Oberstes Rückerstattungsgericht

Identifier
B 215
Language of Description
German
Dates
1 Jan 1950 - 31 Dec 1990
Level of Description
Collection
Languages
  • German
Source
EHRI Partner

Extent and Medium

Schriftgut

2510 Aufbewahrungseinheiten

78,7 laufende Meter

Creator(s)

Scope and Content

Geschichte des Bestandsbildners

Beim Obersten Rückerstattungsgericht (ORG) handelt es sich um ein 1955 gegründetes internationales Gericht. Es entschied als oberste Rechtsmittelinstanz über Streitigkeiten bei Anträgen auf Rückerstattung der zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 einem Eigentümer unter politischem Zwang entzogenen, identifizierbaren Vermögensobjekte. Seine Tätigkeit war also ausschließlich auf das besondere Sachgebiet der Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände beschränkt.

Die rechtlichen Grundlagen der Rückerstattung sind im Wesentlichen im Gesetz No. 59 der US-Militärregierung, dem Gesetz No. 59 der Britischen Militärregierung, der Rückerstattungsanordnung der Alliierten Kommandantur für das Land Berlin, der Verordnung No. 120 der französischen Militärregierung sowie dem Bundesrückerstattungsgesetz (BRüG) festgelegt. Zunächst mussten die Ansprüche bei zentralen Anmeldestellen angemeldet werden. Diese leiteten die Anmeldungen an das zuständige Wiedergutmachungsamt weiter. In der britischen und amerikanischen Zone erfolgte die Prüfung und Bescheidung der Rückerstattungsansprüche im Schiedsverfahren. In der französischen Zone erging ein Urteil im Klageverfahren. Je nachdem waren in den Besatzungszonen bzw. den Bundesländern Behörden oder entsprechende Stellen bei Gerichten (Wiedergutmachungsämter, Schlichter für Wiedergutmachungssachen, Restitutionskammern) mit der Rückerstattung betraut. Kam es nicht zu einem Vergleich zwischen den Parteien bzw. wurde das Urteil angefochten, begann ein dreistufiger Instanzenzug. Dieser führte über die Wiedergutmachungskammern der jeweiligen Landgerichte und die Wiedergutmachungssenate bei den Oberlandesgerichten bis zu den obersten Rückerstattungsgerichten der Besatzungsmächte bzw. dem ORG.

Die Errichtung und die Befugnisse des ORG beruhten auf dem am 5. Mai 1955 in Kraft getretenen sogenannten Überleitungsvertrages, einem Teil der Bonn-Pariser Verträge zur Beendigung des Besatzungsregimes in der BRD (BGBl. 1955 II S. 423ff.). Die besatzungsrechtliche Rückerstattungsgesetzgebung wurde in diesem Vertrag aufrechterhalten. Daher trat das ORG die Funktionsnachfolge der bereits 1949 in den drei westlichen Besatzungszonen gegründeten obersten Rückerstattungsgerichte, d.h. des Rückerstattungsberufungsgerichts der US-amerikanischen Zone, des Obersten Rückerstattungsberichts für die britische Zone und des französischen Obergerichts für Rückerstattungssachen, an. Das mit Gesetz Nr. 25 der Alliierten Kommandantur Berlin vom 25. April 1953 errichtete Oberste Rückerstattungsgericht für Berlin blieb wegen der Sonderstellung Berlins daneben bestehen. Die Zusammensetzung, Zuständigkeit, Befugnisse und Obliegenheiten des ORG richteten sich nach der als Anhang zum 3. Teil des „Überleitungsvertrages" beigefügten Satzung. Das ORG setzte sich aus dem Präsidenten des Gerichts, dem Präsidium und den drei Senaten zusammen. Die Verwaltung des Gerichts war dem Bundesministerium der Justiz nachgeordnet. Das ORG stand wie seine Funktionsvorgänger außerhalb der deutschen Gerichtsorganisation. Bei Streitigkeiten über die Zuständigkeit des ORG konnte das nach Art. 9 des Vertrages über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den drei Mächten gebildete Schiedsgericht angerufen werden, das mit bindender Wirkung für das ORG und alle deutschen Gerichte und Behörden entschied (Art. 9 Abs. 3 der Satzung). Aufgrund des internationalen Charakters des Gerichts hat das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit, es anzurufen, nicht als Rechtsweg im Sinne von § 90 BVerfGG angesehen (BVerfGE 4, 212 [213]). Aus denselbem Grund wurden Entscheidungen des ORG nicht als Akte deutscher öffentlicher Gewalt verstanden, die der Nachprüfbarkeit durch das Bundesverfassungsgerichts im Wege der Verfassungsbeschwerde unterliegen.

