Persönlicher Stab Reichsführer-SS

Identifier
NS 19
Language of Description
German
Level of Description
Collection
Languages
  • German
Source
EHRI Partner

Extent and Medium

Schriftgut

4317 Aufbewahrungseinheiten

Creator(s)

Biographical History

Geschichte des Bestandsbildners

Mit Wirkung vom 9. November 1936 Umwandlung der Chefadjutantur des Reichsführers SS in die Organisationseinheit "Der Reichsführer-SS Persönlicher Stab"; Funktion des Persönli‧chen Stabs Reichsführer SS - eines der Hauptämter der Reichsführung SS - als sachbear‧beitende Dienststelle des Reichsführers SS für Aufgaben, die nicht in die Zuständigkeit von Fachressorts der SS fielen; Ämtergliederung des Persönlichen Stabs Reichsführer SS in den Jahren 1942-1944: Amt Wewelsburg, Amt Ahnenerbe, Amt Lebensborn, Amt/Abteilung Presse, Amt München (künstlerische und architektonische Aufgaben in Verbindung mit dem SS-Wirt‧schafts-Verwaltungshauptamt), Amt Rohstoffe/Rohstoffamt, Amt für Volkstumsfragen, Zen‧tralinstitut für optimale Menschenerfassung (statistische und praktische Auswertung der "Menschenerfassung" bei SS und Polizei), Amt Stabsführung (interne Angelegenheiten des Stabs und der Ämter)

Langtext:

Als Heinrich Himmler im Alter von 28 Jahren durch Verfügung Hitlers vom 20. Januar 1929 zum Reichsführer-SS ernannt wurde, zählten zur SS, damals noch eine Sonderformation der SA, lediglich rund 280 Mann. Oberstes Führungsorgan der im Frühjahr 1925 zum persönlichen Schutz Hitlers und zum Versammlungsschutz aufgestellten "Schutzstaffeln der NSDAP", deren Kürzel "SS" wohl zur bekanntesten die Schreckensherrschaft des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland und Europa symbolisierenden Chiffre werden sollte, war die "Oberleitung der Schutzstaffeln der NSDAP", die organisatorisch als Teil der Obersten SA-Führung in München fungierte. Auf dem Höhepunkt des zweiten Weltkriegs, zum 30. Juni 1944, umfaßte die SS dann knapp 800000 Mitglieder, davon allerdings allein beinah 600000 in der Waffen-SS [1]. Der bürokratische Apparat der SS war in diesen 15 Jahren durch Errichtung immer neuer Ämter, Hauptämter und sonstiger zentraler Einrichtungen auf der obersten Führungsebene und durch Bildung zahlreicher nachgeordneter Dienststellen und Institutionen ins Riesenhafte angewachsen. Gleichzeitig hatte sich - auch als Folge von Himmlers Führungsprinzip der Spaltung von Kompetenzen einerseits und der Verknüpfung institutionell aufgeteilter Kompetenzen durch Personalunion andererseits - das Organisationsgeflecht in der Spitze der zu einem, wenn nicht dem entscheidenden Herrschaftsinstrument gewordenen SS [2] als nahezu unüberschaubar herausgestellt.

Die formale Loslösung der SS von der SA geschah in zwei Schritten. Der Mitteilung Himmlers an die SS vom 1. Dezember 1930, wonach "die restlose Trennung von SA und SS vollzogen" sei [3], war eine Anordnung Hitlers als des Obersten SA-Führers vom 14. Januar 1931 gefolgt, daß der Reichsführer-SS als Führer der Gesamt-SS dem Chef des Stabes, die SS als selbständiger Verband mit eigenem Dienstwege dem Reichsführer-SS unterstellt sei [4]. Mit der durch Hitlers am 20. Juli 1934 verfügten "Erhebung" der SS "zu einer selbständigen Organisation im Rahmen der NSDAP" fand dann die Bindung der SS an die SA ihren endgültigen Abschluß. Begründet wurde dies mit den großen Verdiensten, "besonders im Zusammenhang mit den Ereignissen des 30. Juni 1934" [5], also des sogenannten "Röhm-Putsches". Gleichzeitig wurde der Reichsführer-SS, wie der Stabschef der SA, Hitler direkt unterstellt.

1929 hatte die Reichsführung-SS, die zunächst noch einen "Geschäftsführer der Oberleitung" kannte, im Rahmen der damals ebenso gering entwickelten Obersten SA-Führung einen sehr bescheidenen Zuschnitt. Der von Himmler betriebene institutionelle Ausbau der SS-Führungsspitze verlief deutlich parallel zur Entwicklung der Obersten SA-Führung, nachdem Ernst Röhm diese als Stabschef im Januar 1931 übernommen hatte. Wie bei dieser entstanden bis Mai 1931 in der Reichsführung-SS mehrere Abteilungen und Referate in folgender Gliederung [6]:

Ia

Gliederung, Ausbildung, Sicherheitsdienst

Ib

Motorisierung, Transportwesen

Ic

Nachrichtenwesen, Presse

Id

Bekleidung, Verpflegung, Unterkunft

Iia

Personalabteilung, Stellenbesetzung

Iib

Stärkennachweise

III

Ehrenangelegenheiten, Rechtsangelegenheiten

Iva

Geldverwaltung

Ivb

Ärztliche Versorgung der SS (Reichsarzt-SS)

V

Propaganda

Aus diesen Organisationseinheiten entwickelte sich im Jahre 1932 das SS-Amt. Das Referat Ic wurde zum SD-Amt, ein Rasseamt, später Rasse- und Siedlungsamt, Anfang 1932 neu geschaffen.

Das SD-Amt, später SD-Hauptamt, nahm mit der Ernennung Himmlers zum Inspekteur der Preußischen Polizei am 20. April 1934 und der Funktion Reinhard Heydrichs als Leiter sowohl des Geheimen Staatspolizeiamtes als auch des SD-Hauptamtes eine von der engeren Reichsführung-SS getrennte Entwicklung, die 1939 im Zusammenschluß von SD-Hauptamt und Hauptamt Sicherheitspolizei zum Reichssicherheitshauptamt mündete [7]. Zwar zählte das Reichssicherheitshauptamt ebenso wie das Hauptamt Ordnungspolizei, der Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums und die Volksdeutsche Mittelstelle nach dem Verständnis von SS und NSDAP zur Organisation der SS-Führung; diese Behörden nahmen jedoch jenseits der gemeinsamen Führung durch Himmler als Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei bzw. als Reichskommissar für die Festigung Deutschen Volkstums und der Verknüpfung von staatlichen und parteiamtlich geprägten Aufgaben im wesentlichen staatliche Funktionen wahr [8].

Das SS-Amt von 1932, das ab 1935 als SS-Hauptamt firmierte [9], wurde unter Veränderung seiner Aufgaben bis in die Kriegsjahre hinein zur Keimzelle neuer Hauptämter. Sie entstanden beim immer stärkeren Ausbau der Reichsführung-SS durch zunehmende Führungs- und Verwaltungsaufgaben: Aufbau der bewaffneten Verbände, Aufbau und Führung der Waffen-SS im Kriege, Verwaltung der Konzentrationslager (KL) und der Wirtschaftsunternehmungen der SS, Aktivitäten im weltanschaulich-politischen Bereich.

Der Befehl des Reichsführers-SS vom 14. Januar 1935 über die Neugliederung in der Reichsführung-SS mit Wirkung vom 20. Januar 1935 nannte neben dem SS-Hauptamt, dem SD-Hauptamt und dem Rasse- und neben dem SS-Hauptamt, dem SD-Hauptamt und dem Rasse- und Siedlungshauptamt auch den "Stab Reichsführer-SS". Dieser gliederte sich in Chefadjutantur, Personalkanzlei, SS-Gericht, Revisionsabteilung und Stabskasse [10]. Aus der Chefadjutantur sollte dann später das Hauptamt Persönlicher Stab Reichsführer-SS entstehen. Der Stab Reichsführer-SS und das SS-Hauptamt waren dadurch personell eng miteinander verknüpft, daß die Chefs einzelner Ämter des Hauptamtes zugleich Funktionen im Stab wahrnahmen. So korrespondierten im

SS-Hauptamt:

Stab Reichsführer-SS:

Personalamt (II)

Personalkanzlei (II)

Gerichtsamt (III)

SS-Gericht (III)

Verwaltungsamt (IV)

Verwaltungschef-SS und Reichskassenverwalter (IV)

Sanitätsamt (V)

Reichsarzt-SS (V)

Dazu kamen im SS-Hauptamt noch das Führungsamt (I) und das Ergänzungsamt (VI) sowie - dem Chef des SS-Hauptamts unmittelbar unterstellt - der Inspekteur der KL und der SS-Wachverbände, ab 1936 der SS-Totenkopfverbände, und, ab Herbst 1935, der Inspekteur der Verfügungstruppe.

Nacheinander entstanden in der Folge aus den entsprechenden Organisationseinheiten im SS-Hauptamt bzw. im Stab Reichsführer-SS

1939:

das SS-Personalhauptamt für die Personalangelegenheiten der SS-Führer

[11],

das Hauptamt SS-Gericht [12],

das Hauptamt Verwaltung und Wirtschaft [13], das ab 1942 mit dem Hauptamt Haushalt und Bauten des Reichsführers-SS und Chefs der Deutschen Polizei und dem SS-Verwaltungsamt zum SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt vereinigt wurde [14],

1940:

das SS-Führungshauptamt "zur militärischen Führung der Waffen-SS und vor- und nachmilitärischen Ausbildung der Allgemeinen SS" [15],

die "Dienststelle SS-Obergruppenführer Heißmeyer", die Nationalpolitische Erziehungsanstalten und Heimschulen im Geschäftsbereich des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung beaufsichtigte, gleichsam die Vorstufe eines geplanten Hauptamtes Nationalpolitische Erziehung [16].

Dem SS-Hauptamt unter seinem Leiter SS-Gruppenführer Gottlob Berger verbliebenen im wesentlichen das Erfassungs- und Ergänzungswesen sowie Angelegenheiten der Schulung, insbesondere der in den "germanischen Ländern" rekrutierten SS-Angehörigen.

Neben diesen Hauptämtern und Ämtern hatte sich Himmler schon früh eine eigene Geschäftsstelle zur Lenkung des Apparates und zur Aufsicht über ihm direkt unterstellte Institutionen und außerhalb der Ämter verbleibender Aufgaben in seiner Adjutantur geschaffen. In sie war am 15. Juni 1933 der mit Himmler gleichaltrige SS-Hauptsturmführer Karl Wolff [17] als hauptamtlicher Adjutant eingetreten. Wolff wurde sehr bald der engste Vertraute Himmlers, begleitete ihn auf Reisen und nahm an seinen Führungsaufgaben teil. Im Jahre 1935 wurde er Chefadjutant.

Der Aufwertung der Chefadjutantur als einer ihrer ursprünglichen Aufgabe entwachsenen Institution trug Himmler Rechnung, als er sie mit Befehl vom 9. November 1936 zum Persönlichen Stab umwandelte [18]:

"1.) Mit Wirkung vom 9. November 1936 erhält die bisherige Chef-Adjutantur des Reichsführers-SS in Anbetracht ihrer Größe und ihres im Laufe der Jahre stark erweiterten Dienstbereichs die Bezeichnung "Der Reichsführer-SS Persönlicher Stab".

2.) Zum Chef des Persönlichen Stabes ernenne ich den SS-Brigadeführer Wolff.

3.) Die neu zu errichtende Adjutantur des Reichsführers-SS bildet eine Abteilung des Persönlichen Stabes."

Die gleichzeitige Erhebung des Persönlichen Stabes zu einem Hauptamt war nicht nur nicht ausgesprochen, sondern vermutlich auch nicht intendiert. Die zunehmenden Aufgaben des Persönlichen Stabes einerseits und die Rücksichtnahme auf die Stellung Wolffs gegenüber den 1939 neu etablierten Hauptamtschefs mögen Himmler bewogen haben, einen anderen Befehl vom 9. November 1936 später, im Jahre 1939, nachträglich dahin zu interpretieren, daß er den Persönlichen Stab bereits damals zu einem Hauptamt erhoben habe. In diesem Befehl vom 9. November 1936 [19] über die "Neuordnung der Befehlsverhältnisse in der Gesamt-SS" hatte er die "Gliederung der Dienststelle Der Reichsführer-SS" folgendermaßen bekanntgegeben: SS-Hauptamt, SD-Hauptamt, Rasse- und Siedlungshauptamt, Reichsführer-SS Persönlicher Stab; außerdem hatte der Chef der Ordnungspolizei, SS-Obergruppenführer Daluege, den Rang eines Hauptamtschefs. Im Befehl vom 1. Juni 1939, mit dem er das SS-Personalhauptamt und das Hauptamt SS-Gericht bildete, griff er diesen Befehl wieder auf und formulierte, daß er als Hauptämter eben diese "festgesetzt hatte". Noch im Befehl vom 20. April 1939 zur Gründung des Hauptamtes Verwaltung und Wirtschaft hatte er jedoch erklärt, daß dieses "ein Hauptamt wie die übrigen Hauptämter der Reichsführung-SS (SS-Hauptamt, SD-Hauptamt, Rasse- und Siedlungshauptamt, Hauptamt Ordnungspolizei und Hauptamt Sicherheitspolizei)" sei. Noch hier also war von einem Hauptamt Persönlicher Stab nicht die Rede. Wolff wurde erst am 8. Juni 1939 rückwirkend zum Hauptamtschef ernannt [20].

