OKW / Sonderbeauftragter für Überprüfung des zweckmäßigen Kriegseinsatzes (OKW/Stab z.b.V.)
Extent and Medium
Schriftgut
81 Aufbewahrungseinheiten
3,5 laufende Meter
Creator(s)
- Sonderbeauftragter für Überprüfung des zweckmäßigen Kriegseinsatz (OKW Stab z.b.V.), 1942-1944
Biographical History
Geschichte des Bestandsbildners
Angesichts der hohen Verluste an der Ostfront und des immer schwieriger werdenden Personalersatzes für die kämpfende Truppe, insbesondere nach dem Scheitern der deutschen Offensive vor Moskau im Winter 1941/42 und der Notwendigkeit für die geplante Sommeroffensive 1942, neue Divisionen aufzustellen, verschärfte sich der Druck auf die Wehrmacht, durch eine Auskämmung der rückwärtigen Wehrmachtdienststellen die an der Front entstandenen Lücken aufzufüllen. Hinzu kam das generelle Bestreben Hitlers und der nationalsozialistischen Führung, Etappenerscheinungen, die nach ihrer Überzeugung entscheidend zur deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg beigetragen hatten, um jeden Preis zu verhindern.
Auf Initiative des Chefs des Oberkommandos der Wehrmacht, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, ernannte Hitler am 4. Mai 1942 den General der Infanterie Walter von Unruh zum Kommandeur eines OKW-Stabes z.b.V. und zu seinem Sonderbeauftragten in den Reichskommissariaten Ostland und Ukraine. Damit hatte Keitel, dem es vor allem darum ging, die Autonomie der Wehrmachtteile bei der Personalbewirtschaftung zugunsten des OKW einzuschränken, erreicht, dass von Unruh als unmittelbarer Beauftragter des Obersten Befehlshabers der Wehrmacht dem Einfluss der Oberbefehlshaber der Wehrmachtteile entzogen war, von Unruh ihm aber gleichzeitig als Kommandeur eines OKW-Stabes unterstellt blieb. Der Stab bestand neben General von Unruh mit einem Adjutanten und einem Ordonnanzoffizier aus Vertretern von NSDAP und SS, zwei Schreibern und fünf Fahrern.
Von Unruh, ein hochdekorierter Offizier des Ersten Weltkriegs, war 1927 im Range eines Generalmajors zunächst aus dem aktiven Dienst ausgeschieden. Nach seiner Reaktivierung 1938 und Ernennung zum Generalleutnant war er als Kommandant des rückwärtigen Armeegebiets 559 der 4. Armee im Bereich der Heeresgruppe Mitte eingesetzt. Seine Tätigkeit als Auskämmkommissar, die ihm den Beinamen "General Heldenklau" einbrachte, begann er im Mai 1942 in Riga. Nachdem er bis Anfang Juli 1942 die Auskämmaktion in den beiden Reichskommissariaten erfolgreich abgeschlossen hatte, erteilte ihm Hitler am 11. Juli den Auftrag zu einer Fortsetzung seiner Tätigkeit im Generalgouvernement. Gleichzeitig wurde er zum General der Infanterie befördert.
Als im Herbst 1942 die deutschen Truppen zunehmend in die strategische Defensive gedrängt wurden und die Zahl der Fehlstellen beim Ostheer dramatisch anstieg, entschied Hitler, den Wirkungskreis des Generals von Unruh, dessen Tätigkeit sich zwischenzeitlich auf die gesamten besetzten Gebiete und die Territorien der Verbündeten im Osten und Südosten ausgedehnt hatte, erheblich zu erweitern. Es sollte nun auch das Heimatkriegsgebiet in eine umfassende Überprüfung mit einbezogen werden, bei der nicht nur Einrichtungen der Wehrmacht, sondern auch Dienststellen von Verwaltung und Wirtschaft auf etwaige personelle Überbesetzungen hin untersucht werden sollten.
