Dienststellen und Einheiten der Landespolizei unter dem Befehl des Heeres
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Schriftgut
209 Aufbewahrungseinheiten
6,4 laufende Meter
Creator(s)
- Dienststellen und Einheiten der Landespolizei unter dem Befehl des Heeres, 1933-1945
Biographical History
Geschichte des Bestandsbildners
Die am 11. August 1919 in Weimar verabschiedete Verfassung des Deutschen Reiches sprach die Polizeihoheit den einzelnen Ländern zu, womit diese selbstständig über Organisation, Aufgaben, Dienstrecht und Einsatz ihrer jeweiligen Polizeitruppe entscheiden konnten. Dies hatte eine gewisse Heterogenität der Organisation zur Folge, wobei die Länder jedoch bemüht waren, eine grundlegende Einheitlichkeit zu erhalten: In der Regel fungierte das Ministerium des Innern als Zentralbehörde für die Polizei, zumeist über ein eigenes Polizei-Ressort. Unterhalb der Ministeriumsebene dienten die Regierungspräsidien (soweit vorhanden) als Landespolizeibehörden, darunter folgten dann wiederum die Amtsvorstände der Kreise (Landräte bzw. Oberämter in Württemberg oder Bezirksämter in Baden). In größeren Städten dienten Polizeipräsidien als Ortspolizeibehörden, in kleineren Städten die Polizeidirektionen oder Polizeiämter.
Unterhalb dieser Ebene war die Polizeiverwaltung in drei Tätigkeitsbereiche aufgeteilt:
1.Die Verwaltungspolizei umfasste Fremdenpolizei (zuständig für Pass- und Meldewesen), Verkehrspolizei, Gewerbepolizei, Gesundheitspolizei, Veterinärpolizei und Baupolizei)
2.Die Kriminal- und politische Polizei (zuständig für Fahndung, Aufklärung, Erkennung sowie Nachrichtenbeschaffung)
3.Die Ordnungs- bzw. Schutzpolizei: Diese ging hervor aus der 1918 zur Bekämpfung der revolutionären Unruhen eingerichteten kasernierten Sicherheitspolizei, die sich aus ehemaligen Soldaten und Freikorpsangehörigen zusammensetzte und auch über schwere Waffen verfügte. Auf Beschluss der Interalliierten Kontrollkommission (IMKK) vom 22. Juni 1920 („Polizeinote von Boulogne") musste diese jedoch aufgelöst werden. An ihre Stelle trat eine Ordnungspolizei (in einigen Ländern unter dem Namen Schutzpolizei), deren Operationsgebiet sich auf den jeweiligen Polizeibezirk beschränkte.
Das stark föderal ausgerichtete Polizeiwesen der Weimarer Republik erhielt einen ersten Schlag, als Reichskanzler Franz von Papen (1879-1969) am 14. Juli mit Hilfe einer präsidialen Notverordnung die kommissarisch tätige Regierung Otto Brauns (1872-1955) in Preußen entmachtete und sich zum Reichskommissar für Preußen einsetzte („Preußenschlag"). Papen übergab daraufhin das preußische Innenministerium und damit die Verfügungsgewalt über die mit Abstand größte Landespolizei der Republik an den bisherigen Essener Oberbürgermeister Dr. Franz Bracht (1877-1933), der in einer ersten „Säuberungswelle" führende Polizeibeamte, die sich politisch auf Seiten der früheren Landesregierung exponiert hatten, entließ. Mit der Machtübernahme Hitlers am 30. Januar 1933 ging die kommissarische Leitung des preußischen Innenministeriums an den Reichsminister ohne Geschäftsbereich Hermann Göring (1893-1946), der nach der endgültigen Beseitigung der Regierung Braun den SS-Gruppenführer Kurt Daluege (1897-1946) zum „Kommissar zur besonderen Verwendung (z.b.V.)" machte und ihm die politische Säuberung der preußischen Polizei übertrug. Zudem stellte Göring per Erlass vom 22. Februar 1933 eine Hilfspolizei aus Mitgliedern von SA, SS und Stahlhelm zusammen, die, durch eine Armbinde gekennzeichnet, meist zum Schutz von Parteieinrichtungen eingesetzt wurden. Am Folgetag ordnete Göring darüber hinaus die Aufstellung einer kasernierten, schwer bewaffneten Polizeiabteilung an, die zunächst nach ihrem ersten Kommandeur, dem Polizeimajor Walther Wecke, „Polizeiabteilung Wecke z.b.V." benannt wurde; ab dem 22. Dezember 1933 firmierte sie als „Landespolizei-Gruppe General Göring".
Nach dem Reichstagsbrand am 28. Februar 1933 unterzeichnete Reichspräsident Hindenburg die „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat", auf deren Basis Reichsinnenminister Dr. Wilhelm Frick (1877-1946) in allen deutschen Ländern nationalsozialistische Reichskommissare einsetzte, die ihm direkt unterstellt waren. In ihren Ländern begannen diese Reichskommissare ab März 1933 mit Aufstellung von Hilfspolizeien nach dem preußischen Vorbild sowie mit der politischen Säuberung der jeweiligen Polizeiapparate.
