Treuhandverwaltung von Kulturgut bei der Oberfinanzdirektion München

Identifier
B 323
Language of Description
German
Level of Description
Collection
Languages
  • German
Source
EHRI Partner

Extent and Medium

Schriftgut

1168 Aufbewahrungseinheiten

86,8 laufende Meter

Creator(s)

Scope and Content

Geschichte des Bestandsbildners

Die Überlieferung im Bestand B 323 ist aus der Tätigkeit der Treuhandverwaltung von Kulturgut und ihrer Funktionsvorgänger erwachsen bzw. zur

Wahrnehmung ihrer Aufgaben zusammengestellt worden. Die letzte aktenführende Stelle war das Kulturreferat der Oberfinanzdirektion München.

Die Unterlagen sind von unterschiedlicher Provenienz: Reichskanzlei, Reichsleiter Martin Bormann, Beauftragter und Referent für den "Sonderauf-

trag Linz", Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, MFA&A Section der amerikanischen Militärregierung sowie Geschäftsunterlagen von Kunstliebha-

bern u.a. Die in den CCPs entstandenen Dokumentationen, Fotosammlungen und Karteien sind nicht einheitlich strukturiert: 1. Es liegt vor eine

vom CCP München angelegte Unterlagensammlung über den Erwerb, Verbleib sowie die kriegsbedingte Verlagerung der Kunst- und Kulturgüter aus der Tätigkeit von Behörden, NS-Dienststellen und eines beauftragten Personenkreises aus dem Zeitraum 1937-1945. Belegt sind darin die sog. Sammlung Göring, der "Sonderauftrag Linz", die sog. Sammlung Bormann sowie die durch den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg in Frank-

reich, Belgien und Russland beschlagnahmten Privatsammlungen. 2. Akten, Karteien sowie ca. 5000 Fotos der Monuments, Fine Arts and Archi-

ves Restitution Branch (MFA&A, OMGUS) zum Aufbau des CCP München und zur Arbeit des alliierten Kunstschutzes 1945-1949. 3. Schriftgut

und Karteien der Treuhandverwaltungen über ihre Restitutionsbemühungen von 1950-1972. Die Verknüpfung der verschiedenen Karteien mit den

CCP-Materialsammlungen und den überlieferten Akten der Treuhandverwaltung ist nicht immer herstellbar. Die Bestände dienten dem Zweck der Identifizierung von Kunstwerken und ihren rechtmässigen Eigentümern und bildet nur zum kleineren Teil die Tätigkeit der Treuhandverwal-tung von Kulturgut ab. Der Sammlungscharakter wird auch dadurch verstärkt, dass grösstenteils kein originäres, sondern reproduziertes Schrift-

gut vorliegt. Viele der Unterlagen zum "Sonderauftrag Linz" standen den amerikanischen Besatzungsbehörden selbst nicht im Original zur Ver-

fügung. Diese befanden sich in den Händen der sowjetischen Militäradministration, die allerdings die Verfilmung gestattete. Zudem hatten die

amerikanischen Besatzungsbehörden ihre Unterlagen nach Übergabe der Zuständigkeit den deutschen Stellen nur in mikroverfilmter Form über-

lassen. Laut Tätigkeitsbericht des Deutschen Ausschusses für die Restitution von Kunstgut vom 25. Febr. 1952 entstand der Film 1950/51.

Gemäss Schreiben der OFD an das Bundesarchiv vom 15. Apr. 1964 wurden die Akten bei Auflösung des CCP München verfilmt und Kontakt-

abzüge der deutschen Nachfolgeeinrichtung, der TVK in München, übergeben. Die Originale gingen vom CCP München über den CCP Wiesba-

den und von dort über die US-HICOG um 1952 in das State Department nach Washington.

Eine andere Geschichte hat der sog. Linz-Film: Der Film enthält Material zur Beschaffung, Herkunft und Verwaltung der Kunstwerke für das von

Hitler geplante Museum in Linz ("Sonderauftrag Linz"). Die Akten darüber befanden sich im Schloss Weesenstein bei Dresden. Nach einigen

Verhandlungen erklärte sich die sowjetische Besatzungsmacht bereit, die Herstellung von Reproduktionen zu gestatten. Die Akten behielt sie.

