Reichsstelle für Landbeschaffung im OKW
Extent and Medium
Schriftgut
4483 Aufbewahrungseinheiten
94,4 laufende Meter
Creator(s)
- Reichsstelle für Landbeschaffung im Oberkommando der Wehrmacht, 1935-1944
Biographical History
Geschichte des Bestandsbildners
Am 29. März 1935 erließ die Reichsregierung das "Gesetz über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht", welches die Errichtung einer Reichsstelle für Landbeschaffung im Reichswehrministerium anordnete. Aufgabe dieser neuen Reichsstelle war der Ankauf von forst- und landwirtschaftlich genutztem Land zur Erweiterung und Errichtung von Truppenübungs- und Flugplätzen, Munitionsanstalten, Kasernenanlagen aber auch Getreide- oder Kartoffellagerhallen sowie Betriebsgelände. In erster Linie sollte hierzu das Land von Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Stiftungen gekauft werden, in der Mehrzahl der Fälle enteignete die Reichsstelle jedoch Privatpersonen. Zu diesem Zweck erhielt sie das Recht der Enteignung und der Aufhebung von Miet-, Pacht und sonstigen Nutzungsrechten.
Die Enteigneten konnten sich für eine finanzielle Abfindung oder die Zuteilung von Ersatzland entscheiden. Höhe und Umfang der Entschädigung legte die Reichsstelle zunächst selbst fest; jedoch konnten die Betroffenen innerhalb eines Monats dagegen Klage erheben und das Verfahren von einem Gericht entscheiden lassen. Im Fall einer Ersatzlandbeschaffung war die Reichsstelle zusätzlich an die Anweisungen des Reichsministers für Ernährung und Landbeschaffung gebunden. Diesem unterstand die gleichzeitig gegründete Reichsstelle für Umsiedlung (mit Reichsumsiedlungsgesellschaft), welche mit der Reichsstelle für Landbeschaffung eng kooperierte und sie in Fällen der Wohnraumenteignung und Umsiedlung unterstützte beziehungsweise die Umsiedlungen eigenständig durchführte.
Aufgrund der sich immer häufiger ereignenden Luftangriffe in Berlin (Sitz der Dienststelle war in der Bauhofstraße 11 in Berlin NW 7) wurden 1944 sog. "Ausweichstellen" in Salzburg und Bamberg geschaffen. Leiter der Ausweichstelle Bamberg war Konrad Bussmann, der bereits 1939 mit dem stellvertretenden Leiter der Reichsstelle für Landbeschaffung, Hans Quecke, eine Abhandlung zum Reichsenteignungsrecht veröffentlicht hatte.
Die praktische Umsetzung der gesetzlichen Grundlagen war in der "Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht" vom 21. August 1935 geregelt. Der § 33 dieser Verordnung, der in vielen der überlieferten Akten thematisiert wird, beinhaltet die Gebührenbefreiung im Enteignungsverfahren ). Diese Steuerbefreiung galt jedoch nicht für die Grunderwerbssteuer.
Die Aufgaben der Reichsstelle für Landbeschaffung waren laut Geschäftsverteilungsplan vom 20. Juni 1939 (RW43/4087) wie folgt verteilt:
Leiter der Reichsstelle war der Staatsminister a.D. Ministerialdirektor im Reichsernährungsministerium Riecke. Anders als der stellvertretende Leiter, Ministerialrat im Reichswirtschaftsministerium Quecke, hatte dieser seinen Sitz nicht im Gebäude der Reichsstelle für Landbeschaffung, sondern im Reichsernährungsministerium.