Mit einem Erlass vom 26. März 1933 verfügte Göring in seiner Funktion als preußischer Innenminister die Errichtung von sogenannten „Landespolizei-Inspektionen" (LPI) als zentrale Kommandostellen unter dem Befehl eines hohen Offiziers der Landespolizei. Die Aufteilung der LPI auf preußischem Staatsgebiet gestaltete sich wie folgt: Die LPI Ost (Königsberg) für die Provinzen Ostpreußen, Pommern und Brandenburg, die LPI Südost (Breslau) für die Provinzen Ober- und Niederschlesien, die LPI Brandenburg (Berlin) für Berlin und die Provinz Brandenburg, die LPI Mitteldeutschland (Halle) für Sachsen und den Regierungsbezirk Kassel, die LPI West (Recklinghausen) für Westfalen und das Rheinland sowie zwei "kleine LPI" in Hannover und Schleswig-Holstein.
Im Laufe des Jahres 1933 wurde auch die Landespolizei der übrigen deutschen Länder nach diesem Muster organisiert (z.B. wurden die Länder Baden und Württemberg zur LPI Süd (Stuttgart) zusammengefasst). Durch eine Verfügung des Reichsministers des Innern vom 15. November 1933 wurden einige LPI zu sogenannten „Reichs-Zwischenbefehlsstellen" (RZB) gemacht: die RZB Frankfurt a. M. für Hessen und Thüringen, die RZB Stettin für Mecklenburg und Lübeck, die RZB Magdeburg für Anhalt, Braunschweig und Oldenburg sowie die RZB Stuttgart für Württemberg und Baden. Zusammen mit den in Bayern, Sachsen und Hamburg eingerichteten „Landesbefehlsstellen" waren diese Dienststellen für die „truppenmäßige Ausbildung" und die Mobilmachungsvorbereitungen der Landespolizei zuständig.
Mit dem „Gesetz über den Neuaufbau des Reiches" vom 30. Jan. 1934 gingen sämtliche Hoheitsrechte der deutschen Länder, einschließlich der Polizeihoheit, auf das Reich über. Um die preußische Landespolizei der Befehlsgewalt des Reichsinnenministers Frick zu entziehen, übernahm daraufhin Göring mit Erlass vom 9. März 1934 deren Leitung, wobei er die Dienstgeschäfte dem zum „Chef der Schutzpolizei" ernannten General der Landespolizei Daluege übergab. Mit der Vereinigung des Preußischen Ministeriums des Innern mit dem Reichsinnenministerium trat der Befehlshaber der Landespolizei unter dessen Oberhoheit; sein Stab firmierte als „Reichsstab der Landespolizei".
Unterdessen setzte sich die Militarisierung der Landespolizei konsequent fort: Die bereits im September 1933 verfügte Trennung der Landes- von der Revierpolizei wurde beschleunigt, kleinere Landespolizeien wurden miteinander verschmolzen oder ganz aufgelöst. Der Erlass des Reichsverteidigungsministers vom 8. Februar 1934 verfügte für den Kriegsfall die Unterstellung der Landespolizei unter das Heer, wobei jede LPI im Kriegsfall eine Landespolizei-Brigade (LPB) bildete: Die LPI Nord (Stettin) bildete die LPB 2, die LPI Hansa (Hamburg + Bremen) die LPB 20, die LPI Brandenburg (Berlin) die LPB 3, die LPI Südost (Breslau) die LPB 30 (ab 1. Nov.1934: LPB 8), die LPI Sachsen-Thüringen (Dresden) die LPB 4, die LPI Mitte (Magdeburg) die LPB 40, die LPI Südwest (Frankfurt a. M.) die LPB 5 (ab 1. Nov. 1934: LPB 9), die LPI Süd (Stuttgart, ab 1. Nov. 1935: Pforzheim) die LPB 50 (ab 1. Nov. 1934: LPB 5), die LPI West (Düsseldorf) die LPB 6 und die LPI Bayern (München) die LPB 7.