Vom sog. Linz-Film waren Abzüge erstellt worden. Der Film selbst wurde versehentlich vernichtet. Rekonstruiert wurde der "Linz-Film" auch aus den in München vorhandenen Positiven. Die Mikrofilm-Rekonstruktion wurde der US-Besatzungsmacht übergeben, während der Positivab-

zug in München verblieb. Leider differiert die Qualität der Mikrofilmabzüge im Bestand B 323 und die Lesbarkeit ist häufig nicht so günstig.

Korrespondierende Aktenbestände:

Reichskanzlei (R 43)

Reichskommissar für die Behandlung reichsfeindlichen Vermögens (R 87)

Partei-Kanzlei der NSDAP (NS 6)

Kanzlei Rosenberg (NS 8)

Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (NS 30)

Bearbeitungshinweis

Findbuch von Frau B. Limberg liegt vor

Bestandsbeschreibung

Bestandsbeschreibung:

Archivische Bewertung und Bearbeitung:

Die Überlieferung im Bestand B 323 ist aus der Tätigkeit der Treuhandverwaltung von Kulturgut und ihrer Funktionsvorgänger erwachsen bzw. zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben zusammengestellt worden. Die letzte aktenführende Stelle war das Kulturreferat der Oberfinanzdirektion München. Tatsächlich finden sich aber nur wenige Unterlagen in dem Bestand, die nach 1962 entstanden sind. Die Unterlagen sind unterschiedlicher Provenienz (Reichskanzlei, Reichsleiter Martin Bormann, Beauftragter und Referent für den "Sonderauftrag Linz", Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, MFA&A Section der amerikanischen Militärregierung, Geschäftsunterlagen von Kunsthändlern u.a.). Die Archivnummern 1201 bis 1224 wurden nicht von der OFD München abgegeben. Sie enthalten Schriftgut zum "Sonderauftrag Linz", das vom Archiv der staatlichen Kunstsammlungen Dresden unter der Bezeichnung "Führerauftrag Linz" übernommen worden war. Von dort gelangte es ins Zentralarchiv nach Potsdam (Bestand 50.01 Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda) und wurde dann nach Vereinigung von Bundesarchiv und Zentralarchiv zunächst in den Bestand NS 6 (825 bis 848) übernommen. Aufgrund des sachlichen Zusammenhangs wurden die Unterlagen 2008 in den Bestand B 323 übernommen.

Der Bestand trägt wesentlich die Züge einer Materialsammlung - nämlich zum Erwerb bzw. Entzug von Kunstgegenständen im weiteren Sinne - zum Zwecke der Identifizierung von Kunstwerken und ihren rechtmäßigen Eigentümern und bildet nur zum kleineren Teil die Tätigkeit der Treuhandverwaltung von Kulturgut ab. Der Charakter einer Sammlung wird dadurch verstärkt, dass größtenteils kein originäres, sondern reproduziertes Schriftgut vorliegt. Viele der Unterlagen zum "Sonderauftrag Linz" standen den amerikanischen Besatzungsbehörden selbst nicht im Original zur Verfügung. Diese befanden sich in den Händen der sowjetischen Militäradministration, die allerdings die Verfilmung gestattete. Außerdem hatten die amerikanischen Behörden ihre Unterlagen nach Übergabe der Zuständigkeit den deutschen Stellen nur in mikroverfilmter Form überlassen. Laut Tätigkeitsbericht des Deutschen Ausschusses für die Restitution von Kunstgut vom 25. Febr. 1952 [B 323/326] entstand der Film 1951/1952. Gemäß Schreiben der OFD an das Bundesarchiv vom 15. Apr. 1964 [Abschrift In: B 126/47203] wurden die Akten bei Auflösung des CCP München verfilmt und Kontaktauszüge der deutschen Nachfolgeein-richtung, der TVK in München, übergeben. Die Originale gingen vom CCP München über das CCP Wiesbaden und von dort über die US-HICOG um 1952 ins State Departement nach Washington. Der sog. "Linz-Film" hat eine andere Quelle. Der Film enthält Material zur Beschaffung, Herkunft und Verwaltung der Kunstwerke für das von Hitler geplante Museum in Linz ("Sonderauftrag Linz"). Die Akten darüber befanden sich in Schloss Weesenstein bei Dresden zur Bergung. Nach Verhandlungen erklärte sich die sowjetische Besatzungsmacht bereit, die Herstellung von Reproduktionen zu gestatten. Die Akten behielt sie. Vom sogenannten "Linz-Film" waren Abzüge erstellt worden. Der Film selbst wurde versehentlich vernichtet. Aus den in München vorhandenen Positiven wurde der "Linz-Film" rekonstruiert. Die Mikrofilm-Rekonstruktion wurde der US-Besatzungsmacht übergeben, während die Positivabzüge in München blieben [Vermerk vom März 1952 in B 323/326].

