaltung bestanden im Wesentlichen bis zum Zweiten Weltkrieg fort.

    1850 wurde mit der neuen "Gemeindeordnung für die Stadt- und Landgemeinden Preußens" die Städteordnung von 1808 modifiziert; Änderungen im Bürgerrecht und im Wahlrecht erforderten eine revidierte Fassung vom 30. Mai 1853.

    Mit der "Kreisordnung für die sechs östlichen Provinzen" von 1874 wurde neben der staatlichen Verwaltung durch einen Landrat eine Selbstverwaltung des Kreises geschaffen - der Kreisausschuss. Ihm oblagen allgemeine Verwaltungsangelegenheiten und die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz. Städte mit mehr als 25.000 Einwohnern konnten aus dem Landkreis ausscheiden und eigene Stadtkreise bilden.

    1875 wurde eine neue "Provinzialordnung" verabschiedet. Als Selbstverwaltungsorgan wurde der Provinzialverband geschaffen, der die Kreise vertrat. Seine Zuständigkeit beschränkte sich auf Aufgaben des Verkehrswesens, des Sozial- und Gesundheitswesens, der Kultur und der Landwirtschaft. Der Provinziallandtag wirkte als Legislative, der Landeshauptmann als Exekutive. Die besondere Stellung Berlins als Hauptstadt Preußens und des Reiches sowie seine besonderen Bedingungen erlaubten mit der Provinzialordnung die Herauslösung Berlins aus dem Brandenburgischen Provinzialverband. Berlin unterstand jedoch weiterhin dem Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg. 1876 wurden einige Aufgaben an den Magistrat übergeben, so die Verwaltung und der Unterhalt aller öffentlichen Straßen, Plätze und Brücken sowie das öffentliche Beleuchtungswesen.

    Zum 1. April 1881 schied Berlin aus der Provinz Brandenburg aus und bildete einen eigenen Stadtkreis. Der Regierungspräsident in Potsdam verlor seine Befugnisse; der Oberpräsident der Provinz Brandenburg blieb oberste Instanz in der Kommunalaufsicht. Daneben übte der Polizeipräsident weiterhin die ihm seit 1822 eingeräumten Regierungsfunktionen aus. Die staatliche Instanz des Bezirksausschusses, als dessen Präsident hier der Präsident der Ministerial-, Militär- und Baukommission wirkte, blieb zuständig für Gewerbeangelegenheiten und Disziplinarmaßnahmen.

    1911 verabschiedete der Preußische Landtag ein Gesetz zur Bildung des Zweckverbandes Berlin, das ab 1912 Berlin mit einigen Umlandgemeinden vereinigte und die Bildung einer Einheitsgemeinde einleitete. 1920 ist dieser Prozess mit der Bildung der Stadtgemeinde Groß-Berlin abgeschlossen worden.

    Mit der preußischen Verfassung von 1920 wurde die Struktur des preußischen Verwaltungssystems auf der Provinzial- und Lokalebene kaum berührt. Doch sind einige Kompetenzen Preußens mit den Verwaltungsreformen der Weimarer Republik aufgehoben worden.

    Das Reich erhielt einen umfangreichen Verwaltungsapparat in den Mittel- und Lokalinstanzen. Besonders betroffen war das System der Finanzverwaltung; für die Provinz Brandenburg und für Berlin wurden zwei Landesfinanzämter mit nachgeordneten Finanz- und Steuerbehörden geschaffen. Die Eisenbahnverwaltung ging 1920 auf das Reich über, auch die Eisenbahndirektion Berlin. Das Reichsarbeitsministerium erhielt im selben Jahr einen eigenen Unterbau mit den Hauptversorgungs- und Versorgungsämtern. 1922 übernahm das Reich schließlich die gesamten Wasserstraßen.

    Trotz der Bildung dieser reichseigenen Behörden, von denen einige ausschließlich oder vorrangig für die Hauptstadt Berlin zuständig waren, war bis zum Ende der Weimarer Republik der Oberpräsident der Provinz Brandenburg in wesentlichen Fragen der inneren Verwaltung und nach Weisung des preußischen Staatsministeriums auch in politischen Fragen entscheidend.

    1933 wurde das Amt des Gauleiters der NSDAP der Kurmark mit dem des Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg und von Berlin verbunden. In Berlin wurde ein "Staatskommissar zur besonderen Verwendung" eingesetzt, dem ab 1934 die bisher dem Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg zustehende Kommunalaufsicht über Berlin übertragen wurde. Seit 1936 der Berliner Staatskommissar als "Stadtpräsident" auch für das höhere Schulwesen zuständig wurde, behielt der Oberpräsident nur noch für wenige Verwaltungszweige in Berlin die Oberaufsicht.