Funktion und Aufgabe des Persönlichen Stabes sind in einer Weisung vom 3. April 1937 zur Befehlsführung und Sachbearbeitung im Geschäftsbereich des Reichsführers-SS [21] folgendermaßen beschrieben: "Der Persönliche Stab des Reichsführers-SS ist sachbearbeitende Dienststelle des Reichsführers-SS für diejenigen Angelegenheiten, die nicht in die Tätigkeitsbereiche der Chefs des SS-Hauptamtes, des SD-Hauptamtes, des Rasse- und Siedlungshauptamtes oder der sachbearbeitenden Zentralstellen gehören. Der Chef des Persönlichen Stabes hat alle Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der Chefs des SS-Hauptamtes, des SD-Hauptamtes, des Rasse- und Siedlungshauptamtes oder der sachbearbeitenden Zentralstellen fallen, zuständigkeitshalber endgültig an diese abzugeben.

Der Chef des Persönlichen Stabes führt gleichzeitig die Aufsicht über

a) die Adjutantur des Reichsführers-SS,

b) die Eingangstelle des Reichsführers-SS,

c) die Kanzlei des Reichsführers-SS".

Zwei Merkmale des Persönlichen Stabes sind damit aufgezeigt: Er sollte keine Aufgaben in Konkurrenz zu den Fachressorts der SS ausüben, sollte hingegen Himmlers sachbearbeitende Dienststelle für Aufgaben außerhalb dieser Ressorts sein, d.h. wenigstens z.T. die Fachaufsicht über Himmler unmittelbar unterstehende Institutionen ausüben. Die Funktion des Persönlichen Stabes als einer "zentralen Befehlsstelle der Reichsführung-SS" [22], die die Qualität seiner Aktenüberlieferung und damit des hier zu beschreibenden Archivalienbestandes bewirkt hat, ist hier nicht angesprochen. Beim Persönlichen Stab ressortierten darüber hinaus eine Anzahl von Chefstellen, deren Inhaber in Personalunion als Chefs der entsprechenden Ämter im SS-Hauptamt oder im SS-Führungshauptamt fungierten, die sich ihrerseits aber nicht zu eigenen SS-Hauptämtern entwickelten: Der Chef Reichsverteidigung war zugleich Chef des Amtes für Sicherungsaufgaben im SS-Hauptamt, später im SS-Führungshauptamt. Der Inspekteur für Leibesübungen war Chef des Amtes für Leibesübungen im SS-Hauptamt. Der Inspekteur für Nachrichtenverbindungen, zugleich Chef des Amtes Nachrichtenverbindungen im SS-Hauptamt, später im SS-Führungshauptamt, wurde in Chef des Fernmeldewesens umgenannt und firmierte gegen Kriegsende als Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern, Chef des Fernmeldewesens. Ab 1942 hatte er z.B. aufgrund eines persönlichen Befehls Himmlers ein weibliches Nachrichtenkorps der SS aufzustellen und auszubilden [23]. Auch der Leiter des 1938 errichteten, 1944 aufgelösten und zunächst Himmler persönlich unterstellten SS-Fürsorge- und Versorgungsamtes versah eine Chefstelle im Persönlichen Stab.

Zu den Einrichtungen, die Himmler durch den Persönlichen Stab unmittelbar lenkte, gehörten die Mitte der 30er Jahre geschaffenen wirtschaftlichen Unternehmungen der SS [24] (Nordland-Verlag GmbH, Porzellanmanufaktur Allach, Photogesellschaft F.F. Bauer GmbH, Anton Loibl GmbH, Gemeinnützige Wohnungs- und Heimstätten-GmbH und die Spargemeinschaft-SS, später SS-Spargemeinschaft e.V.), die Gesellschaft zur Förderung und Pflege Deutscher Kulturdenkmäler e.V., die Externsteine-Stiftung und die König-Heinrich I.-Gedächtnis-Stiftung. Alle diese Einrichtungen dienten in einer Wechselbeziehung zugleich finanziellen wie kulturellen, weltanschaulichen oder auch sozialen Zwecken. So kamen beispielsweise die Lizenzgebühren aus der Verwertung des Patents eines Pedalrückstrahlers für Fahrräder - der Erfinder Loibl war ein Kraftfahrer Hitlers - durch die Anton Loibl GmbH dem "Ahnenerbe" e.V. und dem Verein "Lebensborn" zugute. Die Porzellanmanufaktur Allach stellte außer Gebrauchsgeschirr Geschenkartikel her, die nicht in den Handel kamen, sondern allein von Himmler über den Persönlichen Stab bzw. die SS-Adjutantur zu bestimmten Anlässen an SS-Angehörige und deren Familien sowie an andere Empfängerkreise verteilt wurden [25]. Zu den Artikeln, die für die "Geschenkkammer" Himmlers produziert wurden, zählten Lebensleuchter und Kinderfriesteller, Julleuchter und Julteller, Plastiken wie SS-Fahnenträger, SS-Reiter, Landsknecht mit Lanze, Garde du Corps, Gaukler, Dackel, Berghirsch, Trachtengruppen u.a.m. Im Persönlichen Stab waren diese Wirtschaftsbetriebe einem "Kulturreferat" zugeordnet, ausgenommen die Spargemeinschaft-SS, für die die "Abteilung Wirtschaftliche Hilfe" zuständig war. Das Kulturreferat alten Zuschnitts wurde hinfällig, als 1938 alle Wirtschaftsunternehmungen dem SS-Verwaltungsamt im SS-Hauptamt wirtschaftlich und organisatorisch unterstellt wurden. Eine Ausnahme bildete die Porzellanmanufaktur Allach, die im Persönlichen Stab als "Amt München" institutionalisiert wurde.

Zu den 1938 wirtschaftlich dem SS-Verwaltungsamt unterstellten Einrichtungen zählten auch die Externsteine-Stiftung mit dem Zweck der Erhaltung der vermeintlichen germanischen Kultstätte in der Nähe von Detmold [26], die König Heinrich I.-Gedächtnis-Stiftung, der die Pflege und Erhaltung des Quedlinburger Domes oblag, und die Gesellschaft zur Förderung und Pflege Deutscher Kulturdenkmäler e.V., die eine Reihe von Objekten betreute, zu deren bekanntesten die Wewelsburg bei Paderborn, der Sachsenhain bei Verden/Aller und die Ausgrabungsstätte Haithabu bei Schleswig gehörten. Damit verlor auch die "Abteilung für kulturelle Forschung", die im Persönlichen Stab - zusammen mit einer Abteilung "Ausgrabungen" - bis dahin für diese Institutionen und andere Ambitionen Himmlers in kulturell-historisch orientierten Bereichen war, ihre ideelle Zuständigkeit und schließlich auch ihre organisatorische Basis.

Nutznießer war die 1935 gegründete "Lehr- und Forschungsgemeinschaft Das Ahnenerbe", die seit Ende des Jahres 1936 dem Persönlichen Stab angegliedert war und ab 1. April 1942 in der Organisationsform eines Amtes zum Persönlichen Stab gehörte [27]. Wirtschaftlich unterstand das "Ahnenerbe" allerdings seit 1938 ebenfalls dem SS-Verwaltungsamt.

Das "Ahnenerbe" - mit Himmler als Präsident an der Spitze - hatte satzungsgemäß die Aufgabe, "Raum, Geist, Tat und Erbe des nordrassischen Indogermanentums zu erforschen, die Forschungsergebnisse lebendig zu gestalten und dem Volke zu vermitteln". Zielvorstellungen, das "Ahnenerbe" zum "Sammelbecken für alle kulturellen Bestrebungen des Reichsführers-SS" zu machen, wurden durch Himmlers Führungsstil indessen dadurch in Frage gestellt, "daß er nicht unbedingt alles im "Ahnenerbe" vereinigen wolle, um nicht zu viel wichtige und wesentliche Dinge an einer Stelle zu konzentrieren" [28]. Über die frühe Konzeption hinaus versuchte sich das "Ahnenerbe" im Laufe seiner komplizierten, die geistige Verirrtheit und Verworrenheit von Himmlers Ideologie und Wissenschaftsvorstellungen prägnant dokumentierende Geschichte als ebenso skurrile wie den NS-Herrschaftsvorstellungen ganz konkret dienstbare Forschungsstätte für verschiedenste Bereiche der "Kultur-" und Naturwissenschaften. Während des Krieges dehnte es seine Tätigkeit weiter aus, z.B. in Form des sogenannten "Germanischen Wissenschaftseinsatzes" in den besetzten "germanischen" Ländern. Für seine publizistische Tätigkeit verfügte es über einen Ahnenerbe-Stiftungs-Verlag.

In unmittelbare Verstrickung mit den menschenverachtenden und verbrecherischen Praktiken des NS-Regimes geriet das "Ahnenerbe" schließlich durch das ihm angegliederten "Institut für wehrwissenschaftliche Zweckforschung", dessen Errichtung Himmler persönlich befohlen hatte. Unter dem Deckmantel angeblich kriegswichtiger Forschungen wurden an Konzentrationslager-Häftlingen grausame Versuche vorgenommen, die mit den Namen beteiligter Ärzte wie z.B. Dr. Siegmund Rascher verknüpft sind. Pervertierte "Forschung" betrieb Prof. Dr. August Hirt an der Reichsuniversität Straßburg mit seinen anthropologischen Untersuchungen an Schädeln und Skeletten zuvor in Auschwitz getöteter "jüdisch-bolschewistischer Kommissare" [29].

Ein "Kulturobjekt", das außerhalb der Zuständigkeit des "Ahnenerbe" blieb, war die in Ostwestfalen gelegene Wewelsburg, mit der Himmler dem Ordensgedanken der SS eine bleibende Kultstätte zu schaffen gedachte [30]. Um ihren Ausbau blieb Himmler, bis hin zur Bepflanzung des Burghangs mit Walnußbäumen, persönlich besorgt. Organisatorisch wurde auch sie in einem Amt beim Persönlichen Stab verankert.

Ein weiteres Amt im Persönlichen Stab, das einen Verein repräsentierte, war das Amt Lebensborn. Der Verein "Lebensborn" war 1936 gegründet worden und hatte - entgegen nach Kriegsende publizierten, auf eine besondere Neugierde der damaligen Leserschaft abhebenden Unsinnigkeiten über "SS-Zuchtanstalten" - satzungsgemäß den Zweck, ganz im Sinne der NS-Rassenideologie und -Bevölkerungspolitik "rassisch und erbbiologisch wertvolle" kinderreiche Familien zu unterstützen und ledigen Müttern behilflich zu sein [31]. Zu deren Unterbringung wurden besondere Heime eingerichtet. In eine direkt schuldhafte Rolle geriet der "Lebensborn" während des Krieges als betreuende Organisation für "rassisch wertvolle" Kinder, deren Eltern verfolgt, in Konzentrationslager verbracht oder getötet worden waren; zu ihnen zählten beispielsweise die Kinder der Einwohner von Lidice und Lezáky, die im Zuge der Vergeltungsmaßnahmen für das Attentat auf Reinhard Heydrich erschossen oder in Konzentrationslager eingewiesen worden waren, und Kinder, deren Eltern als Angehörige der tschechischen Widerstandsbewegung hingerichtet worden waren [32].

Die Pressebeobachtung war ein frühes Anliegen Himmlers. Das spätere Amt Presse im Persönlichen Stab hatte die Aufgabe, Himmler über Pressenachrichten auf dem Laufenden zu halten. Darüber hinaus oblagen ihm die Zusammenarbeit mit Presselenkungsstellen von Partei und Staat, gewisse Zensuraufgaben sowie der Aufbau von Wort- und Bilddokumentationen. Das Amt bereitete u.a. auch ein "Organisationsbuch der SS" vor, da nach dem Urteil seines Leiters "nur sehr wenige SS-Führer einen vollständigen Überblick über die Organisation des Arbeitsbereichs des Reichsführers-SS im einzelnen haben [33].

Zur Wahrnehmung von Aufgaben, die Himmler im Rahmen des 2. Vierjahresplans zugekommen waren, wurde ein "Amt Vierjahresplan" im Persönlichen Stab geschaffen. Es hatte mitzuarbeiten bei der Beschaffung von Arbeitskräften, bei der Bewirtschaftung von Bau- und Rohstoffen, bei energiewirtschaftlichen Problemen und bei einschlägigen Forschungsarbeiten. Im Jahre 1942 wurde es "stillschweigend" aufgelöst und in das "Rohstoffamt" eingebracht [34], das aus dem Stabsamt des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums hervorgegangen war [35].

