Deutsche Polizeidienststellen in der Slowakei

Identifier
R 70-SLOWAKEI
Language of Description
German
Dates
1 Jan 1938 - 31 Dec 1944
Level of Description
Collection
Languages
  • German
Source
EHRI Partner

Extent and Medium

Schriftgut

374 Aufbewahrungseinheiten

Creator(s)

Biographical History

Geschichte des Bestandsbildners

Nach der Unterzeichnung des Münchener Abkommens und der Autonomiegewährung für die Slowakei am 6. Oktober 1938 versuchten zahlreiche deutsche Reichsstellen ihren Einfluß in der Slowakei geltend zu machen (Jörg K. Hoensch, Grundzüge und Phasen der deutschen Slowakei-Politik im Zweiten Weltkrieg, in: Brandes, Detlef/Kural, Vaclav (Hg.), Der Weg in die Katastrophe. Deutsch-tschechoslowakische Beziehungen 1938-1947, Essen 1994.). Daran änderte sich auch nach der Proklamation der Souveränität der slowakischen Republik am 14. März 1939 nichts. Deutsche "Berater" und "Beauftragte" wurden in alle wichtigen Ministerien und Institutionen der Slowakei installiert. Sie waren dem Deutschen Gesandten in der Slowakei unterstellt.

Auf Befehl Heydrichs wurde im September 1939 eine Polizeikommission unter Leitung des Kriminaldirektors Vogt nach Preßburg entsandt, um der slowakischen Polizei bei der "Bekämpfung des politischen Verbrechertums" behilflich zu sein (Vgl. Kaiser, Johann, Die Politik des Dritten Reiches gegenüber der Slowakei 1939-1945. Ein Beitrag zur Erforschung der nationalsozialistischen Satellitenpolitik in Süsosteuropa, Bochum 1969, S.160). Anfang Februar 1940 war der Aufbau einer slowakischen Sicherheitspolizei nach deutschem Muster abgeschlossen. Die Kommission wurde aufgelöst. Lediglich Kriminalkommissar Franz Goltz blieb als Polizeiverbindungsoffizier bzw. später als Polizeiattaché bei der deutschen Gesandtschaft in Preßburg zurück.

Im August 1940 wurden in der Slowakei durch den Reichsführer-SS Berater für die Polizei, für die Hlinka-Garde sowie für die Bearbeitung der "Judenfrage" eingesetzt. Die Funktion des Polizeiberaters übernahm SS-Sturmbannführer Dr. Ludwig Hahn, dem die gesamte SD-Arbeit in der Slowakei unterstellt wurde. Die nachrichtendienstliche Durchdringung der Slowakei hatte schon früher von den in benachbarten Ländern etablierten SD-Dienststellen aus stattgefunden. Mit Errichtung der Dienststelle Hahn ergingen Weisungen des RSHA-Amtes VI des RSHA an die SD-LA Prag und Wien und die SD-Dienststelle Zlin, ihre mit Slowakei-Betreff angelegten Akten nach Preßburg zu überführen (BArch, R 70 Slowakei/301, S.82, in der Anordnung vom 17.09.1940 wird vermerkt, dass die "beim SD-LA Wien befindlichen Akten betreffend die Vorgänge vor der Errichtung der Slowakei, bzw. GR-Sachen" an das RSHA zu überführen sind, alle anderen grundsätzlich oder personell betreffende Vorgänge sollen zur weiteren Bearbeitung an die Dienststelle Hahn übergeben werden.). Die Zuständigkeit für das VM-Netz wurde ebenfalls übergeben (BArch, R 70 Slowakei/301, S.87, Niederschrift betr.: Übergabe der V-Männer des SD-LA Prag an den Sonderbeauftragten des RFSSuChdDtPol beim deutschen Gesandten in Prag, Reg.Rat Dr. Hahn, am 11. Okt. 1940.).

Die Zusammenarbeit der Dienststelle Hahn mit anderen deutschen und mit slowakischen Behörden erwies sich jedoch als so problematisch, dass die Auflösung dieser Dienststelle vom deutschen Auswärtigen Amt gefordert wurde (BArch, R 70 Slowakei/346, S.23.). Im Juni 1941 wurde die Dienststelle Hahn aufgelöst und die nachrichtendienstliche Arbeit dem SD-LA Wien/Abt. III D übertragen (BArch, R 70 Slowakei/301, S.112.). Unter strenger Geheimhaltung wurden neue Dienststellen mit ehrenamtlichen Mitarbeitern in der Slowakei aufgebaut (Außenstellen in der Provinz und Meldeköpfe in Preßburg).

