Reichsministerium für Wiederaufbau

Identifier
R 3301
Language of Description
German
Level of Description
Collection
Languages
  • German
Source
EHRI Partner

Extent and Medium

Schriftgut

2299 Aufbewahrungseinheiten

Creator(s)

Biographical History

Geschichte des Bestandsbildners

Das Reichsministerium verdankt seine Entstehung vorwiegend parteipolitischen Rücksichten. Als die Deutsche Demokratische Partei am 02.10.1919 als Koalitionspartner wieder die Regierungsverantwortung übernahm, erhielt sie entsprechend Ihrer Stärke im Reichstag außer der Stellvertretung des Reichskanzlers drei Ministersitze, die im amtierenden Kabinett teils durch Neubildung bereitgestellt wurden. Die Folge war die Bildung eines neuen Reichsministeriums für Reparationsangelegenheiten. Am 21.10.1919 wurde Dr. Otto Gessler (21.10. bzw. 07.11.1919 - 26.03.1920 im Reichskabinett Gustav Bauer) zum ersten Reichsminister dieses Ressorts ernannt. Die Funktion übten weiterhin aus:

Dr. Walther Rathenau (28.05. - 25.10.1921 im 1. Reichskabinett Dr. Josef Wirth),

Dr. Heinrich Friedrich Albert (29.03. - 12.08.1923 im Reichskabinett Dr. Wilhelm

Cuno),

Robert Schmidt (13.08. - 29.11.1923 im 1. und 2. Reichskabinett Dr. Gustav Stresemann).

Durch Erlass des Reichspräsidenten vom 07.11.1919 (RGBl. S. 1875) wurde das Reichsministerium für Wiederaufbau zur Durchführung der dem Deutschen Reich durch den Friedensvertrag von Versailles (28.06.1919) auf wirtschaftlichem Gebiet auferlegten Verpflichtungen de iure errichtet. Eigentlich war es das Ministerium für Reparationsangelegenheiten, denn der Wiederaufbau galt den ehemaligen westlichen Kriegsgebieten außerhalb des Reiches.

Folgende Aufgaben wurden dem neuen Ministerium übertragen:

· die unmittelbare wirtschaftliche Wiedergutmachung (Teil VIII des Friedensvertrages),

· der Ausgleich von Forderungen und Schulden gegenüber den bisher feindlichen Staaten (Teil X Abschnitt 3 des Friedensvertrages),

· die Abwicklung der Liquidationen (Teil X Abschnitt 4 des Friedensvertrages),

· die Entschädigung der Auslands-, Kolonial- und verdrängten Deutschen,

· der Ausgleich der Kriegsschäden der deutschen Reedereien (See- und Binnenschifffahrt sowie Fischerei).

Diesem Aufgabenkreis war die Organisation des Ministeriums angepasst, die während der ganzen Dauer seines Bestehens kaum verändert wurde:

Abteilung A:

Wirtschaftliche Wiedergutmachung einschließlich des Wiederaufbaus der zerstörten Gebiete, insbesondere Rücklieferungen und Reparationslieferungen.

Abteilung B:

Liquidationen, Entschädigungen, Vorkriegsschulden.

Abteilung C:

Ablieferung von See- und Binnenschiffen; Kriegsschäden der See- und Binnenschifffahrt.

Abteilung C 1:

Ablieferung von Fischereifahrzeugen; Kriegsschäden der Seefischerei.

Abteilung D:

Personalangelegenheiten.

Abteilung E:

Finanzielle Angelegenheiten.

Abteilung F:

Juristische Angelegenheiten.

Generalreferat G:

Allgemeine Angelegenheiten und Angelegenheiten betreffend den Friedensvertrag.

Abteilung K:

Kolonialzentralverwaltung als Abwicklungsstelle des früheren Reichskolonialministeriums (seit 01.04.1920).

Zur Beratung in Fragen der wirtschaftlichen Wiedergutmachung stand dem Ministerium ein Beirat für Wiedergutmachungsfragen zur Seite. Dieser setzte sich aus Mitgliedern des Reichsrats und aus Vertretern der Reichstagsfraktionen und der interessierten Wirtschaftskreise zusammen. Die erste Sitzung hielt der Beirat am 26.04.1920 ab. Es folgten nur noch wenige weitere. Auch scheint die Bedeutung des Beirats nur gering gewesen zu sein.

Das Reichsministerium für Wiederaufbau stand während seines ganzen Daseins im Schatten des Auswärtigen Amtes und des Reichsfinanzministeriums, aus deren Aufgabengebieten gewisse Teile abgetrennt worden waren, um dem neuen Ressort eine Grundlage zu geben.