Die Qualität der Mikrofilmabzüge differiert, ist insgesamt aber als schlecht zu bezeichnen. Die Lesbarkeit ist nicht immer gesichert. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass den jeweiligen Bearbeitern Fehler unterliefen bzw. gerade Namen nicht geläufig waren. Die Schreibweise von Namen weicht in den Unterlagen ab. Bei der Erschließung wurde versucht, die Schreibweise zu vereinheitlichen.

Achtung:

In der Abteilung Bundesrepublik Deutschland kann es wegen der Digitalisierungsmaßnahmen von Akten des Bestandes B 323 Treuhandverwaltung für Kulturgut bei der Oberfinanzdirektion München bis voraussichtlich April 2018 bei der Zugänglichkeit einzelner Akten und Aktengruppen zu Einschränkungen kommen. Es wird dringend empfohlen, sich vor einer Benutzung nach deren Verfügbarkeit zu erkundigen.

Inhaltliche Charakterisierung

Die in den CCPs entstandenen Dokumentationen, Fotosammlungen und Karteien verfügen nicht über eine einheitliche Ordnung. Drei z.T. in ihren Strukturen gestörte und unvollständige Überlieferungskomplexe liegen vor: 1. Eine vom CCP München angelegte Unterlagensammlung zum Erwerb, Verbleib und zur kriegsbedingten Verlagerung der Kunst- und Kulturgüter aus der Tätigkeit von Behörden, NS-Dienststellen und eines beauftragten Personenkreises aus dem Zeitraum 1937-1945. Belegt sind darin, z.T. durch Kataloge, die -Sammlung Göring-(1933-1945, 30), der -Sonderauftrag Linz-(1938-1945, 84), die -Sammlung Bormann-(1936-1961, 4) und durch den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg in Frankreich, Belgien und Rußland beschlagnahmte Privatsammlungen (1935-1945, 77). 2. Akten, Karteien und eine Fotodokumentation (5000 Bilder) der Monuments, Fine Arts and Archives Restitution Branch (MFA&A, OMGUS) zum Aufbau des CCP München und zur Arbeit des alliierten Kunstschutzes (1945-1949, 50). 3. Schriftgut und Karteien der Treuhandverwaltungen über ihre Restitutionsbemühungen (1950-1972, 400). Die Verknüpfung der verschiedenen Karteien mit den CCP-Materialsammlungen und den Akten der Treuhandverwaltung ist nicht immer herstellbar.

Inhalt:

Korrespondenzen mit Behörden, Kunsthändlern, Privateigentümern, Museen zum Erwerb von Kunstwerken. Rechnungsunterlagen, Zahlungsanweisungen etc.

Inventare beschlagnahmter, sichergestellter oder anders erworbener Sammlungen

Unterlagen betreffend die Beschlagnahme und Sicherstellung sowie die Verteilung von Sammlungen

Unterlagen zum "Archiv-, Bibliothek- und Kunstschutz" in den besetzten Gebieten, vor allem den besetzten Westgebieten; "Rückführung" vormals deutschen Kunstbesitzes

Unterlagen betreffend die Bergung von Kunstwerken und andere Schutzmaßnahmen während des Krieges (Transport-, Lade- und Kistenlisten u.a.)

Unterlagen betreffend die Ausstattung von Museen und Behörden sowie Gebäuden der NSDAP mit beschlagnahmten Kunstsammlungen und Mobiliar

Unterlagen betreffend die Sicherstellung von Kunstwerken nach 1945 (vor allem Karteien, Formulare, Listen)

Anmeldungen von Restitutionsansprüchen, Bearbeitung/Erledigung von Restitutionsanträgen

Ermittlungen zur Herkunft und zum Verbleib von Kunstwerken

Anträge auf Freigabe von Kunstwerken

Anfragen zum Verbleib von Kunstwerken

Entschädigung von Restitutionsgeschädigten

Allgemeine, rechtliche und Verfahrensfragen der Restitution, vor allem aber auch hinsichtlich der Rückgabe von Kunstgut an Österreich und an Italien (s. hier auch die Überlieferung des Bundeskanzleramtes)

Verzeichnis der der TVK bekanntgewordenen Restitutionen

Historischer Hintergrund:

In der NS-Zeit waren massenhaft Kunstwerke erworben bzw. entzogen worden.