Eine sehr frühe Dienststelle, die Himmler bleibend mit dem Persönlichen Stab organisatorisch verknüpfte, war das von Dr. Ernst Robert Grawitz bis Kriegsende geleitete Amt "Reichsarzt SS und Polizei". Grawitz ist weniger bekannt geworden als Dr. Karl Gebhardt, der Chefarzt des SS-Lazaretts Hohenlychen, in dessen Behandlung Himmler sich sehr häufig begeben hat und der als "Oberster Kliniker beim Stab Reichsarzt SS und Polizei" firmierte [36]. Endlich sind die "SS-Mannschaftshäuser" zu nennen; sie dienten seit Mitte der 30er Jahre der Zusammenfassung der SS-Angehörigen an den Hochschulen "zur Heranbildung des von der SS benötigten wissenschaftlichen Nachwuchses", wie Himmler 1939 formulierte [37], als er diese Einrichtung dem Rasse- und Siedlungshauptamt entzog und zu einer "Dienststelle der SS im Persönlichen Stab" machte.

Stellenplänen und Aufgabenbeschreibungen zufolge [38] hatte der Persönliche Stab Reichsführer-SS in den Jahren 1942/44 folgende Gliederung und Besetzung:

Chef des Persönlichen Stabes Reichsführer-SS

SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Karl Wolff

Ämter

Amt Wewelsburg:

SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Siegfried Taubert, Burghauptmann der SS-Schule "Haus Wewelsburg"

Amt Ahnenerbe:

SS-Oberführer Professor Dr. Walter Wüst, Kurator und Amtschef; SS-Standartenführer Wolfram Sievers, Reichsgeschäftsführer und stellvertretender Amtschef

Amt Lebensborn:

SS-Standartenführer Max Sollmann, Vorstand und Amtschef

Amt/Abt. Presse:

SS-Obersturmbannführer Gerhard Radke, später SS-Obersturmführer Otto Behrendt

Amt München:

SS-Standartenführer Professor Karl Diebitsch (Bearbeitung aller künstlerischen und architektonischen Fragen in Verbindung mit dem SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt)

Amt Rohstoffe/Rohstoffamt:

SS-Standartenführer Albert Kloth

Amt für Volkstumsfragen:

SS-Brigadeführer Erich Cassel, Amtschef und Verbindungsführer zur Reichsleitung der NSDAP und den Dienststellen des Reichsführers-SS

Zentralinstitut für optimale Menschenerfassung:

SS-Obersturmbannführer Dr. Albert Bartels (Statistische und praktische Auswertung der gesamten "Menschenerfassung" in SS und Polizei)

Amt Stabsführung:

Stabsführer SS-Oberführer Otto Ullmann, ab Februar 1943 SS-Standartenführer Paul Baumert (zuständig für alle internen Angelegenheiten des Stabes und der Ämter)

mit den unmittelbar unterstellten

Hauptabteilungen:

SS-Adjutantur:

SS-Obersturmbannführer Werner Grothmann

Polizei-Adjutantur:

Oberstleutnant der Schutzpolizei Willy Suchanek und SS-Hauptsturmführer Martin Fälschlein

Persönliches Referat Reichsführer-SS:

SS-Standartenführer Dr. Rudolf Brandt, Ministerialrat, Persönlicher Referent des Reichsführers-SS und Reichsminister des Innern

Sachbearbeiter Chef Persönlicher Stab (S.B.Ch.P.):

SS-Obersturmführer Heinrich Heckenstaller

Orden und Gäste:

SS-Standartenführer Hans von Uslar, später SS-Sturmbannführer Dr. Helmut Fitzner

Verwaltung:

SS-Hauptsturmführer Oskar Winzer, später SS-Obersturmbannführer Christian Mohr (Verwaltung des Stabes und der unterstellten Ämter)

Wirtschaftliche Hilfe:

SS-Sturmbannführer Dr. Helmut Fitzner (Entschuldungs- und Darlehensangelegenheiten für die SS)

Personal:

SS-Hauptsturmführer Fritz Breitfeldt

SS-richterlicher Verbindungsführer:

SS-Standartenführer Horst Bender

Der Beauftragte für das Diensthundewesen beim Reichsführer-SS:

SS-Oberführer Franz Mueller (Darß) (Diensthundefragen der Waffen-SS und Polizei beim Reichsführer-SS)

und

Abteilungen:

Auszeichnungen und Orden (unterstellt der SS-Adjutantur; Bearbeitung hoher Auszeichnungen in Waffen-SS und Polizei)

Schriftgutverwaltung und Geschäftszimmer (Schriftgut-Registrierung und -Verwahrung)

Nachrichtenstelle (Überwachung der gesamten Nachrichtenmittel der Berliner Dienststelle des Reichsführers-SS)

Fahrdienst

Kommandeur der Stabsabteilung der Waffen-SS (Führung und Betreuung sämtlicher zum Persönlichen Stab versetzten Waffen-SS-Angehörigen).

In dieser Übersicht ist eine Reihe von weiteren Einrichtungen noch erwähnt, die Himmler persönlich unterstanden, im Persönlichen Stab "bearbeitet" wurden und dort aktenmäßig belegt sind. Dazu zählten z.B. der Reichsführer-SS Persönlicher Stab, Abteilung F, SS-Lager Dachau - Haus 13, Ernährungswissenschaftliches Versuchsgut. Leiter war Dr. Karl Fahrenkamp; seine Aufgabe bestand vor allem in der Entwicklung von Präparaten u.a. zur Förderung des Pflanzenwachstums. Etwa 1940 wurde die Dienststelle Inspekteur für Statistik eingerichtet. Sie führte ab Januar 1944 die Bezeichnung Statistisch-wissenschaftliches Institut des Reichsführers-SS, wurde von Dr. Richard Korherr geleitet und war mit der Anfertigung statistischer Arbeiten für Himmler beauftragt. Zu nennen in diesem Zusammenhang sind noch ad hoc gebildete Sondereinrichtungen wie der Beauftragte des Reichsführers-SS im Stab des Sonderbeauftragten für die Überprüfung des zweckmäßigen Kriegseinsatzes, General von Unruh, SS-Standartenführer Harro With, und der Reichsführer-SS Sonderstab Oberst Streck, der Zuschriften über Mißstände in Dienststellen und Truppen zu verfolgen hatte. Einem weiteren der zahllosen Interessenbereiche Himmlers, dem der Erschließung von Rohstoffen im Kriege, ist wohl zuzuschreiben, daß er nicht nur sehr persönlich z.B. um die Zucht von Karakulschafen und perennierendem Roggen oder um die Gewinnung von Ölschiefer besorgt war, sondern daß er sich von Göring offiziell zum Sonderbeauftragten für alle Fragen des Pflanzenkautschuks ernennen ließ [39]. Mit großem Aufwand wurden in den besetzten polnischen und sowjetischen Gebieten Anbauversuche mit Kok-Sagys, einer im europäischen Rußland vorkommenden Pflanze, unternommen, um daraus für die deutsche Kriegswirtschaft verwertbare Mengen von Naturgummi zu gewinnen.

Die Geschäfte des Persönlichen Stabes im engeren Sinne führte das Amt Stabsführung mit den unterstellten Hauptabteilungen und Abteilungen. Die anderen Ämter - das Amt für Volkstumsfragen und das Zentralinstitut für optimale Menschenerfassung (mit Aufgaben statistischer Arbeitskräfteerfassung unter Anwendung des Hollerith-Verfahrens), die erst gegen Kriegsende errichtet wurden und anscheinend ohne Bedeutung und Aktenniederschlag blieben, wurden nur der Vollständigkeit wegen aufgeführt - gehörten zum Persönlichen Stab, hatten jedoch getrennte Dienstsitze und eigene Registraturen.

Die wichtigsten Organisationseinheiten im Amt Stabsführung waren die Hauptabteilungen Persönliches Referat Reichsführer-SS und S.B.Ch.P. (Sachbearbeiter Chef Persönlicher Stab) sowie die Adjutanturen. Der Beauftragte für das Diensthundewesen arbeitete außerhalb der Dienststelle Persönlicher Stab. Der SS-richterliche Verbindungsführer befand sich zwar stets in der Umgebung Himmlers, führte jedoch seine Amtsgeschäfte getrennt vom Amt Stabsführung; seine Registratur ging in die Schriftgutverwaltung des Persönlichen Stabes nicht ein [40].

Die wesentliche Aufgabe Wolffs als Chef des Persönlichen Stabes bestand darin, Himmler als engster Mitarbeiter und Vertrauter bei seinen Führungsaufgaben zu unterstützen. Durch die Ernennung zum Verbindungsführer des Reichsführers-SS bei Hitler am 26. August 1939 wandelte sich seine Funktion. Er hielt sich nunmehr in unmittelbarer Umgebung Hitlers, d.h. auch in dessen Feldquartieren auf. Ohne eine fachliche Kompetenz zu haben, sollte er Himmler über die Entwicklung im Führerhauptquartier auf dem Laufenden halten und für Rückfragen aus dem Führerhauptquartier zur Verfügung stehen. Die dem Chef Persönlicher Stab unmittelbar zuarbeitende Stelle war die Hauptabteilung S.B.Ch.P. (Sachbearbeiter Chef Persönlicher Stab). Der Amtsinhaber oder einer seiner Mitarbeiter hatte jeweils bei Wolff im Führerhauptquartier Dienst zu tun [41].

Als Wolff im Februar 1943 schwer erkrankte, übernahm Himmler die Führung des Hauptamtes Persönlicher Stab zunächst "bis auf weiteres" selbst. Wolff kehrte in diese Position nicht mehr zurück; nach seiner Genesung im Sommer 1943 bereitete er sich auf seine Funktion in Italien vor [42]. Himmler ernannte keinen neuen Chef des Persönlichen Stabes, sondern nahm diese Funktion auch weiterhin selbst wahr. Die Hauptabteilung S.B.Ch.P. löste er auf.

Der engste Mitarbeiter Himmlers war nach Wolff, insbesondere seit Wolffs Ernennung zum Verbindungsführer bei Hitler und schließlich zum Höchsten SS- und Polizeiführer in Italien, sein persönlicher Referent Dr. Rudolf Brandt. Dessen ohnehin großes Aufgabengebiet erweiterte sich mit der Ernennung Himmlers zum Reichsminister des Innern um die Bearbeitung von Aufgaben auch aus dem Bereich dieses Ministeriums. Brandt arbeitete stets in der unmittelbaren Nähe Himmlers. Seine Befugnisse reichten über die eines persönlichen Referenten, der Himmler auch auf Reisen begleitete und z.B. als ausgebildeter Stenograph die Reden Himmlers aufnahm, weit hinaus. Er entschied darüber, welche Post Himmler vorgelegt wurde oder nicht, hielt täglich Vortrag über anliegende Probleme, setzte Weisungen des Reichsführers-SS selbständig um und wehrte Anliegen ab, wenn sie vom Inhalt oder Zeitpunkt her als Himmler nicht vorlegbar erschienen. Auch ohne die Entscheidungen Himmlers persönlich einzuholen, konnte er in Einzelfällen dessen Entscheidung oder Meinung als gegeben voraussetzen und entsprechend handeln.

Die Polizeiadjutanten hatten im wesentlichen "vortragende" bzw. "übermittelnde" Funktionen. Die Polizeiadjutantur war die Geschäftsstelle der beiden Verbindungsführer des Reichssicherheitshauptamtes und des Hauptamtes Ordnungspolizei. Suchanek befand sich im Kriege stets in Himmlers Feldkommandostelle, während Fälschlein den Dienst in Berlin versah. Im Unterschied zu der Polizeiadjutantur übte die SS-Adjutantur neben der Aufgabe der Adjutanten, den Reichsführer-SS zu "begleiten", auch sachbearbeitende Tätigkeit wie Terminfestlegungen, Reisevorbereitungen, Bearbeitung von Einladungen, Glückwünschen und Geschenken aus. Sie bearbeitete außerdem sachliche und personelle Angelegenheiten der Waffen-SS, hielt Kontakt zum SS-Hauptamt und SS-Führungshauptamt sowie zu den Fronteinheiten der Waffen-SS. In München, Karlstraße 10, unterhielt die SS-Adjutantur eine Zweigstelle, besetzt mit SS-Hauptsturmführer Schnitzler. Dienstsitz des Persönlichen Stabes war das Gebäude Prinz Albrecht-Straße 8 in Berlin, das zugleich Dienstsitz Himmlers als Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern sowie des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD (Reichssicherheitshauptamt) war [43].