Die unter Federführung der Reichskanzlei ausgearbeitete Generalvollmacht für General von Unruh wurde von Hitler am 22. November 1942, dem Tag der Einschließung der 6. Armee in Stalingrad, in Kraft gesetzt. Sowohl die Oberbefehlshaber der drei Wehrmachtteile als auch die Vertreter von Bürokratie und Partei hatten sich für die von dem "Sonderbeauftragten für die Überprüfung des zweckmäßigen Kriegseinsatzes" auszuarbeitenden Maßnahmen ein direktes Einspruchsrecht bei Hitler gesichert. Die Zahl der ständigen Mitglieder des OKW-Stabs z.b.V. wuchs von 13 auf 24. Zur Jahreswende 1942/43 war er folgendermaßen zusammen gesetzt:
o General der Infanterie Walter von Unruh als Kommandeur
o Oberst Kurt Kappis als Adjutant
o Generalleutnant Hans Hoffmann als Vertreter
o Oberst Dr. Christian Krull als Vertreter des OKW/Wehrwirtschaftsamt
o Staatssekretär a.D., Vizepräsident des Rechnungshofes Fritz Mussehl für die Reichskanzlei
o Ministerialrat Carl Schnell für das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition und die OT
o SS-Standartenführer Harro With als Vertreter des Reichsführers-SS
o NSDAP-Bereichsleiter Otto Iffland für die Parteikanzlei
o Major Kurt Trommer als Vertreter des Heerespersonalamts
o Regierungspräsident a.D. Oberleutnant d.R. Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg als Vertreter des Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung (GBV)/Reichsministerium des Innern
o 14 Mann Hilfspersonal
Nachdem die Unruh-Kommission im Dezember 1942 zunächst die Heeresfeldzeugämter in der Heimat nach "schwarzen Beständen" an Waffen und Material, die der Ostfront zugeführt werden sollten, durchforstet hatte, begann Anfang Januar 1943 mit der Dienststelle des Chefs der Heeresrüstung die Überprüfung der Obersten Reichsbehörden im Raum Berlin. Mussehl und von der Schulenburg, die die Überprüfung maßgeblich durchführten, stießen bei der Mehrzahl der Reichsministerien, wie etwa dem Reichsministerium des Innern, dem Reichsjustizministerium oder dem Reichsfinanzministerium, auf hinhaltenden Widerstand oder sie mussten sich von vornherein, wie etwa beim Reichsministerium für Bewaffnung und Munition, auf Kompromisse einlassen, um überhaupt eine Überprüfung durchführen zu können. Lediglich bei den schwächsten zivilen Stellen, wie etwa dem Reichspostministerium, konnte die Kommission nennenswerte Erfolge erzielen. Insgesamt war der zahlenmäßige Ertrag der Aktion allerdings "nicht überwältigend", wie Mussehl eingestand. In der gesamten Reichsverwaltung und ihren nachgeordneten Behörden ließen sich bis Mai 1943 knapp 40.000 Personen ausfindig machen, die der Wehrmacht hätten zugeführt werden können. Schließlich wurde aber auch von diesen nur ein Teil tatsächlich eingezogen.
Da die Tätigkeit von Unruhs immer häufiger zu Klagen derjenigen geführt hatten, die unmittelbaren Zugang zu Hitler hatten, wurde die Unruh-Kommission den Weisungen des durch "Führerbefehl" vom 13. Januar 1943 errichteten "Dreimännergremiums", und hier vor allem Keitel unterstellt. Goebbels, der bei der Errichtung des "Dreimännergremiums" übergangen worden war, versuchte, die Unruh-Kommission für seine Zwecke zu instrumentalisieren und über sie Einfluss auf die Mobilisierungsmaßnahmen zu nehmen. Als von Unruh jedoch im Februar die Überprüfung des Propagandaministeriums in Angriff nahm, geriet er mit seinem Protektor aneinander. Nachdem der General daraufhin die weitere Überprüfung der Berliner Behörden seinen Verwaltungsfachleuten Mussehl und von der Schulenburg überlassen und sich selbst den Wehrmachtdienststellen in Süddeutschland gewidmet hatte, erhielt er mit "Führerbefehl" vom 10. Mai 1943 den Auftrag, die Militärverwaltungen und Feldkommandanturen in den besetzten Gebieten im Westen und Nordwesten zu überprüfen. Treibende Kraft bei dieser Entscheidung Hitlers war offensichtlich wiederum Goebbels gewesen, der sicherstellen wollte, dass die Unruh-Kommission in der Heimat vorerst nicht mehr in Erscheinung trat.