Der Erwerb diente zum einen schlicht der repräsentativen Ausstattung von Behörden, aber auch von Gebäuden der NSDAP und ihrer verschiedenen Unterorganisationen. Zum anderen dienten die Kunstwerke dem persönlichen Repräsentationsbedürfnis einzelner, hier sind in erster Linie Hitler selbst, etwa mit dem von ihm geplanten Museum in Linz, und Hermann Göring zu nennen.

Die Erwerbungsarten unterschieden sich und gehen wohl überwiegend mit den unterschiedlichsten Bezugs- und Entziehungsformen einher. Zum einen erhielten NS-Größen, allen voran Hitler und Göring Kunstwerke von den verschieden Personen und Institutionen, etwa von Städten, Geschenke. Zum anderen wurden Kunstwerke systematisch durch bzw. für sie über den Kunsthandel erworben. Die Erwerbungen erfolgten nicht zuletzt im Rahmen der Verwertung des sichergestellten und eingezogenen bzw. gepfändeten Vermögens der "Volks- und Reichsfeinde". Darunter fiel der sogenannte "jüdische Besitz", aber auch Kloster- und Stiftsbesitz [Rechtsgrundlage bildete das Reichsbürgergesetz von 1941 samt Durchführungsver-ordnungen]. Die Enteignung der Klöster- und Stifte beruhte auf der Feststellung, dass die "Bestrebungen des Stiftes volks- und staatsfeindlich gewesen sind" und "daß das Vermögen volks- und staatsfeindlichen Zwecken gedient hat".

Die Beschlagnahmen im Reichsgebiet erfolgten durch die örtlichen Gestapo-Stellen. Zuständig für die Verwaltung und Verwertung des Vermögens jüdischer Eigentümer im Reichsgebiet war zunächst die Vermögensverwertungsstelle beim Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg, dann die jeweiligen Oberfinanzpräsidenten. Durch die Sicherstellungen und Beschlagnahmen gelangten viele Kunstwerke und Bücher auf den Kunstmarkt - oder auch nicht, wenn der "Vorbehalt des Führers" über die Verwendung sichergestellter bzw. eingezogener Kunstgegenstände geltend gemacht wurde. Bilder, die für die oben genannten Zwecke nicht in Frage kamen, aber dennoch wertvoll waren, wie etwa Bilder des Berliner Malers Max Liebermann, wurden für Tauschgeschäfte oder zur Devisenbeschaffung genutzt. Einige Kunsthändler schienen sich auf den Verkauf von Kunstwerken jüdischer Eigentümer spezialisiert zu haben. Museen bewarben sich regelrecht um die beschlagnahmten und sichergestellten Kunstwerke - insbesondere die der wertvollen Sammlungen aus dem beschlagnahmten Wiener Kunstbesitz.

Während des Krieges wurden in den besetzten Gebieten im Rahmen des "Kunstschutzes" massenhaft Kunstwerke konfisziert. Es gab einen Sonderauftrag "Rückführung von in Frankreich befindlichen Kunstwerken und Kriegstrophäen", der sog. Beutekunst deutscher Provenienz aus der Zeit der Freiheitskriege bis zur jüngsten Zeit zurückführen solle. Darunter wurden auch solche Kunstwerke subsumiert, die gemäß Versailler Vertrag vom Deutschen Reich übergeben worden waren. Sonderbeauftragter war der Direktor des Berliner Zeughauses, Admiral a.D. Lorey.

Am 30. Juni 1940 wies das Oberkommando der Wehrmacht den Militärbefehlshaber für Frankreich an, neben den im französischen Staatsbesitz befindlichen Kunstschätzen auch die privaten Kunst- und Altertumswerte vor Verschleppung bzw. gegen Verbergung einstweilen in Verwahrung sicherzustellen. Am 15. Juli 1940 erging eine Verordnung zur Erhaltung von Kunstschätzen im besetzen Frankreich. Vor allem ging es hierbei um die Habhaftwerdung bedeutender Kunstsammlungen, letztlich aber auch um die Verwertung von Mobiliar und Hausrat - auch ohne besonderen künstlerischen Wert. Das Devisenschutzkommando Frankreich bzw. Belgien beschlagnahmte Kunstwerke aus Bankdepots und Schließfächern, aber auch bei Speditionen. Die Speditionen mussten die bei ihnen verwahrten "Emigrantenlifts" melden und abgeben.