Im Kriege arbeitete Himmler sehr häufig in verschiedenen "Feldkommandostellen". Zu den beständigsten Aufenthaltsorten zählte die Feldkommandostelle "Hochwald" in einem Wald bei Großgarten in Ostpreußen, ca. 40 km entfernt vom Führerhauptquartier "Wolfsschanze" [44]. Kommandant der Feldkommandostelle Reichsführer-SS und für deren Sicherheit verantwortlich war der SS-Obersturmbannführer Josef Tiefenbacher. Ihm unterstanden die SS- und Polizei-Begleiteinheiten sowie der Sonderzug "Steiermark", Himmlers rollende Feldkommandostelle, der ihn zu den gewünschten Zielorten brachte oder ihn auch Hitlers Sonderzug folgen ließ. Dies geschah beispielsweise nach dem deutschen Einmarsch in Jugoslawien im April 1941, als Himmlers Sonderzug in Hitlers Nähe in Bruck/Murr abgestellt wurde. Seine Autokolonne hatte die Bezeichnung "Sonderzug Heinrich". In der Nähe von Hitlers Führerhauptquartier "Wehrwolf" bei Winniza in der Ukraine hatte Himmler seine Feldkommandostelle "Hegewald" in einem volksdeutschen Siedlungsgebiet südlich von Shitomir errichtet.

Die zunehmenden Luftangriffe auf Berlin machten es nötig, Ausweichquartiere außerhalb der Stadt zu suchen. Diese nahmen offenbar größere Bereiche der Dienststelle auf und verfügten über Einrichtungen, die der Sicherheit Himmlers und seines engeren Mitarbeiterstabes auch bei längerer Anwesenheit gerecht werden konnten. Das größte und systematisch ausgebaute Objekt war anscheinend die Ausweichstelle "Birkenwald" bei Prenzlau (Uckermark). Auf einem von der Stadtverwaltung überlassenen Areal von ca. 290.000 m2 mit einigen festen Gebäuden erfolgten Ausbauten bis in die letzten Kriegsmonate; die Verlegung eines Anschlußgleises für den Sonderzug "Steiermark" befand sich im November 1944 noch im Planungsstadium. Die Ausweichstelle hatte auch Unterkünfte für Himmler, seinen persönlichen Referenten und die Adjutanten. Für das Jahr 1944 ist in den Akten des Persönlichen Stabes die Existenz der Ausweichstellen "Bergwald" und "Tannenwald" nachgewiesen, ebenso auch für März 1945 das Ausweichlager "Frankenwald" in Bad Frankenhausen (Krs. Sondershausen/Thüringen) [45].

[1] Vgl. die Angaben des Statistisch-wissenschaftlichen Instituts des Reichsführers-SS in NS 19/1471.

[2] Vgl. Hans Buchheim, Die SS - Das Herrschaftsinstrument. Befehl und Gehorsam (Anatomie des SS-Staates, Bd. 1), Olten und Freiburg i. Br 1965.

[3] SS-Befehl Nr. 20 vom 1. 12. 1930 (NS 19/1934).

[4] SA-Befehl Nr. 1 (gleichzeitig für SS) vom 16. 1. 1931 (NS 19/1934).

[5] Verfügung Hitlers vom 20. 7. 1934 bei Gerd Rühle, Das Dritte Reich, 1934, S. 237.

[6] Stabsbefehl vom 12. 5. 1931 (NS 19/1934).

[7] Vgl. Shlomo Aronson, Reinhard Heydrich und die Frühgeschichte von Gestapo und SD, Stuttgart 1971 sowie Buchheim (oben Anm. 3).

[8] Vgl. Das Bundesarchiv und seine Bestände, hrsg. von Gerhard Granier, Josef Henke, Klaus Oldenhage, 3. Aufl., Boppard 1977, S. 41 ff., 51 und 53.

[9] Bundesarchiv-Bestand NS 31.

[10] SS-Hauptamt, Stabsbefehl Nr. 6 (NS 31/70). In einem Befehl zur Umbildung der Reichsführung-SS vom 9.2.1934 hatte Himmler für seinen Stab mit den Abteilungen I. Adjutantur, II. Personalabteilung, III. Gerichtsabteilung, IV. Revisionsabteilung und V. Pressabteilung lediglich die Dienstbezeichnung "Der Reichsführer-SS" verfügt (NS 17/135, Kopie in NS 19/4041).

[11] Befehl vom 1.6.1939 (NS 19/3901); Restakten des SS-Personalhauptamtes im Bundesarchiv-Bestand NS 34.

[12] Ebenfalls Befehl vom 1.6.1939 (ebd.); Bundesarchiv-Bestand NS 7.

[13] Befehl vom 20.4.1939 (NS 19/1166).

[14] Befehl vom 19.1.1942 (NS 19/3904); Bundesarchiv-Bestand NS 3.

[15] Befehle vom 15.8.1940 und 5.9.1940 (NS 19/3903); erhalten gebliebene Akten des SS-Führungshauptamt im Bundesarchiv-Bestand NS 33.

[16] Vgl. Befehl Himmlers vom 12.1.1941 (NS 19/3903), ferner Schreiben des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an den Reichsminister der Finanzen vom 7.11.1941 (R 2/12745).

[17] Unterlagen über persönliche und privatdienstliche Angelegenheiten Wolffs finden sich in NS 19/3456 sowie in den weiteren unten in Abschnitt B. 2 beschriebenen Archivalieneinheiten; dazu auch das Wolff betreffende Dossier (Kopien) in den Unterlagen des Freundeskreises Reichsführer-SS in NS 48/81.

[18] NS 19/3901. Himmler gab den Wortlaut des Befehls in einer - lange als unvollständig überliefert geltenden - Rede anläßlich der SS-Gruppenführertagung am 8.11.1936 in Dachau bekannt (NS 19/4003; vgl. auch Anm. 72).

[19] NS 19/3902.

[20] Siehe die Wolff betreffenden Unterlagen des Freundeskreises Himmler (Kopien) in NS 48/81.

[21] NS 19/2881.

[22] Gunther d"Alquen, Die SS. Geschichte, Aufgabe und Organisation der Schutzstaffeln der NSDAP, Berlin 1939, S. 24.

[23] Die erhalten gebliebenen Akten der SS-Helferinnenschule Oberehnheim befinden sich im Bundesarchiv-Bestand NS 32 II.

[24] Vgl. Anmerkung 23.

[25] Vgl. dazu z.B. die unten in Abschnitt B.1.6 beschriebenen Archivalien.

[26] Vgl. Klaus Gruna, Die Externsteine können sich nicht wehren, in: Menschen, Landschaft und Geschichte, hrsg. von Walter Först, Köln und Berlin 1965, S. 239-249.

[27] Überlieferung des "Ahnenerbes" im Bundesarchiv-Bestand NS 21. - Vgl. Michael H. Kater, Das "Ahnenerbe" der SS 1935-1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches, Stuttgart 1974.

[28] Aktennotiz des Reichsgeschäftsführers des "Ahnenerbes", Wolfram Sievers, vom 4.11.1937 über einen Besuch Pohls im "Ahnenerbe" am 2.11.1937 (NS 21/779).

[29] Vgl. u.a. Reinhard Henkys, Die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, Stuttgart und Berlin 1964, S. 66, 69 f., 247. Sievers wurde wegen der verbrecherischen Tätigkeit des Instituts im Nürnberger Ärzteprozeß zum Tode verurteilt und hingerichtet. Hirt ist seit Kriegsende verschollen. Rascher wurde noch auf Befehl Himmlers wegen einer Kindesunterschiebung hingerichtet.

[30] Vgl. Heiner Lichtenstein, Wo Himmler residieren wollte, in: Menschen, Landschaft und Geschichte (oben Anm. 29), S. 115-128 und Karl Hüser, Wewelsburg 1933 bis 1945. Kult- und Terrorstätte der SS. Eine Dokumentation, Paderborn 2. Aufl. 1987.

[31] Vgl. Georg Lilienthal, Der "Lebensborn e.V." Ein Instrument nationalsozialistischer Rassenpolitik, Stuttgart, New York 1984.

[32] Vgl. den Schriftwechsel zur Unterbringung tschechischer Kinder 1943-1944 (NS 19/375) sowie Marc Hillel und Clarissa Henry, Lebensborn e.V. Im Namen der Rasse, Wien, Hamburg 1975.

[33] Rechenschaftsbericht des Amtschefs vom 1.11.1942 (NS 19/2985).

[34] Schreiben des SS-Standartenführers Kloth an SS-Obergruppenführer Wolff vom 3. 8. 1942 (NS 19/349).

[35] Aktenvermerk von SS-Standartenführer Kloth vom 4.10.1943 zur. Errichtung der Dienststelle m.W. vom 15.1.1942 und Schreiben des Rohstoffamtes an die Verwaltung des Persönlichen Stabes vom 22.9.1943 (NS 19/1786).

[36] Vgl. Henkys (oben Anm. 36), sowie Trials of War Criminals before the Nuernberg Military Tribunals under Control Council Law No. 10, Vols. 1-2, Washington, D. C. 1950, und Alexander Mitscherlich und Fred Mielke (Hrsg.), Medizin ohne Menschlichkeit. Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses, Heidelberg 1949.

[37] SS-Befehl vom 12.2.1939 (NS 19/3901).

[38] NS 19/2881.

[39] Ernennungsschreiben vom 9.7.1943 (NS 19/1802).

[40] Überlieferungsreste im Bundesarchiv-Bestand NS 7.

[41] Anklageschrift der Staatsanwaltschaft beim Landgericht München II im Strafverfahren gegen Karl Wolff; vgl. auch Anmerkung 22.

[42] Zur Übernahme des Persönlichen Stabs durch Himmler selbst siehe NS 48/81; zu Wolffs späterer Verwendung in Italien vgl. auch NS 19/3456.

[43] Vgl. Topographie des Terrors. Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt auf dem "Prinz-Albrecht-Gelände". Eine Dokumentation, hrsg. von Reinhard Rürup, Berlin 8. Aufl. 1991.

[44] Vgl. Peter Hoffmann, Die Sicherheit des Diktators, München 1976, S. 219.

[45] Die Errichtung von Ausweichstellen dokumentieren im wesentlichen die unten in Abschnitt A. 1 beschriebenen Archivalien sowie weitere verstreute, über die Indices greifbare Unterlagen. Zu Birkenwald siehe vor allem NS 19/2888, 3273, 2211 und 1518.

Das besetzte Polen war neben den besetzten Gebieten der Sowjetunion dasjenige Territorium, in welchem der nationalsozialistische Terror, der Terror von Polizei und SS, die größten Ausmaße erreichte. Dass die administrative Zusammenfassung von Sicherheitspolizei und Sicherheitsdienst im Reichssicherheitshauptamt ausgerechnet Ende September 1939 erfolgte, einen guten Monat nach dem Überfall auf Polen, ist in dieser Hinsicht bezeichnend, sollten die Polizeikräfte in ihrer Überschneidung mit der SS im besetzten Polen doch eine ganz erhebliche Rolle spielen. Insgesamt wird an der Praxis der Polizeiorgane im besetzten Polen - nicht nur im Generalgouvernement, auch in den eingegliederten Gebieten - in besonderer Weise der - nach der Formulierung Ernst Fraenkels - maßnahmenstaatliche Charakter des Nationalsozialismus deutlich, wurde hier doch ganz offensichtlich mit großer Brutalität, Kompromisslosigkeit und vielfach unter Missachtung auch der Rechtsgrundlagen der eigenen Besatzungsverwaltung der "Sicherungsauftrag" der Polizeiorgane verwirklicht. Dieser Auftrag, den Polizei und SS nach Maßgabe der verantwortlichen leitenden Stellen in Polen zu erfüllen hatten, wurde im Juli 1939 in der internen Kommunikation des Reichssicherheitshauptamtes mit der griffigen Formel der "Bekämpfung aller reichs- und deutschfeindlichen Elemente" umrissen (vgl. hierzu: BArch, R 58/241, Bl. 169-175).

In der Praxis bedeutete dies zunächst, parallel zu einer umfangreichen Welle von Festnahmen, weitreichenden Terror in Form von Geiselerschießungen als Reaktion auf vermeintliche oder tatsächliche bewaffnete Übergriffe von Seiten der polnischen Bevölkerung auf Armeeangehörige nach der Kapitulation des Landes. Ab Frühjahr 1940 begannen die Einsatztruppen der Polizei dann zusätzlich im Rahmen der "Aktion AB" mit der Liquidierung der polnischen Führungsschicht. Organe der Polizei und der SS waren naturgemäß ebenso an der ansatzweisen Durchführung der großangelegten Siedlungs- und Volkstumspläne beteiligt, welche im Umfeld von Heinrich Himmlers "Reichskommissariat zur Festigung des deutschen Volkstums" (RKF) und den Forschungsstellen des Reichssicherheitshauptamtes entworfen wurden.

Alles in allem war die Durchdringung Polens und insbesondere des Generalgouvernements mit SS- und Polizeistellen so ausgeprägt wie in keinem anderen besetzten Land Europas.

Was Kompetenzen und Handlungsspielraum von SS- und Polizei betraf, so wurde bereits in Polen nach dem insbesondere (aber nicht nur) im besetzten Osteuropa gängigen Grundsatz verfahren, dass diese zwar formal und nominell erst der Militär- und dann, ab deren Errichtung, der Zivilverwaltung unterstellt waren, aber gleichzeitig und tatsächlich ihren Terrorauftrag, von der obersten NS-Führung sanktioniert, weitgehend ungebunden und im Konfliktfall ohne Rücksicht auf andere Instanzen ausführen konnten und dies auch taten. Unterstützend hierbei wirkten noch zum einen die frühzeitige Übertragung der Standgerichtsbarkeit auf die Truppen von Polizei und SS (die bis dahin allein der Wehrmacht vorbehalten gewesen war) sowie die Etablierung einer eigenen Sondergerichtsbarkeit durch SS- und Polizeigerichte.