1942 erfuhr die SD-Arbeit eine spürbare Intensivierung. Die Zusammenarbeit des SD mit deutschen Dienststellen in der Slowakei und mit der deutschen Volksgruppe, deren Nachrichtendienst vollständig dem SD unterstellt wurde, gestaltete sich im Sinne des SD zufrieden stellend (BArch, R 70 Slowakei/302, S. 1-7, Bericht betr.: SD-Arbeit in der Slowakei, o.D., vermutlich Mitte 1943.). Mit dem Beginn des slowakischen Nationalaufstandes Ende August 1944 erfolgte die Besetzung der Slowakei durch deutsche Truppen unter Leitung des Generals der Waffen-SS Gottlob Berger. Der "Deutsche Befehlshaber in der Slowakei" (nach Gottlob Berger, ab September 1944 SS-Obergruppenführer Hermann Höfle) wurde am 11. September 1944 als Höherer SS- und Polizeiführer in der Slowakei etabliert; ihm unterstanden in Personalunion die in der Slowakei eingesetzten Verbände der Wehrmacht, der Polizei und SS.

Die militärische Niederschlagung des Aufstandes wurde durch die Einsatzgruppe H unter SS-Obersturmbannführer Dr. Josef Witiska unterstützt. Er wurde im November 1944 zum Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in der Slowakei ernannt.

Die Einsatzgruppe H bestand aus 5 Kommandos: den Einsatzkommandos 13 und 14 und den zbV-Kommandos 15, 27 und 29 (Das Sonderkommando 7a, dessen Berichte im Bestand ebenfalls vorliegen, gehörte jedoch der Einsatzgruppe B an, vgl. Tönsmeyer, Tatjana, Die Einsatzgruppe H in der Slowakei, Sonderdruck aus: Finis mundi - Endzeiten und Weltenenden im östlichen Europa, Stuttgart 1998, S. 167-188.). Unter Leitung des SS-Hauptsturmführers Dr. Herbert Böhrsch, Referent der Abt. III B des SD-LA Wien, wurden in der Slowakei wieder SD-Dienststellen eingerichtet (BArch, R 70 Slowakei/302, S. 76.). Die Zuständigkeit des SD-LA Wien für die nachrichtendienstliche Überwachung der Slowakei wurde aufgehoben. Die SD-Berichterstattung über die Slowakei erfolgte bis zum Ende des Krieges wieder direkt aus Preßburg.

Scope and Content

Geschichte des Bestandsbildners

Archivische Bearbeitung

Die nachmals im Bestand R 70 Slowakei formierten Unterlagen wurden zusammen mit anderen Akten verschiedener SS- und Polizeidienststellen, die in den besetzten bzw. eingegliederten Gebieten tätig gewesen waren, im Jahr 1962 aus US-amerikanischem Gewahrsam an das Bundesarchiv übergeben. Vorliegenden archivarischen Arbeitsberichten aus den 70er Jahren, die sich jeweils auf eine kleinere Aktengruppe des Bestandes beziehen, ist zu entnehmen, dass der Bestand sporadisch bearbeitet wurde, ohne dass einer der Bearbeiter sich einen Gesamtüberblick verschaffen konnte. Die Unterlagen waren bei ihrer Übernahme ins Bundesarchiv in Stapel von losen Blättern abgelegt und nur teilweise in Mappen geordnet. Waren schon von den jeweils zuständigen SD-Stellen die Registraturen durch mehrmaligen Standort- und Kompetenzwechsel "durcheinander" gebracht worden (An manchen Dokumenten sind Registraturvermerke bzw. Aktenzeichen angebracht worden; die beabsichtigte Zuordnung bzw. Vorgangsbildung fand aber in der vorgesehenen Weise nicht mehr statt.), so scheint sich die Situation durch die Verfilmungsaktion in den USA und den damit verbundenen Ordnungsarbeiten noch verschärft zu haben.