Bereits nach der Besetzung von Paris im Jahre 1940 war der Kunstbesitz der Familie de Rothschild, von Maurice Dreyfus, Raymond Lazare, Rosenberg und Bernstein, Jacques, Arnold und André Seligmann, M.M. Bernheim-Jeune, Levalocourt, Paul Rosenberg sowie Emile und Fernand Halphen von der Geheimen Feldpolizei sichergestellt und in die Deutsche Botschaft, rue de Lille, verbracht worden. Ein Teil der Gegenstände wurde in das Inventar der Botschaft übernommen, 26 Bilder wurden in deren Depot gebracht, andere Gemälde wurden dem Haus Berlin, Wilhelmstr. 73 übersandt. Kunstwerke der Firmen Georges Wildenstein, Bacri frères und Paul Graupe sowie aus dem Besitz von Edouard Jonas wurden auf Veranlassung Görings im Juli/August 1940 "übernommen".

Im August/September 1940 nahm der Einsatzleiterstab Reichsleiter Rosenberg seine Tätigkeit auf, der sich dabei der Geheimen Feldpolizei oder der Gestapo, später der "Dienststelle Westen" bediente. Die Kunstgegenstände wurden zunächst im Jeu de Paume gesammelt und inventarisiert. Bei der Inventarisierung ließ sich ein Teil der Eigentümer bereits nicht mehr ermitteln.

Mit Führererlass vom 1. März 1942 wurde Alfred Rosenberg beauftragt, im Einvernehmen mit dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, die Aufgabe der "planmässige[n] geistige[n] Bekämpfung" der "Juden, Freimaurer und [den] mit ihnen verbündeten weltanschaulichen Gegner[n] des Nationalsozialismus" als den "Urheber[n] des jetzigen gegen das Reich gerichteten Krieges" durchzuführen. "Sein Einsatzstab für die besetzten Gebiete hat das Recht, Bibliotheken, Archive, Logen und sonstige weltanschauliche und kulturelle Einrichtungen aller Art nach entsprechendem Material zu durchforschen und dieses für die weltanschaulichen Aufgaben der NSDAP und die späteren wissenschaftlichen Forschungsarbeiten der Hohen Schule beschlagnahmen zu lassen. Der gleichen Regelung unterliegen Kulturgüter, die in Besitz oder Eigentum von Juden, herrenlos oder nicht einwandfrei zu klärender Herkunft sind". [Abschrift in B 323/257.] Die Tätigkeit des Einsatzstabes selbst wurde seitens des Kunstschutzes durchaus kritisch gesehen.

1942 übernahm der Einsatzleiterstab Reichsleiter Rosenberg Objekte von künstlerischem und kulturellem Wert der "Dienststelle Westen" des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete, die diese im Rahmen der sogenannten Möbelaktion ("M-Aktion") beschlagnahmt hatte. Die "M-Aktion" der Dienststelle Westen des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete zielte auf die Beschlagnahme von Mobiliar und sonstigen Hausrat aus "jüdischem Besitz" zum Zwecke der Ausstattung von Gebäuden der NSDAP und ihrer Organisationen und Institutionen, etwa das Institut der NSDAP für die Erforschung der Judenfrage oder Hohe Schule der NSDAP, sowie der Einrichtung von Dienststellen und Verwaltungen in den besetzten Ostgebieten. Hier steht an erster Stelle Schloss Posen, das für Hitler als Residenz angekauft worden war, und für dessen Ausstattung gezielt Kunstwerke (178 Bilder und ein Gobelin) gesammelt wurden. Folgende Dinge, die im Rah-men der Aktion sichergestellt wurden, sollten an den Einsatzstab abgeführt werden: Bücher, Manuskripte, Akten und Korrespondenzen sowie Kunstgegenstände wie Gemälde, Skulpturen, Gobelins etc. von besonderem Wert.

Auch in Belgien wurde der Einsatzleiterstab Reichsleiter Rosenberg in einigen Fällen tätig. Grundsätzlich erfolgte die Verwertung des Eigentums deportierter belgischer Juden durch die "Brüsseler Treuhandgesellschaft" im Rahmen der sog. Mö-belaktion. 1943 wurde der Kunstbesitz von der "Brüsseler Treuhandgesellschaft" durch den Einsatzleiterstab übernommen (ERR-Signatur Brüssel).