Ähnlich wie es für das Elsass der Fall war, wurde 1940 auch für Lothringen (Départe-ment Moselle) im Rahmen der Waffenstillstandsverhandlungen keine territoriale Regelung getroffen, die eindeutig auf eine Annektion des Gebietes durch Deutsch-land abgezielt hätte. Man wollte diese Einverleibung ebenso wie im Fall des Elsass stillschweigend betreiben, mit einer Germanisierungspolitik, die sich als Mittel zur Erreichung ihres Zieles teilweise der Vertreibung wie auch teilweise der kulturpoli-tischen Verdrängung französischer Traditionen aus dem öffentlichen Leben bediente. Die sicherheitspolizeilichen Aufgaben bestanden hier zum einen in der Unterstützung dieser Eindeutschungspolitik, zum anderen in den NS-üblichen Maßnahmen der Gegner- und Widerstandsbekämpfung.

Scope and Content

Geschichte des Bestandsbildners

Bestandsgeschichte

Die bei den Dienststellen des Persönlichen Stabs Reichsführer-SS entstandene Aktenüberlieferung teilt im wesentlichen das andernorts beschriebene allgemeine Schicksal deutscher zeitgeschichtlicher Quellen in Kriegs- und Nachkriegszeit [1].

Aktenverluste als Folge von Luftangriffen im November 1943 sind in Akten des Persönlichen Stabes mehrfach belegt. Das Dienstgebäude Prinz-Albrecht-Str. 8 ist im Februar 1945 von Bomben zerstört worden [2]; Angehörige der sowjetischen und U.S.-amerikanischen Besatzungsmacht sollen nach Kriegsende noch Akten aus den - später restlos abgetragenen - Gebäuderuinen geborgen haben [3].

Nachrichten über das Schicksal der Akten des Persönlichen Stabes bei Kriegsende liegen im übrigen nicht vor, auch nicht darüber, wo die jetzt im Bundesarchiv verwahrten Überlieferungen von U.S.-amerikanischen Truppen erbeutet worden sind. Erste Nachricht vermittelt ein Aktenverzeichnis des "7771 Document Center OMGUS", des nachmaligen und bis 1994 bestehenden U.S.-Document Center in Berlin-Zehlendorf, das nach dem Stand vom Juli 1948 einen "an andere Stelle abgegebenen" Bestand Persönlicher Stab Reichsführer-SS im Umfang von 2,5 t nachweist. Er war den Anklagebehörden der Nürnberger Kriegsverbecherprozesse zur Verfügung gestellt worden [4]. Bei der Aufbereitung der Akten für Prozeßzwecke wurden in Nürnberg zahlreiche und umfangreiche "Personalvorgänge" den Akten des Persönlichen Stabes entnommen und Führerpersonalakten des SS-Personalhauptamtes hinzugefügt. Während diese später an das Document Center in Berlin zurückkamen und - vermindert um Entnahmen z.B. für die im Document Center gegen alle archivischen Provenienzprinzipien nach sachthematischen Gesichtspunkten gebildete "Sammlung Schumacher", die im Jahre 1962 in das Bundesarchiv gelangte - bis zur Übernahme des Document Center durch das Bundesarchiv im Sommer 1994 [5] in dessen Gewahrsam verblieben, wurde die auch noch durch weitere Entnahmen für Prozeßzwecke reduzierte Überlieferung des Persönlichen Stabes während der Berliner Blockade 1948/49 in die USA überführt.

Im Gemenge mit anderen Überlieferungen aus dem Befehlsbereich des Reichsführers-SS [6] wurde sie im Zuge der allgemeinen Rückführung beschlagnahmter deutscher Archivalien aus britischem und amerikanischem Gewahrsam im Jahre 1962 von den National Archives in Washington dem Bundesarchiv in Koblenz übergeben. Sie bildet seitdem den Bundesarchiv-Bestand NS 19. Nach der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands am 3. Oktober 1990 und der Vereinigung der ehemaligen zentralen staatlichen Archive der DDR mit dem Bundesarchiv gelangten die Archivalien des Persönlichen Stabes zusammen mit den übrigen staatlichen und parteiamtlichen Beständen des Bundesarchivs aus der Zeit vor 1945 in die Zuständigkeit der neu eingerichteten Abteilung "Deutsches Reich" des Bundesarchivs, die zunächst in Potsdam ansässig war, seit 1996 Teil der Dienststelle des Bundesarchivs in Berlin-Lichterfelde ist.

Eine Ergänzung fand die Überlieferung des Persönlichen Stabes im Bundesarchiv durch eine im Document Center gebildete und ebenfalls 1962 an das Bundesarchiv abgegebene "Collection Himmler" [7]. Sie enthielt persönliche Papiere Himmlers, die im Bundesarchiv, vervollständigt um einen Mikrofilm in der Hoover Institution verwahrter Tagebuchaufzeichnungen aus den Jahren 1914-1924 [8], den Nachlaß Himmlers bilden [9]. Der überwiegende Teil der Collection bestand jedoch aus Schriftgut des Persönlichen Stabes und der SS-Adjutantur, das dem Aktenbestand Persönlicher Stab Reichsführer-SS hinzugefügt wurde. Darunter sind Notizen und Aufzeichnungen über Termine und Telefongespräche Himmlers besonders hervorhebenswert. [10] Schließlich konnten im Bundesarchiv auch die zuvor im Document Center in die "Sammlung Schumacher" gelangten Akten des Persönlichen Stabs wieder mit dem Hauptbestand in NS 19 vereinigt werden. Das gilt auch für jene Teile aus einer umfänglichen, im Document Center vor der Überführung des Bestandes in die USA angelegten Kopiensammlung von Schriftgut des Persönlichen Stabs, deren "originale" Vorlagen im Bestand nicht mehr nachweisbar sind oder noch nicht nachgewiesen werden konnten.

Die Identifizierung der Kopien mit den dazugehörigen Vorlagen erwies sich vor allem deshalb als sehr zeitaufwendig, da die innere Struktur der zumeist aus kompilierten Einzelstücken bestehenden Kopiensammlung sich von der für den Aktenbestand gefundenen bzw. neu erstellten Ordnung grundlegend unterschied. Die übrig gebliebenen, d.h. anhand von "Originalen" nicht identifizierbaren Kopien wurden schließlich als solche dem Bestand zugeordnet, ihre Überlieferungsform als Kopien wurden als Bemerkung festgehalten. Für die Mehrzahl dieser Restkopien, darunter auch die wenigen größeren zusammenhängenden Vorgänge [11], ist davon auszugehen, daß die entsprechenden "Originale" vor der Rückführung aus den USA verloren gingen, bzw. aus heute nicht mehr nachzuvollziehenden Gründen von der Rückführung ausgenommen wurden oder einfach, wie viele andere deutsche zeitgeschichtliche Quellen auch, als verschollen gelten müssen. In Einzelfällen ist hingegen auch eine Doppelüberlieferung nicht auszuschließen; die "Originale" der als Kopien verzeichneten Unterlagen mögen sich noch an unvermuteter Stelle im Bestand befinden, sie unter allen Umständen finden zu wollen, hätte einen unvertretbaren Auswand erfordert.

Im Zuge der Überarbeitung und Aufstockung des Gesamtbestandes im August 2007 durch Befehle, Anordnungen und Verfügungen der einzelnen Dienststellen im Persönlichen Stab des Reichsführers-SS sowie von Kommandobehörden der Waffen-SS und einzelne Einheiten der SS-Oberabschnitte betreffendem Schriftgut, konnte die bisher bestehende Sammlung in ihrer Bestandsbreite weiter ausgebaut werden. Weiterhin erfolgte die Aufnahme von Tätigkeitsberichten und teilweise personenbezogenen Dokumentationen der Höheren SS- und Polizeiführer sowie Bekanntmachungen, Erlasse und Befehle in Bezug auf kulturelle und weltanschauliche Angelegenheiten der Volkstums- und Umsiedlungspolitik.

[1] Vgl. zum allgemeinen Aspekt Josef Henke, Das Schicksal deutscher zeitgeschichtlicher Quellen in Kriegs- und Nachkriegszeit. Beschlagnahme - Rückführung - Verbleib, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 30 (1982), S. 557-617.

[2] Vgl. Topographie des Terrors (Anm. 51), S. 178 ff. sowie Gerald Reitlinger, Die SS, München 1957, S. 55.

[3] Feststellungen von Angehörigen des damaligen Hauptarchivs (ehem. Preußischen Geheimen Staatsarchivs) in Berlin-Dahlem.

[4] Zur Verwendung beschlagnahmter deutscher Akten für die Nürnberger Prozesse siehe Henke (Anm. 54), S. 570-577.

[5] Vgl. Dieter Krüger, Das ehemalige "Berlin Document Center" im Spannungsfeld von Politik, Wissenschaft und öffentlicher Meinung, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 45 (1997), S. 49-74.

[6] Guides to German Records Microfilmed at Alexandria/Va., Bde. 32, 33., vgl. auch Heinz Boberach, Die schriftliche Überlieferung der Behörden des Deutschen Reiches 1871-1945. Sicherung, Rückführung, Ersatzdokumentation, in: Aus der Arbeit des Bundesarchivs (oben Anm. 1), S. 50-61, hier: S. 57.

[7] Vgl. NSDAP Hauptarchiv, Guide to the Hoover Institution Microfilm Collection, compiled by Grete Heinz and Agnes F. Peterson, Hoover Institution Bibliographical Series XVII, Stanford 1964, S. 144-149.

[8] Vgl. Werner T. Angress and Bradley F. Smith, Diaries of Heinrich Himmler"s Early Years, in: The Journal of Modern History, Vol. XXXI, No. 3, 1959, S. 206-224.

[9] Bundesarchiv-Bestand N 1126.

[10] Siehe die unten in den Abschnitten B.1.3 und B.3 beschriebenen Archivalien.

[11] [(NS 19/539) und in der Ukraine 1942-1945 (NS 19/544).

Registraturverhältnisse

Für die Schriftgutverwaltung des Persönlichen Stabes war dessen Abteilung "Schriftgutverwaltung" verantwortlich. Eine "Schriftgutverwaltungsordnung" regelte "Aktenanlage und -Aufbewahrung" [1]. Der Ablageplan sah eine Unterteilung des Schriftgutes in vier Kategorien vor: Personelle Ablage (rot), Sachliche Betreff-Ablage (blau), Sonderablage (grün), Befehlsablage (gelb). Die Kennzeichnung der Vorgänge erfolgte innerhalb eines Stempelaufdrucks: Persönlicher Stab Reichsführer-SS, Schriftgutverwaltung, Akt. Nr. ..., durch handschriftliche Farbeintragungen des Namens (Personelle Ablage) oder der Ablagenummer. Die Zuweisung zu den einzelnen Kategorien, insbesondere die Abgrenzung zwischen "Personeller Ablage" und "Sachlicher Betreff-Ablage" erfolgte häufig inkonsequent, d.h., daß z.B. auch Sachen nach dem Namen von Korrespondenzpartnern abgelegt wurden.

Sachablagen konnten sowohl zu einem engeren Betreff im Sinne eines "Vorganges" erfolgen, aber auch zu Betreffserien bis zur Anzahl von 25 numerierten Einzelvorgängen anwachsen. Neben offenen Registraturakten wurden auch Geheimakten mit eigenen Registraturmerkmalen und -strukturen geführt. Die Kriegsverhältnisse und insbesondere auch die dezentralisierte Schriftgutführung in den Feldkommandostellen ließen abweichende Formen der Ablage nach einer Kombination von römisch-arabischen Ziffern ohne erkennbaren Sachzusammenhang der einzelnen "Vorgänge" entstehen, z.T. auch - ursprünglich nicht vorgesehene -Korrespondenzakten. Registraturhilfsmittel und nicht erhalten gebliebene Ablagehilfsmittel mögen den Zugriff zu dem nicht besonders hochentwickelten Schriftgutablagesystem einigermaßen gesichert haben.

[1] NS 19/2881.

Archivische Bewertung und Bearbeitung

Beschlagnahmevorgänge bei Kriegsende, Aktentransporte zu Aktensammelstellen, Aktenentnahmen und Aktenumschichtungen zu verschiedenen Zwecken (z.B. für die Nürnberger Prozesse und für die biographischen Sammlungen des Document Center in Berlin), Mischungen von Provenienzen und Neubildungen von Akten haben das ohnehin schwache Ordnungssystem nicht unbeeinträchtigt gelassen. Hinzu kommt, daß Akten, die gleichsam auf den Schreibtischen der Dienststellen und Behörden beschlagnahmt wurden, und dazu zählt ein Großteil der bei SS-Dienststellen erbeuteten Unterlagen, sich zumeist in losem Zustand befanden und für Ordnungsstörungen besonders anfällig waren.

