Chef der Luftwehr / Chef der Luftfahrt

Geschichte des Bestandsbildners

Die deutschen Luftstreitkräfte wurden ab 1933 von der nationalsozialistischen Regierung, unter Umgehung der Bestimmung des Versailler Vertrages von 1919, insgeheim wieder aufgerüstet und am 1. März 1935 als eigenständiger Wehrmachtteil Luftwaffe offiziell aufgestellt.

Hermann Göring, von Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichsminister ohne Geschäftsbereich und Reichskommissar für die Luftfahrt ernannt, erhielt von ihm den Auftrag, diesen Bereich auf- und auszubauen. In einer seiner ersten Amtshandlungen sorgte Göring für die Zusammenlegung der Luftfahrt, des Luftverkehrs und des Luftsportes. Bereits am 27. April 1933 wurde aus dem Reichskommissar für die Luftfahrt das Reichsluftfahrtministerium (RLM) mit zwei Ministerialabteilungen, nämlich dem militärischen Luftschutzamt, das am 1. September 1933 in Luftkommandoamt umbenannt wurde, und dem Staatssekretär für die Luftfahrt. Letzterem unterstand das Allgemeine Luftamt, das für Angelegenheiten des nationalen und internationalen Luftverkehrs einschließlich Luftverkehrsrecht und Luftverkehrsverwaltung zuständig war. Es gliederte sich in eine Allgemeine Abteilung, eine Abteilung Fliegertechnik, die noch im selben Jahr als Technisches Amt verselbständigt wurde, eine Verwaltungsabteilung und eine Abteilung für zivilen Luftschutz. In den Jahren 1933 bis 1936 kamen die Abteilungen Luftverwaltungsamt, Zentralabteilung, Inspektion der Flakartillerie (L In 4) und des Luftschutzes (L In 13), Inspektion für Flugsicherheit und Gerät (L In 5) und das Nachschubamt hinzu.

Anfang Februar 1938 wurden die Zentralabteilung (ZA), das Allgemeine Luftamt (LB), das Luftwaffenverwaltungsamt (LD) und das Nachschubamt (LE) in der Dienststelle Chef der Luftwehr zusammengefasst, während die Inspektionen dem Generalinspekteur der Luftwaffe unterstellt wurden. Bei der Neugliederung der Luftwaffe 1939 wurde das Nachschubamt herausgelöst und dem Generalluftzeugmeister zugeordnet. Von April 1940 bis Herbst 1942 war der Chef des Ausbildungswesens dem Chef der Luftwehr unterstellt. Das Luftwaffenpersonalamt (LP), das mit Kriegsbeginn immer mehr an Bedeutung gewann, wurde infolgedessen dem Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe unmittelbar unterstellt und 1944 dann vom neu eingesetzten Chef der Personellen Rüstung und NS-Führung übernommen.

Am 29. Juli 1944 wurde die Dienststelle Chef der Luftwehr umbenannt in Chef der Luftfahrt . In den letzten Monaten vor Kriegsende von Februar bis Mai 1945 wurden die meisten beim Chef der Luftfahrt verbliebenen Ämter aufgelöst und deren Organisation und Arbeitsbereiche von anderen Dienststellen übernommen. Die Aufgaben des Luftwaffenverwaltungsamtes gingen im April 1945 auf den Chefintendanten der Luftwaffe über.

Die einzelnen Ämter hatten einen - räumlich betrachtet - großen Zuständigkeitsbereich abzudecken, ein breites und vielschichtiges Aufgabenspektrum wahrzunehmen und die Zusammenarbeit von diversen militärischen wie auch zivilen Dienststellen zu koordinieren. Auf Grund der häufigen Umstrukturierungen, die von der Einrichtung bis zur Auflösung des Amtes Chef der Luftfahrt stattfanden, kann hier nur ein Überblick über die Organisation und eine allgemeine Beschreibung der Aufgaben der Abteilungen bzw. Ämter gegeben werden.

Zentralabteilung (ZA)

In der Zentralabteilung war eine Vielzahl von Dienststellen mit übergeordnetem Aufgabenbereich zusammengefasst. Dazu gehörte die Adjutantur des Staatssekretärs, die Repräsentationsangelegenheiten des RLM wahrnahm und die Verbindung zum Auswärtigem Amt unterhielt. Die Abwehrgruppe war für den Werkschutz der Luftfahrtindustrie, für Fragen der Ausfuhr deutscher Luftfahrtprodukte und bis 1935 für die Tarnung der Luftwaffe als neuer Wehrmachtteil zuständig. Unter der Dienstaufsicht des Leiters der Zentralabteilung waren das Justitiariat des RLM (Amtsgruppe Recht) und die Gruppe Sanitätswesen tätig. Daneben gab es in der Zentralabteilung noch eine Pressegruppe, den militärischen Kommandanten und den Bürodirektor des RLM.