Das Präsidium entsprach in etwa einem Verwaltungsrat und erledigte Aufgaben verwaltungstechnischer und organisatorischer Art. Es bestand ursprünglich aus den Präsidenten der drei Senate, einem von der Bundesregierung zu bestimmenden Richter aus jedem Senat sowie einem von der beteiligten Macht zu bestimmenden Richter aus jedem Senat. Die Senatspräsidenten wurden gemeinsam von der deutschen Regierung und der jeweils beteiligten Macht ernannt. Sie durften weder deutsche Staatsangehörige noch Staatsangehörige einer der drei beteiligten Mächte sein. Laut Satzung gab es keinen ständigen Präsidenten des gesamten ORG, vielmehr wechselten sich zunächst die Senatspräsidenten in diesem Amt ab. Seit dem Jahr 1975 amtierte ein einziger Präsident mit einem Stellvertreter. Seine Aufgabe war die Leitung des Präsidiums und die Festsetzung seiner Sitzungen.

Die drei Senate übernahmen die Rechtsnachfolge der obersten Rückerstattungsgerichte in den Besatzungszonen. Dabei trat der 1. Senat die Nachfolge des Obergerichts für Rückerstattung in der französischen Zone (Cour Supérieure pour les Restitutions (CSR)) mit Sitz in Rastatt, der 2. Senat die Nachfolge des Obergerichts für die britische Zone (Supreme Restitution Court for the British Zone, später Board of Review (BOR)) mit Sitz in Herford und der 3. Senat die des amerikanischen Rückerstattungsgerichts (zunächst Board of Review, dann Court of Restitutional Appeals (CORA)) mit Sitz in Nürnberg an. Lediglich beim CSR waren deutsche Richter an den Entscheidungen beteiligt und auf das Revisionsverfahren fanden die Vorschriften der §§ 545-566 der deutschen Zivilprozessordnung Anwendung. Die beiden anderen obersten Rückerstattungsgerichte waren mit amerikanischen bzw. britischen Richtern besetzt und die Verfahren waren von angelsächsischem Recht geprägt. Diese Unterschiede in der Verfahrensführung blieben auch nach der Gründung des ORG bestehen.

Jeder Senat des ORG bestand aus einem Vorsitzenden sowie zwei von der Bundesregierung und zwei von der Regierung des jeweils beteiligten Staates ernannten Richtern. Der Vorsitzende wurde durch eine Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und der Regierung der jeweils beteiligten Macht ernannt. Er war weder deutscher Staatsangehöriger noch Staatsangehöriger einer der Drei Mächte.

Die Amtssprachen des Präsidiums waren deutsch, französisch und englisch, die Amtssprachen im 1. Senat waren deutsch und französisch, die im 2. und 3. Senat deutsch und englisch.

Nach der Zusammenfassung der Vorgängergerichte zum ORG behielten die drei Senate zunächst den Sitz ihrer Vorgängergerichte bei. Mit rückläufiger Arbeitsbelastung wurde im Jahr 1961 der Sitz des 3. und im Jahr 1968 der Sitz des 1. Senats nach Herford verlegt. Mit der Verlegung des Sitzes des ORG nach München im November 1984 urteilten alle 3 Senate in München. Mit dem Gesetz zur Überleitung der Zuständigkeit der Obersten Rückerstattungsgerichte auf den BGH vom 17. Dezember 1990 (BGBl. 1990 I S. 2862) wurde das ORG aufgelöst.

Bestandsbeschreibung

Bestandsgeschichte

Der Bestand B 215 Oberstes Rückerstattungsgericht umfasst Unterlagen mit einer Laufzeit von 1950-1990, welche in den Jahren 1977, 1984, 1987 und 1991 an das BArch abgegeben wurden. Die Unterlagen bestehen aus General-, Verfahrens- und Personalakten sowie Entscheidungssammlungen, Verfahrensregister und Karteifindmittel der einzelnen Senate des Gerichts. Es existieren Abgabelisten, die zu zwei sich nur durch einige handschriftliche Vermerke unterscheidenden „Findbüchern" zusammengefasst sind. Die einzelnen Aufbewahrungseinheiten sind nicht vorsigniert.

Archivische Bewertung und Bearbeitung

Der Bestand besteht zu einem kleinen Teil aus den Verwaltungsakten des ORG und zum großen Teil aus den Verfahrensakten der drei Senate ORG bzw. seiner Rechtsvorgänger in Rastatt, Herford und Nürnberg. Abgegeben wurden Verwaltungsakten des Präsidenten, des Präsidiums (v.a. Protokolle der Präsidiumssitzungen sowie Beschlüsse des Präsidiums im Umlaufverfahren), der Geschäftsstellen der drei Senate, Personalakten sowie die jährlich erstellten Tätigkeitsberichte des ORG sowie Organisations- und Stellenpläne. Während die Richterhandakten und die originären Unterlagen der Verfahren nach dem Baden-Badener Abkommen nach Präsidiumsbeschluss vom ORG vernichtet wurden, sind die Prozessakten der drei Vorgängereinrichtungen in Rastatt, Herford und Nürnberg sowie die Prozessakten der drei Senate des ORG überliefert. Ebenso ins Bundesarchiv gelangten die Unterlagen, die in der Geschäftsstelle des 2. Senats in der Durchführung des sogenannten Baden-Badener Verfahrens angelegt wurden.