Im besetzten Frankreich führte das unüberschaubare Kompetenzwirrwarr der konkurrierenden Dienststellen zu einem weitgehenden Scheitern der Auskämmaktion. Anfang August 1943 kehrte der Stab nach Berlin zurück. Nachdem von Unruh mit Goebbels die letzte große Stütze in der Führungsriege der Nationalsozialisten verloren hatte, hatte sich eine zunehmende Lähmung des Stabes bemerkbar gemacht. Spätestens seit der Sitzung des "Dreimännergremiums" vom 20. August 1943 war allen Mitgliedern klar, dass die Unruh-Kommission ihrem Ende entgegen ging. Vom Herbst 1943 an begannen einige Mitglieder, sich von dem Stab in ihre alten Dienststellen abzusetzen.
Trotz der ungünstigen Voraussetzungen setzte die Unruh-Kommission im Februar 1944 ihre Arbeit im besetzten Norditalien fort, wo sie sich wiederum mit dem personalintensiven Kompetenzüberschneidungen der verschiedenen Dienststellen konfrontiert sah. Mitte Februar wurde von Unruh von Generalfeldmarschall Keitel nach Berlin zurückbeordert und mit der Überprüfung des Ersatzheeres beauftragt. Von Unruh, der damit endgültig vom Sonderbeauftragten des "Führers" zum einfachen Beauftragten des OKW abgesunken war und der die Sinnlosigkeit dieses Unternehmens klar erkannte, bat um seinen Abschied. Bis Ende Juni 1944 musste er jedoch seine Reisen durch die Wehrkreise fortsetzen, ehe schließlich am 28. August 1944 die Anordnung Hitlers vom 22. November 1942 förmlich zurückgenommen und von Unruh in den Ruhestand versetzt wurde.
Scope and Content
Geschichte des Bestandsbildners
Die Akten wurden am 6. Juni 1946 aus dem Gebäude Potsdamer Straße 24 (Bezirk Tiergarten), dem Dienstsitz der Unruh-Kommission in Berlin, geborgen. Sie gelangten zunächst in das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem und wurden dort als Bestand Rep. 312, Sonderbeauftragter zur Ermittlung des Wehrmachtersatzes, geführt. Im Geheimen Staatsarchiv wurde der überwiegende Teil der Akten durch die oben genannten Personenindizes erschlossen.
Im Zuge der archivalischen "Flurbereinigung" wurde der Bestand 1969 an das Bundesarchiv-Militärarchiv in Feiburg i. Br. übergeben und erhielt dort die Signatur RW 42, Sonderbeauftragter für die Überprüfung des zweckmäßigen Kriegseinsatzes (OKW Stab z.b.V.). Anschließend wurden die Unterlagen als Dauerleihgabe dem Bundesarchiv in Koblenz überlassen, wo die so genannte "Sammlung Unruh" als archivalisches Hilfsmittel wegen der enthaltenen Geschäftsverteilungspläne im Findmittelraum deponiert wurde. Gemeinsam mit der Abteilung Deutsches Reich gelangte der Bestand Anfang der 90er Jahre zunächst nach Potsdam und anschließend 1996 nach Berlin-Lichterfelde, wo er wiederum im Findmittelraum verwahrt wurde. 2002 wurde er schließlich an das Bundesarchiv-Militärarchiv zurückgegeben.
Bestandsbeschreibung
Der Bestand setzt sich aus 47 Akten und 34 Karteikästen zusammen.
Die Akten entstanden in der ersten Hälfte des Jahres 1943 im Zusammenhang mit der Überprüfung der Behörden im Berliner Raum. Die Unterlagen enthalten vor allem Geschäftsverteilungspläne und Personallisten der überprüften Ministerien, Behörden, Dienststellen, Verbände und Unternehmen. In geringerem Umfang finden sich auch Schriftwechsel zu Einzelfallprüfungen, Gesuche um Einziehung zum Wehrdienst, Vorschläge zur Personaleinsparung u. ä.
Die Unterlagen dokumentieren vor allem die Arbeitsweise und den Wirkungskreis der Unruh-Kommission. Darüber hinaus können sie als Ersatzüberlieferung für fehlende Organisationsunterlagen herangezogen werden. Allerdings sind hierbei aufgrund des Entstehungszusammenhangs (schwindender Einfluss von Unruhs, Interessengegensätze zwischen überprüften Dienststellen und Unruh-Kommission, passiver Widerstand der Reichsministerien) strenge quellenkritische Maßstäbe anzulegen.
Bei den Karteikästen handelt es sich um Personenindizes zu dem Großteil der einzelnen Geschäftsbereiche. Sie sind nach dem Krieg im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz archivisch erstellt worden.
Zitierweise
BArch RW 42/...