Allgemeines Luftamt (LB)

Dem Chef des Allgemeinen Luftamtes standen folgende vier Abteilungen zur Verfügung:

LB 1 : Luftverkehr mit Schwerpunkt auf dem europäischen und internationalen Luft-

verkehr und für offizielle Angelegenheiten

LB 2: Hoheitsverwaltung und Luftaufsicht

(z.B. Sicherheitsmaßnahmen am Boden und in der Luft, Sperrgebiete)

LB 3: Reichswetterdienst

(u.a. Fachausbildung)

LB 4: Flugsicherung und zivile Bodenorganisation

(v.a. Flugsicherungstechnischer und Flugfunkdienst, Bau und Finanzierung

von Flughäfen)

Luftwaffenverwaltungsamt (LD)

Nach dem Stand von 1939 waren die Aufgabenbereiche der einzelnen Abteilungen im Wesentlichen wie folgt zugeschnitten:

LD 1: Haushalt

(militärischer und allgemeiner Haushalt, Reichsleistungsgesetz, Bürgschaften,

Flugunfallentschädigungen und Stiftungen)

LD 2: Allgemeine Verwaltung

(Organisationsangelegenheiten, Kassen- und Rechnungs- sowie Besoldungs-

wesen)

LD 3: Liegenschafts- und Unterkunftswesen

(Liegenschaftsverwaltung, Raumplanung und Unterbringung auch in den be-

setzten Gebieten)

LD 4: Bekleidung und Verpflegung

(Nachschub- und Bekleidungswirtschaft, Bekleidungsämter, Preisprüfung etc.)

LD 5: Allgemeine Bauverwaltung

(allgemeine Bauangelegenheiten und Haushalt, Rohstoffbewirtschaftung, Ver

gabe- und Abrechnungswesen sowie technische Überwachung)

LD 6: Territoriale Bauangelegenheiten

(Luftflottenkommando 1-5 einschließlich besetzte Gebiete und Balkan)

LD 7: Technische Fachgebiete

(Hoch- und Ingenieurbau, technische Nachschubangelegenheiten, Maschinenwesen und 1939/40 Industrieausbau)

LD 8/I : Allgemeine Personalangelegenheiten

LD 8/II: Technisches Personal

(Ingenieurskorps, Personal des Flugzeug-, Flugsicherungs-, Kraftfahr-,

Nachrichten- und Bilddienstes sowie Flugbautechnisches Personal)

LD 9: Verwaltungspersonal

(Personal des Justiz-, Reichswetter-, Bautechnischen Verwaltungs- und Vermessungsdienstes sowie des Feuerschutz-, Forst- und landwirtschaftlichen Dienstes)

Bestandsbeschreibung

Vom Allgemeinen Luftamt ist ein Tätigkeitsbericht für 1943/44, Unterlagen über den europäischen Luftverkehr1940/41, Flugverbindungen mit Japan 1942/43, das Überfliegen von

Sperrgebieten durch zivile Flugzeuge, die Flugsicherung und Flugzeugunfälle überliefert.

Vom Luftwaffenverwaltungsamt liegen Aktenreste, insbesondere sieben Luftgauatlanten zu baulichen Anlagen in den Luftgauen VI (Münster), VII (München) und XII (Wiesbaden) vor.

Sehr wenige Akten sind von der Registratur des Chefs der Luftfahrt erhalten geblieben. Von dem Gesamtbestand entfallen rund 100 Akten auf das Lufwaffenverwaltungsamt, darunter auch einige Unterlagen zur Organisation und Dienststellenverwaltung. Bei den Amtsgruppen LD 3 und LD 7 sind liegenschaftsbezogene Unterlagen, neben einigen Bauplänen von Flugplätzen im Reichsgebiet auch die Luftwaffenatlanten mit den dazugehörigen Verzeichnissen über die baulichen Anlagen der Luftwaffe in den Luftgaukommandos I - VII, XII und XVII zu finden. Rund 40 Aktenbände befassen sich mit Personalangelegenheiten, wobei die Unterlagen für das technische Personal und das Verwaltungspersonal in eigenen Serien erfasst wurden. Hervorzuheben sind ferner die Tätigkeitsberichte und Personalsachen des Reichswetterdienstes. Zehn Aktenbände konnten keiner dieser Amtsgruppen zugeordnet werden und wurden deshalb unter dem Klassifikationspunkt "Sonstiges" zusammengefasst .

Vom Allgemeinen Luftamt sind ca. vierzig Aktenbände vorhanden, die u.a. Fragen des nationalen und internationalen Luftverkehrs sowie der Luftaufsicht behandeln. Ferner sind einige Unterlagen über die Ausbildung für den Wetterdienst, darunter zwei Archivalien mit Personalvorgängen über Angehörige des höheren Reichswetterdienstes, überliefert. Aus dem Bereich Flugsicherung und zivile Bodenorganisation (LB 4) liegt eine Reihe von Geschäfts- und Prüfberichten über Flughafengesellschaften mit Reichsbeteiligung vor, die in einer Serie von sechs Aktenbänden erfasst wurden.

Das Schriftgut der Zentralabteilung umfasst nur 24 Aktenbände, von denen sieben der Amtsgruppe Recht und zehn der Pressestelle zugeordnet wurden. Hierbei handelt sich vorwiegend um Runderlasse zum Straf- und Disziplinarrecht sowie um Mitteilungen und Amtliche Nachrichten des RLM, die allerdings Lücken aufweisen. Darüber hinaus sind in einer vierbändigen Folge Flugzeugunfälle und -abstürze aus den Jahren 1937 bis 1939 und in einem Aktenband namentliche Verlustmeldungen aus den Jahren 1942 und 1943 (mit Lücken) nachgewiesen.

Vorarchivische Ordnung

Die überlieferten Aktensplitter stammen aus Rückführungen aus den USA und England

Erschliessungszustand

Findbuch 2002

Zitierweise

BArch RL 6/...