Generalstaatsanwaltschaft bei dem Landgericht - Verfahren 1933 - 1945

Identifier
A Rep. 358-02
Language of Description
German
Source
EHRI Partner

Scope and Content

Vorwort

A Rep. 358-02 Generalstaatsanwaltschaft bei dem Landgericht - Verfahren 1933 - 1945

1. Behördengeschichte

Durch das Reichsgerichtsverfassungsgesetz von 1879 wurde beim Landgericht Berlin als oberste Behörde für die Strafverfolgung und Strafvollstreckung die Stelle eines Ersten Staatsanwaltes eingerichtet. 1921 trat an die Spitze der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht I - in Abweichung vom übrigen rechtseinheitlichen Brauch - ein Generalstaatsanwalt. 1933 wurden die Staatsanwaltschaften der Landgerichte I, II und III zur "Staatsanwaltschaft Berlin" vereinigt.
Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin hatte folgende Aufgaben: Vertretung der Anklage in der Hauptverhandlung, Begleitung der Verfahren von den Ermittlungen bis zur Strafvollstreckung und zum Gnadenverfahren, Erlassung von Haftbefehlen (seit 1944), Anfechtung von Urteilen durch Nichtigkeitsbeschwerden für den Landgerichtsbezirk Berlin. Dieser umfasste die Stadt Berlin, den Landkreis Niederbarnim, Teile der Landkreise Beeskow-Storkow, Jüterbog-Luckenwalde, Oberbarnim, Osthavelland, Westhavelland und Teltow. Die Staatsanwaltschaften waren von den Gerichten unabhängig. Dienstaufsichtsbehörde für alle Staatsanwaltschaften der Provinz war bis 1945 der Generalstaatsanwalt bei dem Kammergericht Berlin.

2. Bestandsgeschichte

Ein Großteil der Akten der Staatsanwaltschaft Berlin gelangte Mitte der 1950er (Acc. 399) und Anfang der 1990er Jahre (Acc. 4005) des zwanzigsten Jahrhunderts in das Landesarchiv Berlin. Im Sommer 2001 übergab das Brandenburgische Landeshauptarchiv im Rahmen eines Beständeaustausches die dort unter der Repositur Pr.Br.Rep. 12 B geführte Überlieferung der Staatsanwaltschaften bei den Landgerichten I - III.
Der Hauptbestand enthält die Generalakten und Registerbände der Behörde und hat kriegsbedingte Lücken. Die Straf- und Ermittlungsakten befinden sich in den Teilbeständen A Rep. 358-01 Generalstaatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin 1919 - 1933 (ehemalige Acc. 399) und A Rep. 358-02 Generalstaatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin 1933 - 1945 (ehemalige Acc. 4005).

Im Bestand A Rep 358-02 ‚Generalstaatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin' sind die nicht durch Kriegseinwirkung vernichteten Unterlagen einer Justizbehörde vollständig in ein Archiv übernommen worden. Damit verwahrt das Landesarchiv Berlin einen der größten Justizbestände aus der NS-Zeit in Deutschland. Er enthält sowohl Ermittlungs- als auch Hauptverfahren, außerdem sind 1850 Registerbände der verschiedenen Geschäftsstellen der Staatsanwaltschaft überliefert, die im Hauptbestand A Rep. 358 verwahrt werden.

Das Landgericht Berlin war das größte Gericht seiner Art im Deutschen Reich. Berlins Rolle als Reichshauptstadt, Verwaltungsmetropole, als wirtschaftliches Zentrum und sozialer Brennpunkt spiegelt sich in den staatsanwaltlichen Akten des, die in ihrer Vielschichtigkeit die ganze Bandbreite justizieller Tätigkeit in der NS-Zeit abdecken. Der Umfang der einzelnen
Akte reicht von einem dünnen Umschlag mit Anklageschrift oder Urteil bis zu ganzen Serien mit bisweilen zwanzig Aktenbänden mit mehreren 100 Blatt für einen einzigen Prozess, in dem ganze Gruppen von Angeklagten erscheinen. Die Akten der Generalstaatsanwaltschaft beim Landgericht enthalten in den Untersuchungsberichten, in Vernehmungsprotokollen und den Schriftsätzen der Verteidiger einzigartige Angaben über die soziale Realität der NS-Zeit, wie das in vergleichbarer Dichte und Detailtreue keine andere Aktenüberlieferung bieten kann. Aus Urteilen, Strafbemessung und anderen Aspekte der Rechtspraxis lässt sich - zusätzlich zu verfügbaren Überlieferungen der Gefängnisse, Zuchthäuser, Heilanstalten, Konzentrationslager und Vernichtungslager - erkennen, in welchem Ansatz die Justiz den Terror mitgestaltete, indem sie mitwirkte politische "Feinde" zu definieren und sie zu bekämpfen bis hin zur Vernichtung.
Die besondere Bedeutung dieser Akten liegt aber nicht allein darin, dass sie in bemerkenswerter Dichte Aufschluss geben über Amtshandlungen des Polizei- und Justizapparats.
Jede Fallakte dokumentiert menschliche Schicksale von den berüchtigten Bereichen der Verfolgung bis hin zu Details des Alltags im Nationalsozialismus: die Kriegssituation, das Leben in der Großstadt, die Zeit in der Fremde. Sie bezeugen Teile von Lebensläufen, die im "Dritten Reich" ihr Ende fanden, ohne andernorts schriftliche Spuren zu hinterlassen. Diese
Überlieferung ist ein Denkmal für Tausende von Opfern, und sie ist es besonders wegen des großen Anteils von unspektakulären, alltäglichen, scheinbar bedeutungslosen Einzelfällen. Manche Akten enthalten singuläre Privatfotos und -dokumente, die bewegen.