Die in die USA gelangte Überlieferung der SS wurde dort im wesentlichen nach drei Kategorien geordnet: Akten von Kommandobehörden und Truppen der Waffen-SS einerseits und Akten von SS-Oberabschnitten mit unterstellten Einheiten und Einrichtungen andererseits fügte man in getrennten Komplexen mit unterschiedlicher Signierung zusammen. In einer dritten Kategorie führte man, in provenienzmäßiger Überschneidung zu den beiden genannten Kategorien und in einer bunten Provenienz- und Pertinenzmischung (so z.B. Akten staatlicher Behörden mit SS-Betreffen), alle die Akten zusammen, die geeignet erschienen, die SS als Organisation mit ihren vielfältigen Verästelungen darzustellen. Im Federal Records Center, einem Aktendepot in Alexandria, Virginia, bei Washington, D.C., wurden diese Akten - wie zahlreiche andere Überlieferungen ziviler Provenienzen auch - nach einem Schema geordnet, das man auf der Basis eines erbeuteten "Einheitsaktenplans für das OKW und das OKH" entwickelt hatte. Die SS-Akten wurden den EAP (= Einheitsaktenplan)-Sammelgruppen 160-164 (160 = Entwicklung der SS, 161 = Spitzengliederung der SS, 162 = Territoriale Gliederung der SS, 163 = Werbung, Dienst, besondere Angelegenheiten der Allgemeinen SS, 164 = Konzentrationslager und Totenkopfverbände) zugeordnet, innerhalb dieser in eine Sachgruppe mit ein oder zwei Untergruppen. Diese Ordnung wurde in eine alpha numerische Signatur umgesetzt (z.B. EAP 161-c-28-10); die Zählung der Akteneinheiten folgte nach einem Querstrich in der Numerierung 1-N (z.B. EAP 161-c-28-10/1).

Dieser so gebildete, von den Amerikanern weitgehend verfilmte und schließlich in das Bundesarchiv gelangte Aktenkomplex wurde hier nach Provenienzen aufgeteilt. Erhebliche Teile der Archivalien bilden heute die Bestände NS 31 (SS-Hauptamt), NS 33 (SS-Führungshauptamt) und NS 34 (SS-Personalhauptamt). Beträchtlichen Zuwachs aus dieser Rückgabe erhielten auch die Bestände NS 7 (SS- und Polizeigerichtsbarkeit), NS 3 (SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt), NS 4 (Konzentrationslager), NS 21 (Ahnenerbe), NS 17 (Leibstandarte SS "Adolf Hitler") NS 32 (SS-Helferinnenschule Oberehnheim), NS 2 (Rasse- und Siedlungshauptamt-SS) und NS 48 (Sonstige zentrale Einrichtungen der SS, dabei auch wenige Restunterlagen des Statistisch-wissenschaftlichen Instituts und der SS-Schule "Haus Wewelsburg") sowie - in unterschiedlichem Umfang - zahlreiche weitere Archivalienbestände parteiamtlicher, aber auch staatlicher Provenienzen.

Unterlagen regionaler SS-Dienststellen und -Einrichtungen, insbesondere von SS-Oberabschnitten und SS-Abschnitten, aber auch von SS-Standarten, - Sturmbannen und -Stürmen gelangten in die zuständigen Staatsarchive der Länder. Die vorgefundenen Akten von Einheiten der Waffen-SS wurden an die Abteilung Militärarchiv des Bundesarchivs in Freiburg i. Br. für die dortige Bestandsgruppe RS abgegeben. Die ursprünglich in der "Befehlsablage", später im Bundesarchiv in einer "SS-Befehlssammlung" vereinigten Befehle, Anordnungen, Verfügungen und Mitteilungen aller zentraler Dienststellen der SS wurden in chronologischen Serien nach Ausstellerprovenienz (Reichsführer-SS, SS-Hauptämter bzw. übrige unterstellte Organisationseinheiten) neu strukturiert und den entsprechenden Provenienzbeständen zugewiesen. Das hatte zur Folge, daß im Bestand NS 19 lediglich noch die besondere Kategorie der so genannten "SS-Befehle" und die vom Reichsführer-SS ohne jeden Zusatz sowie die von den Dienststellen des Persönlichen Stabes selbst erlassenen Befehle, Verfügungen und Anordnungen enthalten sind.

Das verbliebene Schriftgut des Persönlichen Stabes, seinerzeit dann auch Bestand NS 19 "neu" genannt, zeigte sich, wie ein Blick in die Microfilm-Guides bestätigen kann, als Überlieferung, die zwar zum großen Teil aus formierten Schriftgutverwaltungsakten bestand, aber weder in der überkommenden Ordnung noch Aktenbeschreibung belassen werden konnte. In einem allerdings sehr zeitaufwendigen Arbeitsverfahren, das von der im Hinblick auf die authentische Dokumentation der Geschichte der SS und des NS-Staates gar nicht zu überschätzende Qualität des Bestandes her jedoch voll gerechtfertigt war, wurde, in der Regel ohne Rücksicht auf die originären Akteneinheiten, eine Neuordnung und Neuverzeichnung nach Vorgängen oder Betreffserien - soweit diese in sinnvoller Anlage gebildet worden waren - vorgenommen. Vorrangiges Ziel war, aus größeren Schriftgutkomplexen ohne oder mit nur geringem Sachzusammenhang möglichst sachlich klar definierte und beschriebene Vorgänge zu schaffen. Daß dies nicht selten zu archivisch gebildeten Archivalieneinheiten führte, deren Umfang sehr gering, oft nur minimal ist, mußte dabei in Kauf genommen werden, auch die daraus resultierende Enttäuschung des Benutzers darüber, hinter einem von der Sache her wichtigen Titel lediglich einen aus wenigen Blättern bestehenden Archivalienband zu finden. Umfänglichere Archivalieneinheiten erscheinen in der Regel mit detaillierten "Enthält"- und "Hierin"-Vermerken, so daß deren erschöpfende inhaltliche Beschreibung ebenfalls gewährleistet erscheint.

Die schon Ende der sechziger Jahre von Elisabeth Kinder begonnene Verzeichnung richtete sich grundsätzlich nach den seinerzeit im Bundesarchiv gültigen, am 15. Januar 1963 in Kraft getretenen "Richtlinien für die Titelaufnahme moderner Akten" (Anweisung für die archivarische Tätigkeit Nr. 29). Die aufgenommenen Laufzeiten der zum größten Teil archivisch neu gebildeten Archivalieneinheiten folgen durchweg dem aktenmäßig zuerst und zuletzt feststellbaren Datum. Abweichungen sind in der Regel kenntlich gemacht. Nur dort, wo es wichtig und vor allem zweckmäßig erschien, vor allem bei Einzeldokumenten, werden auch Monats- und Tagesangaben gemacht. Laufzeiten von aus dem Zeitrahmen des eigentlichen Vorgangs fallenden Anlagen, auch von sonstigen Schriftstücken, die offensichtlich zeitliche "Ausreißer" sind, werden in Klammern, erschlossene Zeitangaben in eckigen Klammern aufgeführt.

Mit Kassationen wurde bei der Erschließung auch dieses Bestandes von Archivalien des NS-Regimes - abgesehen von Doppelstücken und der Kopiensammlung aus der "Sammlung Schumacher" - mit äußerster Vorsicht umgegangen. Auch in den Fällen, in denen archivfachliche Gründe durchaus eine Kassation nahelegten, entschied man sich grundsätzlich für die Erhaltung der Archivalien. An das bisweilen auch politische Dimensionen berührende Problem der Vernichtung von Akten bedeutsamer Behörden und Dienststellen des NS-Staates, insbesondere wenn diese, wie die der SS und insbesondere des Reichsführers-SS, unmittelbar mit dessen Ideologie und Vernichtungsmaschinerie verknüpft waren, sei in diesem Zusammenhang erinnert. [1]

Die nach Abschluß der Titelaufnahmen vorgenommene Klassifikation des Bestandes konnte sich nicht, wie z.B. bei einer Vielzahl von Ministerialaktenbeständen, auf vorgegebene Aktenpläne oder andere weit entwickelte Registraturhilfsmittel stützen. Zu finden war daher eine registraturunabhängige sachliche Gliederung, die sich in erster Linie aus der oben beschriebenen Kompetenzstruktur des Persönlichen Stabs, im weiteren Sinne auch aus dem von den verschiedenen Hauptämtern und sonstigen zentralen Dienststellen organisatorisch gekennzeichneten Gesamtaufgabenbereich der Reichsführung der SS begründete. Von der oben skizzierten Registraturordnung sind in großen Zügen lediglich noch die bereits erwähnte "Befehlsablage" (im Abschnitt C.1) und die "Personelle Ablage" (Abschnitte C.2 und C.7.6) erkennbar. Daß diese eher sachlich-fachliche Gliederung von den besonderen, zuweilen absonderlich-skurrilen persönlichen Interessegebieten Himmlers in auffälliger Weise akzentuiert, bisweilen sogar überlagert wird, so in den Bereichen Gesundheitswesen, Rassen- und Bevölkerungspolitik, Wissenschaft, Ernährung, Pflanzenzucht und Erfindungen, gibt dem Bestand seines Persönlichen Stabs eine besondere, von den Überlieferungen der übrigen SS-Hauptämter abweichende, eben "persönliche" Färbung.

Zwar sind die einzelnen Gliederungsbereiche primär als auf die SS bezogen zu verstehen. Erziehung und Schulung meinen also zunächst Erziehung und Schulung der SS. Wissenschaft steht vor allem für die von der SS betriebene und in ihrem ideologischen Sinne mißverstandene, ja, pervertierte "Wissenschaft". Und Wirtschaft bezieht sich vorrangig auf die SS-Wirtschaftsbetriebe. Unschwer ist jedoch zu erkennen, daß eine Vermengung mit "SS-freien" Dimensionen der Begriffe und Bereiche nicht immer zu vermeiden war. Im Kapitel Finanzen sind neben der Finanzierung der SS auch zum Teil Aspekte der staatlichen Finanzpolitik dokumentiert, neben der Verwaltung und der gänzlich ideologisierten gesundheitspolitischen Vorstellungen der SS betreffen manche Akten eben auch die staatliche Verwaltung, ebenso die staatliche Gesundheitspolitik. Der Abschnitt C.19 (Reichsverteidigung...) betrifft auch die Kriegführung der Wehrmacht neben der breit belegten Aufstellung, Organisation und dem Einsatz von Himmlers Waffen-SS. Letztlich erscheint diese Vermischung aber als ein Spiegelbild der in Himmlers Machtapparat durchweg praktizierten Gemengelage staatlicher und parteiamtlicher, hier also zumeist "SS-mäßiger" Kompetenzen, abgesehen davon, daß eine überzeugende archivische Trennung zumeist nur auf "Blattebene" möglich und damit zu aufwendig gewesen wäre. Querverweise wurden verhältnismäßig sparsam angebracht. Dagegen erscheinen Titel, die für mehrere Sachbereiche zutreffen, im Zweifelsfall mehrfach, also in jedem der jeweils passenden Abschnitte.

Seit seiner Rückführung in das Bundesarchiv war der Bestand aufgrund der von den Alliierten vor der Rückgabe deutscher Akten von der Bundesregierung erbetenen Offenhaltungserklärung [2] von Anfang an und ständig benutzbar. Und zweifellos gehört er zu den seitdem am häufigsten benutzten Archivalien des Bundesarchivs. In den mehr als drei Jahrzehnten wurde er unverändert stark für alle Benutzungszwecke herangezogen, im wesentlichen natürlich für die historische Forschungen, aber auch für die bis in die späten siebziger Jahre hinein noch zahlreichen in- und ausländische Prozesse wegen NS-Gewaltverbrechen bzw. NS-Kriegsverbrechen. Dies führte nicht nur zu der ungewöhnlich langen Dauer seiner Erschließung - auch die Bearbeitung des Bestandes konnte aus archivfachlichen wie politischen Gründen kein Anlaß sein, die Archivalien zeitweise von der Benutzung auszuschließen - sondern auch zu unterschiedlichen, dem jeweiligen Erschließungszustand entsprechenden Zitierweisen in den zahlreichen Publikationen, zu deren Erstellung er herangezogen war. Neben den vor allem in sehr frühen Publikationen nahezu ausschließlich verwendeten amerikanischen EAP-Signaturen wurden häufig auch die unmittelbar nach der Rückführung, aber noch vor der Verzeichnung vergebenen "alten" NS-19-Signaturen gebraucht, diese ab den späten sechziger Jahren zunehmend zusammen mit den im Laufe der Neuverzeichnung vergebenen NS 19 ("neu")-Signaturen. Nach Abschluß der Verzeichnung, als es nur noch "neue" Signaturen gab, verzichtete man folgerichtig auf den Zusatz "neu", was wiederum in Einzelfällen zu Verwechslungen mit den früher verwendeten "alten" NS 19-Nummern führte, die ja ebenfalls ohne Zusatz "alt" ausgekommen waren.