    1934 waren mit dem "Gesetz über den Neuaufbau des Reiches" die Hoheitsrechte der Landesregierungen aufgehoben worden. In der Folge wurden die preußischen Ministerien mit den Reichsministerien verbunden und die Oberpräsidenten zu Vertretern der Reichsregierungen in den Provinzen bestimmt.

    Unter Einschluss der Lokalbehörden gingen 1935 das Justizwesen, 1936 die Geheime Staatspolizei und die Ordnungspolizei sowie die öffentlichen Kammern auf das Reich über.

    Am 1. Januar 1937 erhielt Berlin eine neue Verfassung, nach der die Stadt zum "Stadtkreis mit den Aufgaben eines Provinzialverbandes" wurde. An die Spitze der Gemeindeverwaltung trat ein "Oberbürgermeister und Stadtpräsident", der zugleich die kommunale und staatliche Verwaltung leitete. Außerdem nahm er die Aufgaben des Regierungs- und Oberpräsidenten wahr. Lediglich die Aufgaben des Polizeipräsidenten, die Gewerbeaufsicht und Preisüberwachung sowie die Bau- und Finanzdirektion blieben selbständig.

    1944 wurde mit der "Verordnung über die Verfassung und Verwaltung der Reichshauptstadt Berlin" ein Regierungspräsident eingesetzt, der auch die Funktion des Polizeipräsidenten innehatte und zugleich Stadtpräsident und Oberpräsident war.

    Nach der Zerschlagung des Deutschen Reichs haben die Alliierten mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 47 den Staat Preußen am 25. Februar 1947 aufgelöst.

    Die Überlieferung von preußischen Behörden und Reichsbehörden mit Zuständigkeit für Berlin wird im Landesarchiv Berlin verwahrt. Bereits durch Erlass vom 4. August 1936 war geregelt worden, dass das Schriftgut der mittleren und unteren Reichsbehörden an die zuständigen Landes- und Provinzialarchive abzugeben sei, die diese im Auftrag des Reiches verwalteten. Nachdem im Westteil Berlins das Landesarchiv als Staatsarchiv begründet war, wurde im Frühjahr 1953 zwischen dem Berliner Senat und dem Bundesarchiv vereinbart, dass entsprechende Bestände des ehemaligen Brandenburgischen Provinzialarchivs vom Hauptarchiv Berlin (dem heutigen Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz) an das Landesarchiv zu übergeben seien. Die übernommenen Bestände bekamen die Bezeichnung "Pr.Br.Rep." (Preußisch-Brandenburgische Reposituren), die bis heute gültig ist.

    Auch das im Ostteil gelegene Stadtarchiv Berlin hat als Staatsarchiv für die Hauptstadt der DDR entsprechende Bestände erhalten. Diese Überlieferungen entstammen oftmals Rückgaben der Sowjetunion in den 50er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts an die DDR.

    Verweise:

    BA Zentrale Reichsbehörden
    GSTA Zentrale Preußische Behörden
    BLHA Brandenburgische Provinzialbehörden

    Literatur:

    Administrativ-statistischer Atlas vom Preußischen Staate. Berlin 1927/28, Neudruck Berlin 1990.
    Gesetz-Sammlung für die königlich-preußischen Staaten, Berlin 1806 ff. (ab 1907 ff. Preußische Gesetz-Sammlung).
    Handbuch der preußischen Geschichte, hrsg. von Otto Büsch und Wolfgang Neubauer, Berlin 1992 ff.
    Handbuch über den Königlich Preußischen Hof und Staat, Berlin 1795 ff.
    Handwörterbuch der preußischen Verwaltung. Bearb. und hrsg. von Rudolf von Bitter, 2 Bde., 3. überarb. Aufl., Leipzig 1928.
    Hue de Grais, Robert Graf: Handbuch der Verfassung und Verwaltung in Preußen und dem Deutschen Reiche, 24. Aufl., Berlin 1927.
    Jahrbücher für die preußische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung. Im Auftrag des Kgl. Justiz-Ministeriums hrsg. von Karl Albert von Kamptz, Bd. 1 (1814) ff.
    Königlich-Preußischer Staats-Kalender, Berlin 1854 ff.
    Schlenke, Manfred: Preußen-Ploetz. Preußische Geschichte zum Nachschlagen, Freiburg/ Würzburg 1987.
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