Beauftragter für den Vierjahresplan.- Geschäftsgruppe Ernährung

Identifier
R 26-IV
Language of Description
German
Dates
1 Jan 1936 - 31 Dec 1945
Level of Description
Collection
Languages
  • German
Source
EHRI Partner

Extent and Medium

Schriftgut

54 Aufbewahrungseinheiten

Creator(s)

Biographical History

Geschichte des Bestandsbildners

Auf eine geheime Denkschrift Adolf Hitlers aus dem Sommer 1936 zurückgehend (überliefert in R 3/1501) wurde der neue Vierjahresplan auf dem Reichsparteitag im September 1936 offiziell verkündet. Als Beauftragter für den Vierjahresplan wurde am 18.10.1936 der preußische Ministerpräsident Hermann Göring eingesetzt (RGBl. 1936 I, S. 887). Er erhielt die Befugnis zur zentralen Lenkung aller wirtschaftlichen, insbesondere kriegswirtschaftlichen Maßnahmen einschließlich der Vollmacht, Anweisungen an die Reichsministerien und alle Ebenen der Partei zu erteilen.

Aufgabe des (zweiten) Vierjahresplanes war die Ausrichtung der deutschen Wirtschaft auf Aufrüstung und Kriegsproduktion sowie die Verringerung der Abhängigkeit von ausländischen Importen (Autarkiebestrebung), vor allem im Rohstoff- und Ernährungssektor, um die von Hitler gesteckten Ziele ("1. Die deutsche Armee muß in vier Jahren einsatzfähig sein. 2. Die deutsche Wirtschaft muß in vier Jahren kriegsfähig sein.") zu erreichen. Wichtigste Maßnahmen waren einerseits die Kontingentierung wichtiger Rohstoffe und deren teilweise synthetische Herstellung im Reich, andererseits die Planung und Lenkung des Arbeitseinsatzes sowie die Stabilisierung der Löhne und Preise, um Investitionen in die Produktionsgüterindustrie zu lenken und den privaten Konsum einzuschränken.

Der landwirtschaftliche Sektor war in den Vierjahresplan eingebunden worden, da das Deutsche Reich auf den Import von landwirtschaftlichen Produkten sowohl zur Ernährung der Bevölkerung als auch zur Herstellung wichtiger Industriegrundstoffe angewiesen war und diese Abhängigkeit reduziert werden sollte. Göring richtete deshalb innerhalb der Organisation des Vierjahresplans eine Geschäftsgruppe Ernährung ein, deren Zuständigkeit für die Ernährungswirtschaft in direkter Konkurrenz zum Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft von Richard Walther Darré stand. Zum Leiter der Geschäftsgruppe Landwirtschaft ernannte Göring mit Herbert Backe einen der beiden Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, der in dieser Funktion dank der Sondervollmachten des Vierjahresplans dem Landwirtschaftsministerium und dem Reichsnährstand Anweisungen erteilen konnte. Nach der Beurlaubung Darrés führte Backe ab Mai 1942 faktisch auch das Ministerium und konnte gerade in den Kriegsjahren u.a. durch eine enge Kooperation mit Himmler einen erheblichen Einfluss gewinnen.

Zu den Maßnahmen, die der Vierjahresplan zur ernährungswirtschaftlichen Produktionssteigerung ergriff, gehörten u.a. die Senkung des Düngemittelpreises, die Erhöhung des Preises für Landwirtschaftsprodukte, Reichsbeihilfen für die Anschaffung von Maschinen, Meliorationen, ein Verfütterungsverbot von Roggen, Verbot von Kornbrennen und eine Ablieferungspflicht für sämtliches Getreide außer dem Eigenbedarf. Tatsächlich konnte die Produktion landwirtschaftlicher Güter im Reich spürbar modernisiert und gesteigert werden, ohne allerdings Importe überflüssig zu machen. Die im europäischen Vergleich verhältnismäßig gute Ernährungslage der Deutschen bis kurz vor Kriegsende wurde letztlich nur durch den massiven Einsatz von Zwangsarbeitern und die brutale Ausbeutung der besetzten Gebiete ermöglicht, die ohne Rücksicht auf den Hunger im Land große Lebensmittellieferungen zur Versorgung des Reichs und der Wehrmacht erbringen mussten.