Auf eine an sich wünschbare Konkordanz zwischen EAP-, NS 19 ("alt")- und NS 19 ("neu")-Signaturen wurde allerdings verzichtet, ebenso auf den jeweiligen Nachweis der entsprechenden EAP-Signatur bei der Beschreibung der einzelnen neu gebildeten Archivalieneinheiten. Zum einen erlaubt die aufwendig geleistete Detailliertheit und Tiefe der Verzeichnung in aller Regel das Wiederauffinden gesuchter Vorgänge, aber auch einzelner Dokumente, zum anderen hätte die Tatsache, daß in der Mehrzahl der Fälle einer EAP- oder NS 19 ("alt")-Nummer eine Vielzahl - in Einzelfällen bis zu 30 und mehr - von NS 19 ("neu") Signaturen entspricht, und umgekehrt für eine NS 19 ("neu")-Signatur häufig mehrere EAP- oder NS 19 ("alt")-Nummern stehen. Unabhängig davon ist das Bundesarchiv in der Lage, im Bedarfsfall aufgrund interner Konkordanzen und Aufschreibungen den Verbleibsnachweis für solche gesuchte Dokumente zu führen, von denen nur eine amerikanische EAP- oder eine "alte" NS-19-Signatur bekannt ist. Die Anzahl solcher Wünsche ist in den letzten Jahren jedoch deutlich zurückgegangen. Alle seit den achtziger Jahren erschienenen Publikationen verweisen grundsätzlich nur noch auf die neu vergebenen Signaturen, so daß Probleme bei der Verifizierung von Akten des Persönlichen Stabs allenfalls noch bei der Heranziehung älterer Literatur auftreten. Schließlich sei daran erinnert, daß der U.S.-amerikanische Mikrofilmbestand "Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei" weder inhaltlich noch von der Ordnung her noch mit dem heutigen Bundesarchiv-Bestand NS 19 identisch ist. Die nach EAP-Nummern ausgerichtete, und in den Guides 32 und 33 publizierte Erschließung ist grundsätzlich nur für den amerikanischen Mikrofilm-Bestand anwendbar, nicht aber auf die Neuverzeichnung und Neuordnung des Bundesarchivs übertragbar. Für die Benutzung des Bestandes NS 19 ist demnach ausschließlich die nun vorliegende archivfachliche Erschließung des Bundesarchivs heranzuziehen. [3]

Im Zuge der Veröffentlichung des Findmittels in Form eines Online-Findbuches und der damit einhergehenden Bereitstellung der Erschließungsinformationen der Archivalien via Internet, erfolgte im August 2007 eine Bestandsüberarbeitung. Dabei wurden neben der Redigierung einiger Klassifikationszuordnungen von Einzeltiteln auch eine Neuerschließung von ca. 170 bisher noch unerschlossener bzw. nur vorläufig verzeichneter Akteneinheiten vorgenommen. Ergänzungen fand die Gesamtüberlieferung vor allem durch Akten und Dossiers der Sammlung „NS-Archiv des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR".

Beigefügt wurden ebenfalls mehrere Archivalien aus der Sammlung des ehemaligen Berlin Document Centers. Darunter sind speziell zu nennen die Reproduktionen der "Collection Himmler" mit persönlichen Unterlagen des Reichsführers-SS Heinrich Himmler sowie Redesammlungen und Aufzeichnungen dienstlicher und privater Provenienz.

Weiterhin fanden ausgewählte Schriftstücke aus deutschen Akten, die durch die National Archives and Records Administration (NARA) in Washington verwahrt werden, ihren Eingang in den Gesamtbestand. Zwar in Form von Fotokopien vorliegend, geben sie dabei neben privatdienstlichen Belangen Schriftgut Heinrich Himmlers auch Auskunft über die interne SS-Aufgabenverwaltung, Polizeigerichtsbarkeit sowie Zustandsberichte über Arbeitskrafteinsätze im Generalgouvernement.

[1] Vgl. Josef Henke, Quellenschicksale und Quellenbewertung. Archivische Überlieferungsbildung zur Verfolgung der Sinti und Roma im Dritten Reich, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 41 (1993), S. 61-67.

[2] Henke (oben Anm. 54), S. 595; dort die vom Staatssekretär im Auswärtigen Amt Hallstein mit Schreiben vom 14.3.1956 dem U.S.-Botschafter Conant gegebene Versicherung, daß die Bundesregierung "die zurückgegebenen Akten in archivarisch ordnungsgemäßer Weise aufbewahren und in- und ausländischen Gelehrten jederzeit Einsicht in die Akten gewähren wird."

[3] Dazu auch Henke (oben Anm. 54), S. 599.

Bestandsbeschreibung

Dienststellenverwaltung:

Dienstgebäude, Ausweichquartiere, Feldkommandostellen einschließlich der Sonderzüge 1939-1945 (14), Organisation und Geschäftsverteilung, innerer Dienst 1935-1945 (26), Schriftver‧kehr und Schriftgutverwaltung 1934-1945 (39), Beschaffungswesen 1938-1945 (10), Haus‧halts-, Kassen- und Rechnungswesen (1937) 1939-1945 (9), Personalangelegenheiten (1935) 1938-1945 (28)

Reichsführer SS, Dienststellenleitung, Persönliches Referat, Adjutanturen, Handakten:

Reichsführer SS Heinrich Himmler (persönliche und privatdienstliche Angelegenheiten): Persönliches 1926-1945 (21), persönlicher und privatdienstlicher Schriftwechsel 1929-1945 (17), Kalendernotizen, Terminbücher, Besprechungsnotizen, Telefongespräche 1934-1944 (17), Einladungen 1934-1944 (5), Beschaffung von Büchern, Gemälden und anderen Kunst‧gegenständen 1937-1945 (19), Glückwünsche, Geschenke 1935-1945 (61), Paten‧schaften 1936-1945 (9), Freundeskreis des Reichsführers SS 1938-1944 (3), Reden und Aufrufe 1926-1945 (36); Chef des Persönlichen Stabs Reichsführer SS 1937-1945 (7), Persönlicher Referent 1938-1945 (15), Adjutanturen 1934-1945 (13), Abteilung Auszeichnungen und Orden (der SS-Ad‧jutantur unterstellt) 1938-1944 (11), sonstige Handakten bzw. persönliche und privatdienstli‧che Ablagen 1938-1944 (4)

Aufgabenverwaltung:

Befehle, Anordnungen, Verfügungen, Rundschreiben des Reichsführers SS 1931-1945 (11), allgemeine personenbezogene Vorgänge: Sammelvorgänge 1933, 1941-1945 (6), Einzel‧vorgänge (A-Z) 1929-1945 (642); NSDAP, Gliederungen (außer SS), angeschlossene Ver‧bände, Organisation Todt, Reichsarbeitsdienst: Adolf Hitler (1930, 1935) 1938-1945 (11), Reichsleiter, Gauleiter und sonstige Parteiführer 1938-1944 (16), Dienststellen der Reichs‧leitung, angeschlossene Verbände 1937-1944 (24), Gliederungen (einschließlich SA, Hitler-Jugend, NS-Frauenschaft) 1934-1945 (27), NS-Fliegerkorps 1940, 1945 (2), NS-Reichskrie‧gerbund, Stahlhelm 1935-1942 (3), Organisation Todt (OT) 1943-1945 (3), Reichsarbeits‧dienst (RAD) 1938-1945 (9)

Allgemeiner Aufbau und Organisation der SS, Einheiten der Allgemeinen SS: Anfänge, Auf‧gabenstellung, allgemeine Entwicklung und Aufbau 1925-1944 (21), Tagungen, Veranstal‧tungen, Feiern 1936-1944 (22), Uniformen, Abzeichen, Standarten 1935-1944 (17), SS-Oberabschnitte und -Abschnitte, Einheiten der Allgemeinen SS 1930-1945 (10), Personal‧wesen (SS-Führer) 1937-1945 (23)

Beziehungen zum Ausland, allgemeine Besatzungspolitik: Auswärtiges Amt 1934-1945 (10), allgemeine außenpolitische Berichterstattung 1941-1943 (-1945) (5), Europa-Gedanke, Frie‧denspläne 1941-1943 (2), einzelne Staaten und Gebiete 1934-1945 (591)

Allgemeine innere Verwaltung, Raumordnung 1936-1945 (7)

Polizei, einschließlich SS- und Polizeigerichtsbarkeit, sonstige Gerichtsbarkeit: Ordnungspo‧lizei 1937-1944 (15), Sicherheitspolizei und SD 1934-1945 (122), Höhere (und Höchste) SS- und Polizeiführer (1937-) 1939-1945 (26), Bekämpfung von Partisanen und sonstigen Wider‧standsgruppen, Bandenkampfverbände 1941-1945 (29), SS- und Polizeigerichtsbarkeit, or‧dentliche und sonstige Gerichtsbarkeit 1935-1945 (31), personenbezogene Einzelfälle A-Z, v.a. polizeiliche bzw. SS- und polizeigerichtliche Ermittlungen und Maßnahmen, u.a. Fälle der ordentlichen und Wehrmachtsgerichtsbarkeit 1934-1945 (276), Reichssi‧cherheitsdienst 1935-1942 (51)

Konzentrationslager (einschließlich Konzentrationslager-Produktionsstätten) und andere Haftstätten: Allgemeines 1935-1944 (17), einzelne Lager und Häftlingseinsätze 1938-1945 (30)

Gesundheits-, Medizinal- und Sanitätswesen: Organisation, Zuständigkeiten, Einzelvorgänge (1934) 1937-1944 (33), naturgemäße Lebensweise, Naturheilverfahren 1938-1945 (17), me‧dizinische Forschungen und Versuche, einschließlich Experimenten an Konzentrationslager-Häftlingen 1937-1945 (35), Behandlung von Geisteskranken, Euthanasie (1935) 1940-1943 (6)

Rassen-, Bevölkerungs- und Volkstumspolitik: Allgemeines (Ämter, Institutionen, Forschun‧gen) 1935-1944 (18), Rassenpolitik (Behandlung und Verfolgung von Juden, Zigeunern und anderen rassischen Gegnern) 1934-1945 (24), Bevölkerungspolitik (einschließlich Verlo‧bungs-, Heirats- und Eheangelegenheiten, Geburtenförderung, des Vereins "Lebensborn", Einzel‧fällen (v.a. "Lebensborn"-Angelegenheiten, Fürsorge für uneheliche Kinder, Adop‧tionen, Vaterschaftsanerkennungen, verbotene Abtreibungen), Verhütung unerwünschter Kinder, Sterilisierung, straffreie Abtreibung (1931) 1934-1945 (173), Volkstums- und Sied‧lungspolitik, einschließlich Allgemeines (Organisation, Zuständigkeiten, Grundsatzangele‧genheiten), Deutschtums im Ausland, Volksdeutschen, "Eindeutschungen", Volkstumsarbeit in den "germanischen Ländern", Grundsätzen der Siedlungspolitik, Um- und Ansiedlungen von Reichs- und Volksdeutschen, Um- und Aussiedlung von "Fremdvölkischen" (Allgemeines, einzelne Gebiete) 1939-1945 (178)

Kirchensachen 1935-1945 (23)

Erziehung und Schulung, Führerausbildung: Führernachwuchs.- Allgemeines, Institute, Schulen, Dienststellen 1940-1945 (19), SS-Schule "Haus Wewelsburg" 1938-1944 (12), SS-Junkerschulen 1938-1943 (3), SS-Mannschaftshäuser 1938-1942 (5), weltanschauliche Schulung 1938-1945 (16), Leibeserziehung, Sport 1937-1944 (8)

Wissenschaft, Presse und Propaganda: Wissenschaftliche Institutionen.- Allgemeines (v.a. Reichsforschungsrat, "Das Ahnenerbe"), Universitäten 1937-1945 (17), einzelne Forschungsgebiete und -projekte (1806-1807, 1932) 1933-1945 (150), Pressearbeit, "Das Schwarze Korps" 1935-1945 (11), Propaganda 1939-1945 (12)

Wirtschaft und Verwaltung, Finanzen: Angelegenheiten des SS-Wirtschafts-Verwaltungs‧hauptamtes und seiner Vorgänger 1938-1945 (7), Haushalts-, Kassen- und Besoldungswe‧sen der SS 1936-1944 (14), Verpflegungswirtschaft 1942-1945 (12), Bekleidung und Ausrü‧stung 1938-1945 (21), Steine und Erden (einschließlich der Porzellan-Manufaktur Allach), Bau-, Wohnungs- und Unterkunftswirtschaft 1938-1945 (34), Erwerb von Ländereien, Gütern, Schlössern und Burgen für die SS, Stiftungen 1938-1944 (8), Rüstung und Kriegsproduktion 1936-1945 (126), sonstige Betriebe der gewerblichen Wirtschaft, Arisierungsmaßnahmen (1935) 1937-1945 (16), Bodenschätze, Rohstoffe, Energiewirtschaft 1938-1945 (40), staatli‧che Finanzen, Zollgrenzschutz 1942-1944 (4)

Statistik 1935-1945 (39)