Als nächstgrößere Einheit unterhalb der LPI folgten die Landespolizei-Ausbildungsleitungen (im Mobilisierungs-Fall (Mob-Fall): Landespolizei-Regimenter), welche ab dem 1. Oktober 1934 reichsweit als Landespolizei-Gruppen (LPG) bezeichnet wurden. Hierauf folgte die Landespolizei-Abteilung (LPA, im Mob-Fall: Landespolizei-Bataillon), bestehend aus drei Landespolizei-Hundertschaften (im Mob-Fall: Landespolizei-Schützenkompanien) und einer verstärkten Landespolizei-Hundertschaft (im Mob-Fall: Landespolizei-Maschinengewehr-Kompanie mit 12 schweren Maschinengewehren (MG) sowie, in Grenzgebieten, 3 Panzerabwehrkanonen). Manche Einheiten verfügten zudem über „Kleine Landespolizei-Hundertschaften" (im Mob-Fall: Minenwerfer-Kompanien mit 6 leichten Minenwerfern), ab 1935 wurden darüber hinaus Landespolizei-Kraftfahr-Hundertschaften (im Mob-Fall: Panzerabwehr-Kompanien) sowie „Technische Landespolizei-Abteilungen" (im Mob-Fall: Pionier-Bataillone) geschaffen. Berittene Landespolizei-Abteilungen wurden teilweise motorisiert und bestanden als „Landespolizei-Abteilungen z.b.V." aus einer Reiter-Hundertschaft, die im Mob-Fall den Reiterzügen der Landespolizei-Regimenter zugewiesen wurde, sowie meist zwei Kradhundertschaften. Die Stationierung dieser Einheiten erfolgte zunächst sehr verstreut, da jegliche Zusammenlegung - die zum Zwecke der militärischen Ausbildung sehr erwünscht war - vor den Kontrollinstanzen der Siegermächte mit polizeilichen Argumenten gerechtfertigt werden musste. Aus diesem Grunde standen sämtliche Landespolizei-Einheiten zu diesem Zeitpunkt auch noch in den Etats der einzelnen Länder und trugen weiterhin ihre jeweilige Polizeiuniform.
Nach der Wiedereinführung der Allgemeinen Wehrpflicht wurde der Reichsstab der Landespolizei mit sämtlichen Landespolizei-Verbänden außerhalb der entmilitarisierten Zone (mit Ausnahme der Landespolizei-Gruppe General Göring) auf Anordnung Hitlers vom 21. März 1935 dem Chef der Heeresleitung unterstellt, welcher die LPI folgenden Wehrkreisen zuordnete: Die LPI Ost dem Wehrkreis I, die LPI Nord und Hansa dem Wehrkreis II, die LPI Brandenburg und die LPI Mitte dem Wehrkreis III, die LPI Sachsen-Thüringen dem Wehrkreis V, die LPI Bayern dem Wehrkreis VII und die LPI Südost dem Wehrkreis VIII.
Zum 1. Oktober 1935 erfolgte schließlich gemäß dem „Gesetz über die Eingliederung der Landespolizei in die Wehrmacht" vom 3. Juli 1935 die Integrierung folgender Landespolizei-Verbände in das Heer: 47 Landespolizei-Abteilungen, 6 Landespolizei-Schulen, 2 berittene Abteilungen, zwei nachrichtentechnische Abteilungen und eine Kradabteilung. Eine Ausnahme hiervon bildete wiederum die Landespolizei-Gruppe General Göring, welche der Luftwaffe angeschlossen wurde.
Die in der entmilitarisierten Zone befindlichen LPI West, Südwest und Süd blieben zunächst offiziell weiterhin dem Chef der Landespolizei unterstellt, tatsächlich erhielten sie ihre Anweisungen jedoch bereits von den als „Kreisbehörden" firmierenden Wehrkreiskommandos, eine Tarnmaßnahme, die mit der Besetzung der entmilitarisierten Zone am 7. März 1936 ihr Ende fand. Mit Verfügung des Reichskriegsministers und Oberbefehlshabers der Wehrmacht vom 8. März 1936 wurde die gesamte Landespolizei dem Oberbefehlshaber des Heeres unterstellt; ihre Verbände übernahmen die Einheitenbezeichnungen des Heeres und ihre Angehörigen hatten ab sofort die Uniform und Hoheitszeichen desselben zu tragen. Die Eingliederung der Landespolizei ins Heer wurde zum 1. April 1936 durchgeführt.
Scope and Content
Geschichte des Bestandsbildners
Der Bestand setzt sich aus folgenden Abgaben zusammen:
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Abgaben des Bayerischen Hauptstaatsarchivs - Abt. Kriegsarchiv - 1955, 1965, 1966
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Rückgabe USA 1961 (Wehrkreiskommandos)
Bestandsbeschreibung
In das Bundesarchiv ist überwiegend Schriftgut der Landespolizei-Inspektion Südwest gelangt, die u.a. das Vorgehen gegen die SA im Anschluss an die so genannte Röhm-Affäre des 30. Juni 1934, die Rheinlandbesetzung 1936, die Grenzsicherung im Westen, die Pläne zur Verwendung der Landespolizei im Kriegsfalle und ihre Mobilmachungsvorbereitungen belegen. Außerdem ist Material über Ausbildung, Ausrüstung und Personalangelegenheiten vorhanden. Weiter sind die Landespolizei-Inspektionen Bayern, Brandenburg und Süd, die Landespolizei-Gruppen Koblenz, Mannheim und München sowie die Landespolizei-Abteilungen Darmstadt, Erfurt, Hanau, Kassel, Mainz, München, Potsdam, Wetzlar, Speyer und Wiesbaden vertreten.
Erschliessungszustand
vollständig erschlossen
Zitierweise
BArch RH 57/...