Die Versuche, im Archiv eine provenienzbestimmte Ordnung wieder herzustellen, führten nicht zum Erfolg, so dass eine sachthematische Klassifikation vorgenommen werden mußte. Als erschwerend bei der jetzigen Verzeichnungsarbeit erwies es sich, dass die Ergebnisse früherer Bearbeitungsschritte: Kartei und oben erwähnte Arbeitsberichte, nur lückenhaft erhalten sind. Eine gültige Konkordanz zu den umsignierten Akten war nicht vorhanden, Bezüge auf kassierte Unterlagen, auf Fremdprovenienzen oder auf herausgelöste und anderen Beständen zugeführte Akten können nicht mehr nachvollzogen werden. Die Akten waren, bis auf 38 unverzeichnete Archivalieneinheiten, schon gelumbeckt. Dieser Ordnungszustand war bei der aktuellen Verzeichnungsarbeit zu akzeptieren. Die Verzeichnung lehnt sich an die vorhandene Kartei an, soweit die enthaltenen Informationen dies zulassen. Alle Bandfolgen wurden archivisch gebildet.

Bestandsbeschreibung

Lageberichte 1938-1945 (55), Beziehungen der Slowakei zum Deutschen Reich und anderen Staaten 1938-1945 (28), Organisation und Geschäftsverteilung 1938-1945 (16), Personalangelegenheiten 1939-1945 (15), Tagesablagen, slowakische Innenpolitik 1938-1945 (45), Hlinkabewegung 1938-1945, 1947 (12), Wirtschaft 1938-1945 (25), Kultur und Propaganda 1938-1945 (33), Volksgruppen in der Slowakei 1938-1945 (34), Judenverfolgung 1938-1945 (10), Widerstandsbewegung, Aufstand 1944, 1943-1945 (15), Überwachung von Personen, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen 1938-1945 (85).

Erschliessungszustand

Findbuch, Kartei, Findbuch 2003 (online)

Zitierweise

BArch R 70-SLOWAKEI/...

Related Units of Description

  • Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv

  • Zusätzlich sind folgende Bundesarchivbestände zu berücksichtigen: R 19 Hauptamt Ordnungspolizei, R 58 Reichssicherheitshauptamt, NS 19 Persönlicher Stab Reichsführer SS

  • Personenbezogene Unterlagen von Angehörigen der Polizeidienststellen und Einheiten sind in den Beständen des ehem. "Berlin Document Center" (R 9361) und des "NS-Archivs des Ministeriums der Staatssicherheit der DDR" (R 9355) zu ermitteln. Für eine Recherche in diesen Unterlagen stehen Datenbanken zur Verfügung, die über Namen, Vornamen und Geburtsdatum sowie provenienzbezogen abrufbar sind.

  • Literatur

  • Der Weg in die Katastrophe. Deutschtschechoslowakische Beziehungen 1938-1947, hg. v. Detlef Brandes u. Vaclav Kural, Essen 1994;

  • Brogiato, Heinz Peter: Tschechoslowakei - Tschechien - Slowakei: Literatur in westlichen Sprachen 1975-1995, Frankfurt (Main), Berlin 1997;

  • Europa unter dem Hakenkreuz. Die faschistische Okkupationspolitik in Österreich und der Tschechoslowakei (1938-1945), hg. v. Helma Kaden, Berlin 1988;

  • Kaiser, Johann: Die Politik des Dritten Reiches gegenüber der Slowakei 1939-1945. Ein Beitrag zur Erforschung der nationalsozialistischen Satellitenpolitik in Südosteuropa (Dissertation), Bochum 1969;

  • Kwiet, Konrad: Der Mord an Juden, Zigeunern und Partisanen. Zum Einsatz des Einsatzkommandos 14 der Sicherheitspolizei und des SD in der Slowakei 1944/45, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 1998;

  • Niznansky, Eduard: Die Deportation der Juden in der Zeit der autonomen Slowakei im November 1938, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 1998;

  • Tönsmeyer, Tatjana: Die Einsatzgruppe H in der Slowakei, in: Finis Mundi. Endzeiten und Weltenenden im östlichen Europa. Festschrift für Hans Lemberg zum 65. Geburtstag, hg. v. Joachim Hösler u. Wolfgang Kessler, Stuttgart 1998;

  • Venohr, Wolfgang: Aufstand für die Tschechoslowakei. Der slowakische Freiheitskampf von 1944, Hamburg 1969

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