Um eine schnelle Benutzbarkeit des Bestands zu erreichen, waren die Akten nach der Übernahme 1994/95 nur mit den notwendigsten Angaben wie staatsanwaltlichem Aktenzeichen und Archivsignatur in einem Textverarbeitungssystem erfasst worden. Fehlende Personalausstattung machte dem Archiv die endgültige Erfassung derartiger Datenmengen unmöglich, so dass die ebenfalls überlieferten Registerbände der Staatsanwaltschaft zunächst das einzige, wenn auch kompliziert zu handhabende Findhilfsmittel bildeten. Für die Recherche nach Personennamen oder Opfergruppen erwies sich diese Form des Zugangs als unzureichend.

In einem gemeinsamen Projekt haben das Landesarchiv Berlin und das United States Holocaust Memorial Museum (USHMM) die Grundlagen für die vollständige Erschließung dieses Bestands erarbeitet. Die Benutzung erfolgt jetzt über die Augias-Datenbank, in der Grunddaten wie Namen der Hauptangeklagten, Tatvorwurf und Paragraphen nach Strafgesetzbuch (StGB) zusammen mit aktentechnischen Angaben (Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft, Laufzeiten und Archivsignaturen) erfasst sind.

Kern der Verzeichnung ist ein Katalog von 12 NS-Opfergruppen bzw. -kennzeichen, die im Bemerkungsfeld erfasst sind:
o Bibelforscher
o Deserteure
o Homosexuelle
o Juden
o Politisch Verfolgte
o Sinti u. Roma
o Ausländer
o Gewohnheitsverbrecher
o Sicherungsverwahrung
o Heil- u. Pflegeanstalten
o Euthanasie
o Kastration
o Asoziale

In der Bemerkungsspalte sind zusätzlich besondere Tatsachen erfasst wie:
o Einweisung in ein KZ
o Vorgänge nach 1945
o Fotos
o Dokumente (Briefe)
o Dreidimensionale Objekte, Asservate.

Bei dieser Erfassung musste über die Grunddaten hinaus in der Regel die ganze Akte durchgesehen werden. Nur so konnten die im Tatvorwurf enthaltenen Begleitumstände (auslösende Situationen, Beteiligte, soziales Umfeld) erkannt und eingeordnet werden. Nachdem der Bestand erschlossen ist, wird deutlich, wie viele Fälle von NS-bedingter Verfolgung in der ordentlichen Gerichtsbarkeit verhandelt wurden. Und dabei ist der Komplex der Berliner Sondergerichte nicht berücksichtigt, der aus der Überlieferung der Generalstaatsanwaltschaft herausgelöst worden ist. Die noch erhaltenen Akten derjenigen Verfahren, bei denen ein Urteil durch die Sondergerichte I - IX erfolgte, befinden sich seit 2011 im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam (BLHA) im dortigen Bestand Pr.R.Rep. 12 C Staatsanwaltschaft beim Sondergericht II.

Zum angemessenen Verständnis der direkt Holocaust-relevanten Akten und des Kontexts justizieller Verfolgung ist es unerlässlich, den Bestand vollständig wahrzunehmen. Die entstandene Datenbank ist somit nicht nur ein archivarisches Findmittel, sondern vielmehr eine Basis für die Erstellung von virtuellen Gedenkbüchern für einzelne Opfergruppen.


Der Bestand enthält 138519 Akten und umfasst 1334,06 lfm. Die Laufzeit reicht von (1918 -) 1931 - 1948 (- 1972).

Die Unterlagen sind auf Grund der archivgesetzlichen Bestimmungen nach § 9 Abs. 2 und 3 Archivgesetz Berlin (ArchGB) vom 26. März 2016 für die Benutzung gesperrt. Nach § 9 Abs. 4 ArchGB kann eine Verkürzung der Schutzfristen auf schriftlichen Antrag erfolgen. Dazu bedarf es der besonderen Zustimmung des Landesarchivs Berlin.

3. Korrespondierende Bestände

LAB A Rep. 358 Generalstaatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin
LAB A Rep. 358-01 Generalstaatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin 1919 - 1933
LAB A Rep. 365 Frauengefängnis Barnimstraße
LAB A Rep. 369 Strafgefängnis Berlin-Plötzensee
LAB A Rep. 370 Strafgefängnis Berlin-Tegel
LAB A Rep. 380 Kriminalbiologische Forschungs- und Sammelstellen
GSTA I. HA Rep. 84a Preußisches Justizministerium
GSTA I. HA Rep. 97 Kammergericht
BLHA Rep. 4 A Kammergericht Berlin
BLHA Rep. 12 c Staatsanwalt bei dem Sondergericht Berlin
BArch R 3001 Reichsjustizministerium
BArch R 3012 Reichsjustizprüfungsamt
BArch R 3016 Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof

4. Literatur- und Quellenverzeichnis

Grape, Andreas: Die Erschließung von Massenschriftgut der Justiz am Beispiel des Bestandes Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin. Diplomarbeit, Berlin 1997.

Schwarz, Alfons: Rechtssprechung durch Sondergerichte. Zur Theorie und Praxis im Nationalsozialismus am Beispiel des Sondergerichtes Berlin, o. O. 1992.

Deutsches Fahndungsbuch, hrsg. vom Reichskriminalpolizeiamt in Berlin, Berlin, Erscheinungsdatum: 1938-1945, Deutsche Bibliothek Leipzig



Berlin, im Juli 2016/Januar 2021 Bianca Welzing-Bräutigam

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