Auch durch die Hinzunahme der Abwicklungsaufgaben des mit Wirkung vom 01.04.1920 aufgelösten Reichskolonialministeriums wurde diese Grundlage nicht günstiger. Im Gegenteil, die Abhängigkeit vom Auswärtigen Amt, aus dem das Reichskolonialamt bzw. -ministerium erst 1907 hervorgegangen war, wurde noch fühlbarer. Es hing ganz wesentlich von der Persönlichkeit und der Amtsführung der Wiederaufbauminister ab, in welchem Maße sich das neue Ressort zwischen und neben den anderen Reichsministerien behaupten, seinen Platz ausbauen und damit seine Daseinsberechtigung beweisen konnte. Es ging letztlich darum, ob das Wiederaufbauministerium in dem für Deutschlands Schicksal so wichtigen Reparationsproblem eine führende Rolle übernehmen oder ob es in außenpolitischer Beziehung nur der "verlängerte Arm" des Auswärtigen Amtes, in finanzieller nur "ausführendes Organ" des Reichsfinanzministeriums sein sollte. Diese Aufgabe war nach dem ungünstigen, parteipolitisch bedingten Start des Wiederaufbauministeriums und seiner Stellung zwischen zwei Ministerien von überragendem Gewicht höchst schwierig.

Dementsprechend schwankte bei den jeweiligen Regierungsparteien die Wertschätzung des Wiederaufbauministeriums. Die Neigung einen Minister dafür zu repräsentieren war stets gering. So mußte das Ministerium in den 4 ½ Jahren seiner Existenz insgesamt drei Jahre lang ohne Minister auskommen.

Die Amtszeit von Gessler prägte dem Ministerium entscheidende Strukturen auf, die bis zuletzt beibehalten wurden. Die höchste politische Rolle spielte es unter Rathenau. Er erreichte in den beiden Protokollen des Wiesbadener Abkommens vom 06. und 07.10.1921 immerhin erstmals eine deutsch-französische Übereinstimmung über einen Plan für deutsche Sachlieferungen (Wiederaufbaumaterial) an Frankreich; diese Lieferungen waren zeitlich und wertmäßig begrenzt, nicht mehr wie bisher ungemessen. Für eine zentralisierte Ausführung der deutschen Reparationsleistungen wurden zwei große Organisationen in Deutschland und Frankreich vorgesehen.

Die tatsächliche Leitung des Reichsministeriums für Wiederaufbau lag von Anfang bis zum Ende im Wesentlichen in den Händen des einzigen Staatssekretärs Dr. Ing. E. h. Gustav Müller, dessen Verantwortung um so größer war, als das Ministerium meistens keinen Minister hatte.

Nach dem Abbruch des passiven Widerstandes im Ruhrkampf (26.09.1923) und der Stabilisierung der deutschen Währung (20.11.1923) beschloss die Reparationskommission am 29.11.1923, zwei internationale Sachverständigenausschüsse einzusetzen, um künftig Reparationszahlungen auf neuer Basis zu regeln. Die Vorschläge des Reichsministeriums für Wiederaufbau zur Neuregelung der Bearbeitung der bisher von ihm wahrgenommenen Angelegenheiten sollten seine weitere Existenz sichern. Im Gegensatz dazu traten das Auswärtige Amt und das Reichsfinanzministerium für die Auflösung des Wiederaufbauministeriums ein. Schließlich lieferten die seit der Schaffung der Rentenmark eingeleiteten Sparmaßnahmen innerhalb der Reichsverwaltung die Begründung für die Auflösung des Ministeriums. Durch die Verordnung des Reichspräsidenten vom 08.05.1924 (RGBl. I S. 443) wurde am 11.05.1924 das Ministerium, lange bevor der Dawes-Plan als Neuregelung des Reparationsproblems am 01.09.1924 wirksam wurde, aufgelöst.

Die Angelegenheiten des Reichsministeriums für Wiederaufbau übernahm fast ausschließlich das Reichsfinanzministerium, in dessen nachgeordnetem Geschäftsbereich sich zuletzt noch von 1930 bis 1933 die Restverwaltung für Reichsaufgaben mit der Abwicklung der Reparations- und Kolonialangelegenheiten befassen musste.

Scope and Content

Geschichte des Bestandsbildners

Bestandsgeschichte

Das Schriftgut des Reichsministeriums für Wiederaufbau und der meisten seiner nachgeordneten Dienststellen war zum großen Teil schon vor Kriegsausbruch vom Reichsarchiv Potsdam übernommen worden. Die Ministerialakten sowie die Unterlagen des nachgeordneten Bereichs des Treuhänders für das feindliche Vermögen haben den Krieg überdauert und lagerten im Zentralen Staatsarchiv Potsdam unter der Bestandssignatur 33.01.