Ernährung, Landwirtschaft, Forsten: Land- und Forstwirtschaft, Ernährungslage 1937-1945 (23), Ernährungswissenschaft, Pflanzengenetik, Pflanzenzucht (auch zur Gewinnung von Rohstoffen) 1938-1945 (26), Tierzucht und Veterinärwesen 1938-1944 (16)

Arbeit, Soziales: Arbeitskräfteeinsatz, Fremdarbeiter 1939-1945 (22), Soziales, v.a. Fürsorge- und Versorgungsangelegenheiten der SS (1933-) 1938-1945 (23)

Post und Verkehr 1935-1945 (22)

Reichsverteidigung, Mobilmachung, Krieg, bewaffnete Teile der SS, Waffen-SS: Allgemei‧nes, v.a. allgemeine Verwaltung und Organisation der Waffen-SS (außer Feldtrup‧penteilen) 1938-1945 (18), Aufstellung, Organisation und Einsatz von Einheiten der Waffen-SS 1935-1945 (231), Angelegenheiten der Wehrmacht und Wehrmachtteile 1937-1945 (33), Ersatz- und Ergänzungswesen der Waffen-SS 1938-1945 (58), (militärische) Ausbildung, Bewaffnung und Ausrüstung, Nachschub und Transportwesen 1939-1945 (35), Nachrichten‧verbindungen, Fernmelde- und Fernsprechwesen 1933-1945 (30), Kriegspropaganda, SS-Kriegsberichter-Abteilung, SS-Standarte "Kurt Eggers" (nach 1941) 1942-1945 (19), Kriegseinsatz und Kriegsführung 1939-1945 (89), Abwehrangelegenheiten 1938-1945 (24), Kriegsgefangenenwesen, u.a. deutsche und ausländische Kriegsgefangene 1942-1945 (27)

Langtext:

Die Überlieferung reicht in die Zeit bis 1925 zurück und bis in den Monat April 1945 hinein. Der Aufgabe des Persönlichen Stabes als "zentrale Befehlsstelle" Himmlers entsprechend dokumentiert der Bestand sowohl Angelegenheiten, die an Himmler zur Unterrichtung bzw. Entscheidung herangetragen wurden, als auch Vorgänge, die ex officio entstanden: Weisungen und Ideen Himmlers wurden weitergegeben mit der Auflage, sie auszuführen oder auf Realisierbarkeit hin zu prüfen [1]. In Akten und Einzelschriftstücken spiegeln sich nahezu alle Aufgabengebiete und Interessenbereiche Himmlers. Während sich die Aufgabenbereiche als Reichsminister des Innern und die kurzen Phasen der Funktionen als Oberbefehlshaber des Ersatzheeres und zweier Heeresgruppen in nur geringem Maße belegt finden, sind die Positionen als Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei und als Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums in beachtenswertem Umfang dokumentiert; Volkstums- und Umsiedlungsangelegenheiten sind kaum weniger dicht belegt als Aufgaben und Tätigkeiten der Höheren SS- und Polizeiführer in den eingegliederten und besetzten Gebieten.

Eine Beschreibung der Vielfalt an Informationen, die dieser Bestand vermittelt, ist über die Charakterisierung als Produkt einer Kanzlei Himmlers, die neben den Fachressorts eine besondere Rolle spielte, und die Aufzählung der Kompetenzen hinaus kaum möglich. Die Bandbreite der Informationen umfaßt die Geschichte der Allgemeinen und der Waffen-SS, der Konzentrationslager und der Totenkopfverbände, kulturelle und weltanschauliche Angelegenheiten, Volkstums- und Siedlungspolitik, Himmlers gesundheits- und bevölkerungspolitische Vorstellungen, Wirtschafts- und Landwirtschaftsangelegenheiten, insbesondere auch Himmlers Pläne im Bereich der Pflanzenzucht, die Bedeutung, die er Wünschelrutengängern bei der Auffindung von Wasseradern und Bodenschätzen zumaß, die Politik und Maßnahmen der SS in den annektierten Gebieten, die Verfolgung und Vernichtung der Juden und anderer rassischer und politischer Gegner und Bevölkerungsgruppen, schließlich die Organisation und den Einsatz der Waffen-SS im Krieg. Unter den besonders augenfälligen Dokumenten kann eine Sammlung handschriftlicher Notizen Himmlers zu Vorträgen bei Hitler [2] sowie eine Sammlung von Reden und Redenotizen aus den Jahren 1925-1945 genannt werden [3]. Die Einschränkung, daß insbesondere für die Zeit ab 1939 eine Fülle von Unterlagen - wiederum der Funktion des Persönlichen Stabes entsprechend - nur punktuell informieren, so z.B. über die Landung der Alliierten in Nordafrika, über Widerstandsbewegungen usw., vermag den Dokumentationswert der Überlieferung nicht in Frage stellen. Daß Kompetenzstreitigkeiten zwischen der Vielzahl von SS- und Polizeidienststellen, die vom Persönlichen Stab zu schlichten waren, besonders oft in den Vorgängen sichtbar werden, hat freilich zur Überschätzung der Konflikte innerhalb der SS geführt, die der älteren Vorstellung von der "monolithischen Organisation" entgegengestellt wurde [4].

Um die Realität des SS-Staates zu erfassen, bietet der Persönliche Stab mit seinen vielen tausend Dokumenten zweifellos die zentrale Überlieferung. Sie finden ihre natürliche Ergänzung in den Akten der bereits mehrfach erwähnten übrigen Hauptämter der Reichsführung-SS (NS 31, NS 33, NS 34, NS 7, NS 3, NS 2, NS 48), des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums (R 49), der Volksdeutschen Mittelstelle (R 59) und von Institutionen, die als "Ämter" im Persönlichen Stab verankert waren, insbesondere des "Ahnenerbes" (NS 21) und des Amtes "Lebensborn" [5]. Von erheblicher Bedeutung in diesem Zusammenhang sind auch die Überlieferungen des Reichssicherheitshauptamtes (R 58) und des Hauptamtes Ordnungspolizei (R 19), aber auch von Polizeidienststellen in den besetzten Gebieten (R 70). Ergänzend sind staatliche Akten insbesondere der Reichskanzlei (R 43), des Reichsjustiz- (R 3001) und des Reichsfinanzministeriums (R 2) heranzuziehen. Sie bestätigen das aus den Unterlagen von Himmlers Persönlichem Stab zu gewinnende Bild: daß "die in der Zwischenzone zwischen Partei und Staat etablierten sekundären bürokratischen Apparate ... der ziellosen und widersprüchlichen verbrecherischen Dynamik, die das Regime freisetzte, ... den Charakter bürokratisch gesteuerter Planmäßigkeit" gaben [6].

Der Bestand des Persönlichen Stabs Reichsführer-SS gehört zu jenen deutschen zeitgeschichtlichen Quelle, deren Existenz seit Kriegsende bekannt war, die seit langem frei zugänglich und seit Jahrzehnten laufend und intensiv für die wissenschaftliche Forschung ausgewertet worden sind. Spektakuläre Neuentdeckungen, die nach Öffnung der Archive in der ehemaligen DDR und in Osteuropa an der Tagesordnung waren und heute von der historischen Forschung gleichsam abgefordert werden, sind heute in NS 19 zweifellos weniger zu erwarten. Die quantitative Fülle wie auch der hohe Quellenwert der Archivalien jedoch rechtfertigen die sichere Erwartung, daß die Akten auch künftig für überkommene, deswegen zumeist aber nicht überholte und für neue Fragestellungen der Geschichtswissenschaft immer wieder mit Gewinn herangezogen werden. Nicht nur überraschende Neuentdeckungen in Einzelfällen [7], vor allem die durchweg hohe Qualität der im Bestand enthaltenen Quellenbasis für Themen der sich weiter entwickelnden historischen Forschung zu nahezu allen Aspekten des NS-Regimes, dessen Verstehen und Analyse eine gleichbleibend große historisch-wissenschaftliche wie auch politische und moralische Herausforderung der Gegenwart bleiben, verleihen diesen Archivalien ihren außergewöhnlichen und bleibenden Wert.

[1] Eine Vorstellung von der Vielfalt der Überlieferung vermittelt die Publikation - häufig unter dem Aspekt des Skurrilen und Absurden - ausgewählter Dokumente: Reichsführer!... Briefe an und von Himmler, hrsg. von Helmut Heiber, Stuttgart 1968.

[2] NS 19/1447 und 1448.

[3] Siehe unten Abschnitt B.1.9, insbes. NS 19/4002 bis 4018. - Vgl. auch Heinrich Himmler, Geheimreden 1933 bis 1945 und andere Ansprachen, hrsg. von Bradley F. Smith und Agnes F. Peterson, Frankfurt 1974. Die im Verzeichnis der Reden Himmlers, S. 268-277, als unvollständig bezeichneten Reden anläßlich der SS-Gruppenführer-Besprechungen am 8.11.1936 in Dachau und am 18.2.1937 in Tölz liegen im Bundesarchiv nach Ermittlung der stenographischen Aufzeichnungen und Anfertigung maschinenschriftlicher Übertragungen jetzt in vollständiger Überlieferung vor (NS 19/4003 u. 4004)

[4] So vor allem von Heinz Höhne, Der Orden unter dem Totenkopf. Die Geschichte der SS, Hamburg 1966, der den Bestand - leider allerdings in Form der amerikanischen Mikrofilme und ihrer EAP-Signaturen - weitgehend benutzt hat, in Auseinandersetzung mit Eugen Kogon, Der SS-Staat, Frankfurt 1946. Auf eine Auflistung der derzeit vorliegenden allgemeinen Literatur zu Himmler, zur Geschichte der SS und deren Rolle im nationalsozialistischen Herrschaftssystem, wird hier verzichtet.

[5] Überlieferungssplitter in NS 48/28-32; Restakten, insbesondere zu Einzelfällen der Tätigkeit des "Lebensborn", werden beim Internationalen Suchdienst, Arolsen/Waldeck, verwahrt.

[6] Hans Mommsen, Der Nationalsozialismus, in: Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Bd. 16, Mannheim 1976, S. 790.

[7] Vgl. z.B. Lucien Steinberg, Un Document essentiel qui situe les dèbuts de la "Solution Finale de la Question Juive", Paris 1992. Es handelt sich um Aufzeichnungen Eichmanns (Leiter des Referats IV B 4 im Reichssicherheitshauptamt) für Himmler, in denen Eichmann Ende 1940 von 5,8 Millionen Juden spricht, die als "Objekte" der "Endlösung der Judenfrage" infrage kämen (NS 19/3979).

Erschliessungszustand

Publikationsfindbuch: Henke, Josef: Persönlicher Stab Reichsführer-SS (Bestand NS 19), 2 Teilbände (Findbücher zu Beständen des Bundesarchivs, Bd. 57), Koblenz 1997 , Online-Findbuch

Nacherschließungen in Datenbank

Zitierweise

BArch NS 19/...

Related Units of Description

  • Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv

  • NS 2 Rasse- und Siedlungshauptamt SS

  • NS 3 SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt

  • NS 7 SS- und Polizeigerichtsbarkeit

  • NS 21 Lehr- und Forschungsgemeinschaft "Das Ahnenerbe"

  • NS 31 SS-Hauptamt

  • NS 32 II SS-Herlferinnenschule Oberehnheim

  • NS 33 SS-Führungshauptamt

  • NS 34 SS-Personalhauptamt

  • N 1126 Nachlass Himmler

  • NS 48 Sonstige zentrale Dienststellen und Einrichtungen der SS

  • R 58 Reichssicherheitshauptamt

  • Literatur

  • Boberach, Heinz: Die schriftliche Überlieferung der Behörden des Deutschen Reiches 1871-1945. Sicherung, Rückführung, Ersatzdokumentation. In: Aus der Arbeit des Bundesarchivs. Beiträge zum Archivwesen, zur Quellenkunde und Zeitgeschichte. Boppard 1989, S. 50-61.

  • Inventar archivalischer Quellen des NS-Staates, hg. v. dems., Teil 1, München 1991, S. 114-115; Teil 2, München 1995, S. 89

  • Buchheim, Hans: Die SS - Das Herrschaftsinstrument. Befehl und Gehorsam (Anatomie des SS-Staates, Bd. 1). Olten und Freiburg i. Br. 1967.

  • Granier, G., Henke, J., Oldenhage, K.: Das Bundesarchiv und seine Bestände. Boppard 1977, S. 41 ff., 51 u. 53.

  • Henke, Josef: Das Schicksal deutscher zeitgeschichtlicher Quellen in Kriegs- und Nachkriegszeit. Beschlagnahme-Rückführung-Verbleib. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 30 (1982), S. 557-617.

  • Rürup, Reinhard: Topographie des Terrors. Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt auf dem "Prinz-Albrecht-Gelände". Eine Dokumentation. Berlin 2007.

  • Wolfe, Robert: The Holdings of the Berlin Document Center. A Guide to the Collections. Unveröffentlichtes Manuskript (Berlin) 1994, S. 13-22.

This description is derived directly from structured data provided to EHRI by a partner institution. This collection holding institution considers this description as an accurate reflection of the archival holdings to which it refers at the moment of data transfer.