Scope and Content

Geschichte des Bestandsbildners

Der 1936 von Hitler verkündete und von Hermann Göring durchzusetzende Vierjahresplan sollte Deutschland innerhalb von vier Jahren wirtschaftlich und militärisch "kriegsfähig" machen. Aufgabe der Geschäftsgruppe Ernährung innerhalb der Vierjahresplanbehörde war die Verbesserung und Sicherung der Versorgung von Bevölkerung, Wehrmacht und Industrie mit landwirtschaftlichen Produkten, die während des Kriegs vor allem aus den besetzten Gebieten importiert wurden.

Bestandsgeschichte:

Die Akten der Geschäftsgruppe Ernährung der Vierjahresplanbehörde müssen im Wesentlichen als verloren gelten. Erhalten haben sich lediglich einige Splitter, die aus den Beständen der amerikanischen Collecting Points und aus den Unterlagen des Landwirtschaftsministeriums stammen und in Koblenz zum Bestand R 26 IV zusammengefasst wurden. Im Unterschied zu vielen anderen Beständen befanden sich hierzu in Potsdam keine Unterlagen.

Archivische Bearbeitung:

Im Bundesarchiv in Koblenz wurde 1964 ein "vorläufiges Archivverzeichnis" erstellt, das in seiner Gliederung noch deutlich die Erwartung zum Ausdruck brachte, dass sich zu bestimmten Themenkreisen (insbesondere zu einzelnen Ländern) schon noch Akten einfinden würden. Dies geschah nicht, und so wurde die Klassifikation bei der Neubearbeitung des Bestands 2014 erheblich umgestaltet, um der tatsächlich vorhandenen Überlieferung und ihrer Bedeutung gerecht zu werden.

Die Akten sind komplett in der Datenbank des Bundesarchivs erfasst.

Bestandsbeschreibung

Die wenigen vorhandenen Akten, die zudem fast ausschließlich aus der Kriegszeit stammen, dokumentieren nur sehr wenige Maßnahmen der Geschäftsgruppe Ernährung. Darunter befinden sich etwa Pläne zur Verteilung von Prämienwaren zur Erhöhung der landwirtschaftlichen Ablieferungsquoten, Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung in den besetzten Ostgebieten oder zur Aufrechterhaltung bzw. Ausweitung des Fischfangs.

Die überlieferten Akten vermitteln hingegen einen guten Überblick über Umfang und Art der Nahrungsmittellieferungen, die Reich und Wehrmacht aus den verschiedenen Ländern und Gebieten unter deutscher Vorherrschaft in den Kriegsjahren bezogen. Hier hat sich recht detailliertes Planungs- und Zahlenmaterial (Aufbringungspläne, Ablieferungsquoten u.ä.) erhalten.

Größere Bedeutung dürfte außerdem den Akten zur Verwaltung des Unilever-Konzerns beizumessen sein, da dort Hintergründe zur Bestellung eines eigenen Reichskommissars für den Unilever-Konzern, Beiratssitzungen, verschiedene Maßnahmen und strategische Planungen für den Konzern überliefert sind. Aufgrund der fast monopolartigen Stellung von Unilever für die Versorgung mit Fetten und Ölen für Industrie und Ernährungssektor war bei den Entscheidungen auch die Führungsebene beteiligt.

Von übergeordnetem Interesse ist schließlich noch die fast vollständige Serie an Sitzungsmitschriften des den gesamten Vierjahresplan faktisch lenkenden Generalrats sowie die Protokolle anderer Leitungsgremien, die den Anfangszeitraum des Vierjahresplans bis 1938/39 abdecken.

Erschliessungszustand

Findbuch (2014)

Zitierweise

BArch R 26-IV/...

Related Units of Description

  • Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv

  • R 26 I Beauftragter für den Vierjahresplan.- Zentrale

  • R 2 Reichsfinanzministerium, v.a. Abschnitt BV - Vierjahresplan

  • N 1075 Backe, Herbert (Nachlass des Leiters der Geschäftsgruppe)

  • Literatur

  • Gustavo Corni / Horst Gies: Brot - Butter - Kanonen. Die Ernährungswirtschaft in Deutschland unter der Diktatur Hitlers, Berlin 1997

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