Sammlung Dokumentations-Arbeitsgemeinschaft und Freundeskreis KLV (Erweiterte Kinder-Land-Verschickung) e.V.
Web Source
Extent and Medium
Sammlung
142 Aufbewahrungseinheiten
Creator(s)
- Dokumentations-Arbeitsgemeinschaft und Freundeskreis Kinderlandverschickung e.V. (Arbeitsgemeinschaft KLV), 1940-2009
Scope and Content
Geschichte des Bestandsbildners
In einem streng vertraulichen Rundschreiben vom 27. Sept. 1940 teilte der Stabsleiter des Stellvertreters des Führers und Reichsleiter der NSDAP, Martin Bormann, den Gauleitern der NSDAP u. a. mit:
"Der Führer hat angeordnet, daß die Jugend aus Gebieten, die immer wieder nächtliche Luftalarme haben, auf der Grundlage der Freiwilligkeit in die übrigen Gebiete des Reiches geschickt wird. [...] Mit der Durchführung dieser Maßnahme hat der Führer Reichsleiter Baldur von Schirach beauftragt, zu dessen Unterstützung insbesondere die NSV, die Hitler-Jugend und der NS-Lehrerbund tätig sein werden." [1]
Der vormalige Reichsjugendführer der NSDAP und Jugendführer des Deutschen Reiches, von Schirach, war am 7. Aug. 1940 unter Beibehaltung seines Amtes als Reichsleiter für die Jugenderziehung der NSDAP zum Beauftragten des Führers für die Inspektion der Hitler-Jugend und zum Reichsstatthalter und Gauleiter des Gaues Wien der NSDAP ernannt worden.
Im Hinblick auf die Spitzenorganisation der Erweiterten Kinderlandverschickung in den Jahren 1940 bis 1945 lassen sich die folgenden z. T. zeitlich parallel verwendeten Behördenfirmen unterscheiden:
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Dienststelle Reichsleiter von Schirach;
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Der Beauftragte des Führers für die Inspektion der Hitler-Jugennd und Reichsleiter für die Jugenderziehung der NSDAP, Dienststelle Kinderlandverschickung;
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Der Beauftragte des Führers für die Erweiterte Kinderlandverschickung (KLV).
Im Gesamtrahmen der Erweiterten Kinderlandverschickung übertrug Reichsleiter von Schirach die Evakuierung und Familienunterbringung (Familienpflegestellen) von Müttern mit Kleinkindern und von sechs- bis zehnjährigen Kindern der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt e. V. (NSV), während die ihm unterstellte Dienststelle KLV in der Reichsjugendführung der NSDAP mit ihren regionalen und lokalen Untergliederungen die Verschickung von zehn- bis vierzehnjährigen Mädchen und Jungen und ihre Unterbringung in Gemeinschaftslagern, in den KLV-Hauptlagern und -Lagern, organisierte.
Für die von der NSV unter Mitwirkung der HJ geleiteten Transporte stellte das Reichsverkehrsministerium Sonderzüge der Reichsbahn bereit. Die Verpflegung der sechs- bis zehnjährigen Kinder erfolgte in den Aufnahmefamilien, für die Verpflegung in den Lagern war die Dienststelle KLV in der Reichsjugendführung der NSDAP zuständig. Die gesundheitliche Betreuung in den Lagern leisteten ortsansässige Ärzte nach Anweisungen des Reichsgesundheitsführers. Die Lagerführung übernahmen Schulleiter, die vom Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) dazu bestimmt wurden; ihnen wurden HJ-Führer beigegeben, die für den HJ-Dienst in den Lagern nach Richtlinien der Reichsjugendführung der NSDAP verantwortlich waren. Die weltanschauliche Schulung und kulturelle Betreuung regelten die Reichsjugendführung der NSDAP und weitere Parteieinrichtungen. Die in Familien untergebrachten sechs- bis zehnjährigen Kinder wurden unter staatlicher Schulaufsicht in Schulen der Aufnahmeorte, die zehn- bis vierzehnjährigen Kinder in den Lagern schulisch unterrichtet; die schulische Betreuung in den Lagern einschließlich der Lehrkräftezuweisung und der Lehrstoffestlegung oblag dem NSLB. Der Reichsschatzmeister der NSDAP leitete die ihm vom Reichsminister der Finanzen zentral zur Verfügung gestellten Reichsmittel zur Finanzierung der Erweiterten Kinderlandverschickung - vom 5. Okt. 1940 bis zum 26. März 1945 1,25 Milliarden RM - den beteiligten Dienststellen und Organisationen zu. [2]
Zur Anzahl der Teilnehmer an der Erweiterten Kinderlandverschickung im Zeitraum von Okt. 1940 bis 1945 liegen nur ungesicherte Erkenntnisse vor; die Schätzungen schwanken zwischen 800 000 und 5 Millionen. [3]
Die von Gerhard Dabel, einem ehemaligen Hauptbannführer in der Reichsjugendführung der NSDAP und Angehörigen der Dienststelle KLV in der Reichsjugendführung der NSDAP, initiierte Dokumentations-Arbeitsgemeinschaft und Freundeskreis KLV (Erweiterte Kinder-Land-Verschickung) e. V., Freiburg i. Br., nachmals Bochum, forderte in den Jahren 1976 bis 1981 mehrere hundert frühere KLV-Funktionsträger und -Teilnehmer auf dem Wege überregionaler Rundschreiben, Zeitungsinserate, Aufrufe etc. systematisch zur Einsendung von Materialien über Entstehung, Organisation und Aufgabenwahrnehmung der Erweiterten Kinderlandverschickung auf. Die auf diese Weise gesammelten zeitgenössischen und nichtzeitgenössischen Erlebnis- und Erinnerungsberichte, Tagebücher, Korrespondenzen, Druckschriften, Periodika, Photos, Presseberichte u. ä. m. sind die Ausgangsmaterialien der Publikation: KLV. Die erweiterte Kinder-Land-Verschickung. KLV-Lager 1940 - 1945. Dokumentation über den "Größten soziologischen Versuch aller Zeiten", zusammengestellt und bearbeitet von Gerhard Dabel im Auftrag der Dokumentations-Arbeitsgemeinschaft KLV e. V., Freiburg i. Br. 1981 (Bundesarchiv, Dienstbibliothek, Signatur D IV d 701).