Dagegen wurden die Akten von 13 nachgeordneten Behörden und Dienststellen nicht verlagert und verbrannten Anfang April 1945 bei der Zerstörung des Reichsarchivs Potsdam. Vernichtet wurden damals folgende Bestände:

Reichsentschädigungskommission

Reichskommissar bei dem Ausschuss zur Feststellung

von Kriegsschäden in Ostpreußen

Reichskommissar für die Liquidation ausländischer Unternehmen

Reichskommissar zur Erörterung von Gewalttätigkeiten gegen

deutsche Zivilpersonen in Feindesland

Reichsausschuss für Schiffsbau und Schiffsablieferung

Reichskommissar für die Rücklieferung von Eisenbahnmaterial

Deutsch-Französische Möbelausfuhrkommission Kehl

Reichsrücklieferungskommission

Deutsche Kohlenkommission Essen

Reichsausgleichsamt

Reichsentschädigungsamt

Staatskommissar für die Wiederherstellung der

Universitätsbibliothek Löwen

Archivische Bewertung un Bearbeitung

Die im Frühjahr 1955 vom Bundesfinanzhof in Bonn an das Bundesarchiv in Koblenz abgegebenen Archivalien waren unter der Bestandssignatur R 38 zusammengefasst.

Im Zuge der Vereinigung beider deutscher Staaten konnten beide Teile des Reichsministeriums für Wiederaufbau unter der nunmehr gültigen Signatur R 3301 wieder zusammengeführt werden.

Der ehemalige Koblenzer Teilbestand wurde umsigniert und dem Potsdamer Teil angeschlossen, d.h. die Koblenzer Signaturen wurden mit der Zahl 2000 addiert (Beispiel: alt R 38 / 3 - neu R 3301/2003).

Die überlieferten Akten entstammen vor allem aus den Bereichen Generalreferat G und Ministerialregistratur. Vereinzelt wurden die Akten vom später für die Aufgabenerledigung zuständigen Reichsfinanzministerium weitergeführt, verblieben jedoch wegen des Entstehungszusammenhanges bei der Überlieferung des Reichsministeriums für Wiederaufbau und haben somit eine abweichende Laufzeit. Einige Bände sind älteren Datums; sie wurden z.T. schon bei Kriegsausbruch 1914 im Reichsamt des Innern begonnen, seit 1917 im Reichswirtschaftsamt weitergeführt und 1919 dem Wiederaufbauministerium übergeben.

Bestandsbeschreibung

Den Schwerpunkt der Überlieferungen bilden die Akten des Generalreferats, Materialien zu Entschädigungen, Liquidationen, Reparationen, Sanktionen, Restitutionen und Substitutionen sowie zu Zerstörungen und Entschädigungsansprüche. Darüber hinaus sind vor allem Unterlagen zu Haushalt, zur Organisation und Durchführung des Wiederaufbaus überliefert.

Erschliessungszustand

Findbuch 2004

Zitierweise

BArch R 3301/...

Related Units of Description

  • Literatur

  • Einhorn: Die Nachentschädigung für Auslands-, Kolonial- und Grenzlanddeutsche mit den amtlichen Nachentschädigungs-, Wiederaufbaudarlehns- und Härtefondsrichtlinien. Berlin: Sollberg 1925

  • Hugo, Otto: Die wirtschaflichen Aufgaben des Wiederaufbaus. Berlin 1921

  • Hugo, Otto: Das RMfWA in seiner wirtschaftspolitischen Funktion für den Arbeitsmarkt 1919/1920. In: Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarkt, hrsg. von Hermann Kellenbenz, Wien 1974, S. 289-306.

  • Die Nachentschädigung für Auslands-, Kolonial- und Grenzlanddeutsche: mit den amtlichen Nachentschädigungs-, Wiederaufbaudarlehns- und Härtefondsrichtlinien, hrsg. von Einhorn und H. W. Herold. Berlin 1925.

  • Der Schutz der landwirtschaftlichen Erzeugung als Vorbedingung des Wiederaufbaues der deutschen Wirtschaft : Denkschrift zur 55. Vollversammlung des Deutschen Landwirtschaftsrates. - [S.l.], Berlin 1925.

  • Dirk Hainbuch (Bearb.), Das Reichsministerium für Wiederaufbau 1919 bis 1924, Die Abwicklung des Ersten Weltkrieges: Reparationen, Kriegsschäden-Beseitigung, Opferentschädigung und der Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte, in: Ina Ulrike Paul/Uwe Puschner (Hrsg.), Zivilisationen und Geschichte, Band 46, Frankfurt am Main 2016.

This description is derived directly from structured data provided to EHRI by a partner institution. This collection holding institution considers this description as an accurate reflection of the archival holdings to which it refers at the moment of data transfer.