Nachfolgend werden die vier Referate mit ihren Aufgaben erläutert. Da die einzelnen Referatsleiter und Sachbearbeiter im Findbuch immer wieder Erwähnung finden, werden sie entsprechend mit aufgeführt:
Referat I
Referatsleiter: Intendanturrat Kuhn
Leiter: Intendanturrat Kuhn
Aufgaben:
Leiter: Assessor Dr. Quast
Aufgaben
Leiter: Verwaltungsoberinspektor a.D. Fieber
Aufgaben:
Leiter: Vertragsangestellter Siemund
Aufgaben:
Ferner sind der Aufsicht des Referates I unterstellt:
Referat II
Referatsleiter: Regierungs- und Kulturrat Hagemeister
Leiter: Regierungs- und Kulturrat Hagemeister
Aufgaben:
Leiter: Regierungsrat Muthmann (in Doppelfunktion mit Referatsleitung Referat III)
Aufgaben:
Referat III
Referatsleiter: Regierungsrat Muthmann
Aufgaben:
Referat IV
Referatsleiter: Assessor Schefer
Aufgaben:
Verfahren in Wahn, Ahrweiler, Baumholder, Düsseldorf, Mülheim, Rügenwalde, Groß-Born, Mackfitz, Kolberg
Scope and Content
Geschichte des Bestandsbildners
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gelangte das Verwaltungsschriftgut der Reichsstelle für Landbeschaffung in das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, wo es erstmals auf Karteien erfasst wurde.
Laut eines Hinweises in dieser Kartei wurden die Akten 1951 nach Bonn abgegeben. Welche Dienststelle sie erhielt, ist nicht bekannt.
Es kann davon ausgegangen werden, dass das Archivgut nach Gründung des Bundesarchivs 1952 an selbiges abgegeben wurde. Mit Verlegung des Militärarchivs von Koblenz nach Freiburg dürften die Archivalien ihren gegenwärtigen Lagerungsort erreicht haben.
Bestandsbeschreibung
Ein erheblicher Teil des Schriftgutes der Dienststelle ist nach 1945 in Verlust geraten.
Der Bestand umfasst 4445 Akten; ca. 3900 Einheiten sind Einzelfallakten zu Enteignungsverfahren in Verbindung mit der Errichtung und Erweiterung von Truppenübungsplätzen, Munitionsanstalten, Flugplätzen und Kasernenanlagen. Es handelt sich z. B. um Liegenschaften in Baumholder, Hammelburg, Wahn und Wildflecken (Truppenübungsplätze), Mühlheim a.d.R. und Rinteln (Standortübungsplätze), Berchtesgaden (Bauten für das OKW), Limburg, Wittmundhafen und Varloh (Flugplätze), Bergen b. Celle und Dachau (Gelände für die SS), Fallersleben (Volkswagenwerke), Salzgitter (Reichswerke "Hermann Göring"), Kiel (Kriegsmarinewerft) sowie Kochel am See (Heereswaffenamt/Wasserbauversuchsanstalt).
Die übrigen erhaltenen Unterlagen sind Sachakten der allgemeinen Verwaltung und der Fachbereiche.
Die Einzelfallakten sind meist einem übergeordneten Klassifikationspunkt zugeordnet, welcher den späteren Verwendungszweck des enteigneten Grundstückes bezeichnet (z.B. Truppenübungsplatz Hammelburg, Flugplatz Achern). Der Titel der Einzelfallakte besteht aus dem Namen der Enteigneten und dessen Wohnort. Falls Wohnort und der Ort der Enteignung nicht identisch sind, wird dies extra vermerkt.
Die meisten Einzelfallakten beinhalten eine Beschreibung des zu enteignenden Grundstückes, die dazu erstellten Gutachten bezüglich seines Wertes und die Art der Entschädigung. Des weiteren finden sich Korrespondenzen mit Anwälten und Unterlagen der Gerichtsverfahren, falls die Besitzer Widerspruch einlegten oder gegen die Zwangsenteignung klagten.
Neben den Akten der Dienststellenverwaltung (Personalangelegenheiten, Haushalts- und Kassenwesen, innerer Dienst und Registraturen) finden sich v.a. Unterlagen zu Enteignungen, Enteignungsbeschlüssen oder -urteilen, Gebührenfreiheitsbescheinigungen nach § 33 Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht und zur Beschaffung von Ersatzland. Ferner sind die gesetzlichen Grundlagen, die Einrichtung der Reichsstelle für Landbeschaffung und der Ausweichstelle Bamberg sowie die Korrespondenzen mit anderen Dienststellen dokumentiert.
Unter dem Klassifiktionspunkt "Fachaufgaben" befinden sich schließlich die einzelnen Enteignungsfälle.
Zitierweise
BArch RW 43/...