Der Bestand blieb zunächst gänzlich unbearbeitet. Im Jahr 2012 wurde mit der Bearbeitung begonnen. Die Bewertung und Erschließung der Verwaltunsakten ist mittlerweile abgeschlossen, ebenso die Erschließung der Verfahren nach dem sogenannten Baden-Badener Abkommen. Die Verwaltungsakten wurden insofern mit A bewertet, als sie sie die Konstituierung und Funktionsweise des ORG als internationales Gericht dokumentieren. Die Verfahren gemäß dem Baden-Badener Abkommen wurden aufgrund der darin nachvollziehbaren richterlichen Entscheidungsfindung in ihrer Gänze mit A bewertet. Anhand eines Bewertungsmodells und einer Handreichung zur Erschließung von Verfahrensakten des Best. B 215 ist die Bewertung und Erschließung der Verfahrensakten des ORG und seiner Vorgängergerichte momentan in Bearbeitung.

Inhaltliche Charakterisierung

Verwaltungsakten (Unterlagen des Präsidenten, des Präsidiums, der Geschäftsstellen der 3 Senate, Personalakten, Tätigkeitsberichte, Organisations- und Stellenpläne)

Prozessakten der drei Vorgängergerichte in Rastatt, Herford und Nürnberg; Prozessakten der drei Senate; Die in der Geschäftsstelle des 2. Senats aufbewahrten Unterlagen, die in Durchführung des sogenannten Baden-Badener Abkommens entstanden sind.

Erschließungszustand

Bewertung und Erschließung der Verwaltungsakten sowie der Verfahren nach dem sogenannten Baden-Badener Abkommen ist abgeschlossen. Bewertung und Erschließung der Prozessakten nach Bewertungsmodell und Verzeichnungshandreichung in Bearbeitung.

Vorarchivische Ordnung

Die Prozessakten sind erschlossen durch vom ORG bzw. seinen Vorgängern angelegten (Namens)Karteien und diversen Registern.

Zitierweise

BArch B 215/...

Conditions Governing Access

Besondere Benutzungsbedingungen

60-Jahres-Schutzfrist für sämtliche Verfahrensakten. D.h. für die Prozessakten der drei Senate und ihrer Rechtsvorgänger sowie die Unterlagen, die im Zuge des sogenannten Baden-Badener Abkommens entstanden sind.

Related Units of Description

  • Amtliche Druckschriften

  • Ausgewählte Entscheidungen des Obersten Rückerstattungsgerichts. Zweiter Senat (Herford/ Westf.). Bde. I-IX, [1955]-1976.- Entscheidungen des Board of Review. Hrsg. vom Obersten Rückerstattungsgericht für die Britische Zone, Bde. 1-21, 1950-1954.- Entscheidungen des Obergerichts für Rückerstattungssachen in Rastatt. Hrsg. von der Staatsanwaltschaft beim Obergericht für Rückerstattung in Rastatt, Bd. 1-2, Jahrgänge 1951-1955.- Entscheidungen des Obersten Rückerstattungsgerichts für die Britische Zone, Bde. 1-5, 1954-1955.- Fundheft aller bis zum 31. Mai 1960 erlassenen Entscheidungen (Oberstes Rückerstattungsgericht - Zweiter Senat).- Gesetzgebung der ehemaligen französischen Besatzungszone Deutschlands über die Rückerstattung entzogener Vermögensobjekte. Hrsg. vom Obersten Rückerstattungsgericht Rastatt, 1955.- Gesetzgebung zur Rückerstattung. Hrsg. vom Obersten Rückerstattungsgericht für die Britische Zone, [1951].- Oberstes Rückerstattungsgericht. Entscheidungen. Dritter Senat (bis Bd. 6 u.d.T. Court of Restitution Appeals Reports). Bde. 1-15, 1951-1990.- Sammelindex zu den Entscheidungen des Board of Review. Entscheidungen bis März 1953. Hrsg. vom Obersten Rückerstattungsgericht für die Britische Zone.- Sammelindex zu den Entscheidungen des Board of Review und des Obersten Rückerstattungsgerichts für die Britische Zone, [1955].

  • Literatur

  • Marsden, Edward A.: Das Oberste Rückerstattungsgericht in Herford, in: Friedrich Biella (u.a.): Das Bundesrückerstattungsgesetz, München 1981 (Die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts durch die BRD, Bd. 2), S. 611-682.

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