[1] Vorschriftenhandbuch der Hitler-Jugend (VHB.HJ), 1. Ausgabe vom 1. Jan. 1942, Bd. IV, Gruppe 27-35. Mit einem Nachtrag bis zum 1. Sept. 1943, hrsg. von der Reichsjugendführung, Berlin o. J. (1943), S. 3113. BArch NSD 43/3-4. S. a. die Aktennotiz des Staatssekretärs des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Zschintzsch, vom 27. Sept. 1940. BArch R 4901/203, fol. 155.
[2] Zu den vorangehenden Ausführungen s. die Durchführungsanweisung vom 2. Okt. 1940 und das Rundschreiben Nr. 7/40 vom 4. Nov. 1940 des Beauftragten des Führers für die Inspektion der HJ und Reichsleiters für die Jugenderziehung der NSDAP, von Schirach, an die Reichsjugendführung, das Hauptamt für Volkswohlfahrt, die Reichswaltung des NSLB u. a., BArch R 2/11914, und den Vermerk des Ministerialrats im Reichsfinanzministerium, Schmidt-Schwarzenberg, vom 23. März 1945, BArch R 2/11915.
[3] S. Jost Hermand, Als Pimpf in Polen. Erweiterte Kinderlandverschickung 1940 - 1945, Frankfurt/M. 1993, S. 9 und 135, Anm. 4.
Bearbeitungshinweis
Amtsdruckschriften, Photos und Tonträger wurden bei der Ordnung und Verzeichnung des Bestandes ZSg. 140 ausgesondert und den Beständen der Sammlung amtlicher Druckschriften im Bundesarchiv bzw. der für die Bild- und die Tonträgerarchivierung zuständigen Organisationseinheit des Bundesarchivs zugeführt.
Bestandsbeschreibung
Das Schriftgut der Reichsjugendführung der NSDAP ist während des Krieges nahezu ausnahmslos vernichtet worden. Im Gegensatz zu einigen amtlichen Druckschriften, die Aufschluß zur Organisation und zur Durchführung der Erweiterten Kinderlandverschickung geben, sind Akten der Spitzenorganisation der Erweiterten Kinderlandverschickung und der Dienststelle KLV in der Reichsjugendführung der NSDAP nicht ins Bundesarchiv gelangt; nur fragmentarischen Charakter haben einschlägige Unterlagen der Bundesarchiv-Bestände Hitler-Jugend (Bestandssignatur NS 28), Hauptamt für Volkswohlfahrt der NSDAP/Reichswaltung der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt e. V. (NS 37), Hauptamt für Erzieher/Reichswaltung des Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NS 12), Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (R 4901), Reichsfinanzministerium (R 2), Reichsschatzmeister der NSDAP (NS 1), Partei-Kanzlei der NSDAP (NS 6), und Deutscher Gemeindetag (R 36).
Angesichts dieser Überlieferungslage erwarb das Bundesarchiv im Juni 1980 sämtliche von der Dokumentations-Arbeitsgemeinschaft und Freundeskreis KLV (Erweiterte Kinder-Land-Verschickung) e. V. zusammengetragene Materialien, die - im Anschluß an die Buchveröffentlichung - im Zeitraum von 1981 bis 1990 an das Bundesarchiv abgegeben wurden und hier im Bestand Sammlung Dokumentations-Arbeitsgemeinschaft und Freundeskreis KLV (Erweiterte Kinder-Land-Verschickung) e. V. (ZSg. 140) formiert sind.
Inhaltliche Charakterisierung
Neben den zur Vorbereitung der Publikation verwerteten Unterlagen enthält der Bestand auch die Arbeitsunterlagen und Erschließungsmittel der Dokumentations-Arbeitsgemeinschaft und Freundeskreis KLV (Erweiterte Kinder-Land-Verschickung) e. V.: die Korrespondenz, die Namenskartei zu den ausgewerteten Einsendungen, die Einsenderkartei, das Manuskript und die Korrekturabzüge der Publikation wie auch Satzungen, Protokolle, Rundbriefe und Mitteilungen des Vereins.
Erschließungszustand
Findbuch (1995)
Zitierweise
BArch ZSG 140/...