Der Einsatzleiterstab Reichsleiter Rosenberg hatte in Amsterdam eine Dienststelle, allerdings sind Beschlagnahmen durch die Dienststelle in den Niederlanden nicht erfolgt. Durch Verordnung waren alle Juden verpflichtet worden, ihre Kunstgegenstände oder sonstige Wertobjekte beim Bankhaus Lippmann & Rosenthal abzuliefern.

Sonderbeauftragter für die Sicherung der Kunstschätze in den besetzten niederländischen Gebieten war Kajetan (Kai) Mühlmann, der bzw. dessen Dienststelle ("Dienststelle Mühlmann") eine Vielzahl von Kunstgegenständen erwarb und auch die bedeutende Sammlung Mannheimer aus der Konkursmasse ankaufte.

Erhard Göpel, vom Referat Sonderfragen beim Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete - Generalkommissar zur besonderen Verwendung, war ebenfalls in den westlichen besetzten Gebiete mit Ankäufen betraut. Er erwarb die Sammlung Alphonse Schloss von der französischen (Vichy-)Regierung, die durch Verhaftung von Henri Schloss in den Besitz gekommen war. Eine Auswahl ging allerdings vorab an den Louvre.

Benutzung des Bestandes:

Die gezielte Recherche nach bestimmten Bildern bzw. Künstlern ist nur in beschränkten Umfang möglich. Die Ordnung der Überlieferung erfolgt ganz überwiegend nach Sammlungen (dabei auch vormalige Besitzer), Inventarnummern (bzw. Eingangsdatum), Antragstellern bzw. Restitutionsberechtigten und Korrespondenzpartnern (hier vor allem Händler). Relativ wenige Archivnummern weisen eine Ordnung nach Gegenständen bzw. Künstlern auf. Hier sind vor allem folgende Akten zu nennen:

Verwaltung Obersalzberg.- Fotografien der von Bormann erworbenen Bilder (B 323/14 bis 15).

Verzeichnis der Gemälde aus dem Münchner Führerbau ("Neufassung").- Nachtrag nach Künstlernamen (B 323/86-88).

Plünderung der Kunstbestände im Führerbau in München (B 323/184 bis 185).

Katalog der "Sammlung Göring" (B 323/316-320).

Alphabetische Aufstellung aller zwischen 1945 und 1962 restituierten Gemälde, Zeichnungen und Miniaturen (B 323/505-507).

Verwaltung der Bestände für das "Deutsche Schloss Posen" durch die Treuhandverwaltung (B 323/517 enthält u.a. Inventar nach Künstlern mit Angaben zur Herkunft und Restitution).

Erwerbungen des Reichsleiters Martin Bormann für den "Sonderauftrag Linz" und das "Schloss Posen".- Beglaubigung von Rechnungskopien und -abschriften aus den Jahren 1940-1944 (B 323/583).

Eine Autorenliste der Bilder der "M-Aktion" (ohne anonyme Bilder) liegt vor in B 323/298a.

Alphabetisch nach Kunstgenre geordnet sind die Abgaben an die Jewish Restitution Successor Organization (JRSO) in B 323/732.

Einige Archivnummern sind auch nach Verwahrorten geordnet: Eingänge im Central Collecting Point nach Auslagerungsorten und Depots (B 323/738 bis 752).

Limberg 2008

Umfang, Erläuterung

1190 AE (einschl. Karteien); ca. 70 lfm Schriftgut und 20 lfm Karteien; 5000 Negative von Aufnahmen der Kunstobjekte (Mikrofiches).

Zitierweise

BArch B 323/...

Related Units of Description

  • Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv

  • Bundesministerium des Innern (B 106)

  • Partei-Kanzlei der NSDAP (NS 6)

  • Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (NS 30)

  • Reichskanzlei (R 43)

  • Office of Military Government United States (OMGUS; Z 45 F)

  • Literatur

  • Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen: Property Cards Art, Claims und Shipments auf CD-ROM. Amerikanische Rückführung sowjetischer Kulturgüter an die UdSSR nach dem Zweiten Weltkrieg, Bremen 1997.- Anja Heuß: Kunst- und Kulturgutraub. Eine vergleichende Studie zur Besatzungspolitik der Nationalsozialisten in Frankreich und der Sowjetunion. Heidelberg 2000.- Craig Hugh Smyth: Repatriation of Art from the Collecting Point of Munich after WWII. Backgrounds and Beginnings with reference especially to the Netherlands. The Haag 1988.

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